SPD-Innenpolitiker für Strafen im Schnellverfahren bei Beleidigungen und hohe Bußgelder auch für Betreiber
Osnabrück – Nach dem antisemitischen Anschlag von Halle hat der SPD-Innenpolitiker Boris Pistorius weitreichende Maßnahmen gegen Hass im Internet gefordert. In einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erklärte Pistorius: „Das schreckliche Attentat muss Konsequenzen nach sich ziehen. Wir können nicht weiter dabei zusehen, wie sich alle möglichen radikalen und verblendeten Ideologen das Internet zunutze machen, um unsere Demokratie und unsere Sicherheit zu destabilisieren.“
Konkret schlug der niedersächsische Innenminister ein „Vermummungsverbot für das Internet“ vor. Die Anonymität müsse bei der Verbreitung von Hass im Internet durchbrochen werden. „Jede Meinungsäußerung in Deutschland ist durch das Grundgesetz geschützt. Gleichzeitig wird sie in der analogen Welt auf Versammlungen rechtmäßig eingeschränkt, wenn der Versammlungsteilnehmer sein Gesicht versteckt, um beispielsweise leichter Straftaten begehen zu können. Deshalb gibt es auf Demonstrationen ein Vermummungsverbot. Dieses Vermummungsverbot fordere ich auch für das Netz, natürlich nur bildlich.“
Es gehe ihm nicht darum, dass jeder mit seinem Klarnamen im Netz unterwegs sei. „Aber wenn unter einem Pseudonym Straftaten und Hetze verbreitet werden, muss er für die Strafverfolgungsbehörden eindeutig identifizierbar sein.“ Nur so könne der Staat seine Bürger auch im Internet vor Verfolgung und Repression schützen. „Nur so haben wir eine Chance, den Hass einzudämmen, der sich wie ein Geschwür durch die Gesellschaft frisst.“
Pistorius sprach sich außerdem dafür aus, Strafen für Beleidigungen im beschleunigten Verfahren auszusprechen, damit sie effektiv seien.
Der Kandidat für den SPD-Vorsitz sieht auch die EU und die Betreiber von Internetplattformen in der Pflicht. „Ich rufe die EU dazu auf, Internetplattformen, die in Europa ihr Geschäft betreiben, dazu zu zwingen, ihre Server auch hier aufzubauen. Nur dann haben die Sicherheitsbehörden eine Chance, sich im Notfall physisch Zugang zu verschaffen. Es muss endlich Schluss damit sein, dass das Internet in weiten Teilen ein rechtsfreier Raum ist. Straftaten müssen konsequent und unmittelbar verfolgt werden können.“
Für die Betreiber von sozialen Netzen und anderen Seiten gelte: „Online-Plattformen sind keine gemeinnützigen Vereine. Sie machen Gewinne mit Meinungen im Netz. Und wenn sie trotz der technischen Möglichkeiten – wie dem Einsatz künstlicher Intelligenz – keinen effektiven Schutz vor Hass bieten wollen, muss der Gesetzgeber empfindliche Strafen vorsehen, um sie dazu zu bewegen.“ Jeder andere Gewerbetreibende müsse seine Kunden vor allem Möglichen schützen, Betreiber von Online-Plattformen aber nicht.