Start Panorama Ausland Kommentar Journalist Klaus Jurgens: Deutsche sind in der Türkei hochwillkommen

Kommentar
Journalist Klaus Jurgens: Deutsche sind in der Türkei hochwillkommen

"Was ich aber nicht mag, sind diejenigen, die aus welchem Grunde auch immer diese Freundschaft sabotieren wollen. Die überwiegende Mehrheit der international orientierten, multikulturellen, türkei-freundlichen deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger sollte sich bemerkbar machen, um all diesen ‚Fake News‘ ein für alle Mal keinerlei irreführende Plattformen mehr zu bieten.." Ein Kommentar.

Teilen

Verhaftung – kein Rechtsstaat. Freilassung – kein Rechtssaat. Der Fall Deniz Yücel in Perspektive

Von Klaus Jurgens

Wenn man fast täglich mit türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern beisammen ist oder zumindest in Kontakt steht – sei es privat oder beruflich – kommt in jüngster Zeit natürlich auch das Thema Deniz Yücel zur Sprache. Häufig wird einem dann eine Gegenfrage gestellt: was ist so wichtig für euch an einer Person, die ja doch eigentlich eines seiner beiden Länder – Deutschland – in mehr als einem publizierten Kommentar nicht unbedingt in einem guten Licht darstellt?

Gute Frage in der Tat. Ganz ehrlich gesagt, bevor Herr Yücel eventuell in der Türkei mit dem Gesetz in Konflikt geriet (ich nehme keinerlei Stellung zum ja noch offenen Verfahren und schreibe von daher betont ‚eventuell mit dem Gesetz in Konflikt geriet‘, da jeder unschuldig ist, bis ein Gericht in einer Demokratie etwas anderes beschließt), hatte ich selten etwas von Herrn Yücel gehört. Natürlich verfolge ich permanent ausländische Medien, egal ob in deutscher oder englischer Sprache, die über die Türkei berichten, entweder direkt von vor Ort oder vom Hauptsitz aus.

Nur dass ich über die letzten Jahre und nachdem die oftmals dilettantische Berichterstattung über die gewaltsamen Gezi-Park-Proteste das Bild einer Diktatur vermitteln sollten, und genau das Gegenteil ist der Fall – die Demokratie schlug zurück, nicht ein Diktator – las ich nur noch wenige der Hasstiraden, die leider auch renommierte Medienorgane über die moderne Türkei verbreiteten.

Aber das ist die Vergangenheit, neue Zeiten vor allem im deutsch-türkischen Verhältnis sind angebrochen und werden nochmals auf eine neue Ebene gestellt, sobald Präsident Recep Tayyip Erdoğan wieder nach Deutschland kommt, und im Gegenzug Bundeskanzlerin Angela Merkel bald zum Staatsbesuch in die Türkei fliegt.

Vielleicht entgingen mir von daher einige seiner älteren Artikel; umgekehrt wahrscheinlich ebenso, da er mich wohl als ‚zu türkei-orientiert‘ eingestuft hätte.
Nun also ist er ein Medienstar im eigenen Namen – nur wird das ihm und seiner Karriere nutzen, oder seinen Arbeitgebern, oder gar Deutschland? Man hofft nichts Schlechtes für niemanden; falls jedoch meine Worte bei einigen seiner Anhängern bitter aufstoßen, aber hallo – Sie verteidigen doch Redefreiheit überall, dann bitte auch zu Hause!

Dieser Artikel befasst sich viel mehr mit dem Umfeld, in dem solche ‚Fake News‘ über die heutige Türkei gedeihen. Und dieses Umfeld scheint nicht locker zu lassen. Ein Beispiel: ich kann das Gefühl nicht loswerden, dass genau diejenigen, die der Türkei vorwarfen, kein Rechtsstaat zu sein, nun nach Herrn Yücels Ausreiseerlaubnis die Türkei für genau denselben Sachverhalt immer noch kritisieren. Also: keine Freilassung, kein Rechtsstaat; oder Freilassung, immer noch kein Rechtsstaat? Bitte entscheiden Sie sich doch, welcher Fall denn nun für Sie wirklich zutrifft.

Und dann sein eigener Tweet… er verstehe nicht die Gründe seiner Verhaftung, aber auch nicht die Gründe für seine Freilassung, so ungefähr lautete der Tweet.
Beides zusammen genommen muss man als politischer Berichterstatter – der ja eigentlich die Wahrheit als Grundsatz nimmt und nicht die sehr schöne, aber faktenmäßig etwas schwierig anzuwendende Leserei im Kaffeesatz – nur die Stirn runzeln. Wer hat denn jetzt Recht, wer will was damit sagen, wer beschwert sich über was?
Könnten Besucher von einem anderen Planeten diese Story verfolgen, würden sie mit Sicherheit Fragen über unsere (Erdbürger-)Glaubwürdigkeit stellen! Aber ich bin kein Satiriker.

Deutsche sind in der Türkei hoch willkommen. Ich kenne viele – um nur zwei Beispiele zu nennen, vom Büroleiter einer renommierten Fernsehanstalt bis zum Herrn ‚Normalverbraucher‘, der sein hart verdientes Geld im Sommerurlaub an den schönen Stränden ausgibt. Deutsche arbeiten in der Türkei und zahlen ihre Steuern, Deutsche kaufen Wohnungen, Deutsche schicken ihre Kinder in türkische Schulen, Deutsche haben türkische Bekannte, Freunde, und Ehepartner. Und das nicht nur in Alanya, sondern überall in der Türkei. Die Türken mögen die Deutschen seit vielen, vielen Jahrzehnten. Und die Deutschen mögen die Türken ebenso.

Was ich aber nicht mag, sind diejenigen, die aus welchem Grunde auch immer diese Freundschaft sabotieren wollen. Die überwiegende Mehrheit der international orientierten, multikulturellen, türkei-freundlichen deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger sollte sich bemerkbar machen, um all diesen ‚Fake News‘ ein für alle Mal keinerlei irreführende Plattformen mehr zu bieten.

Auch interessant

– Deutsche in der Türkei –
Kommentar: Berichterstattung über Türkei eine einzige Katastrophe

Der ehemalige Axel-Springer-Mitarbeiter Holger Vorbeck (71) aus Hamburg schildert in einem Kommentar seine Eindrücke zur deutschen Berichterstattung über die Türkei. Es werde massiv gegen die Türkei Stimmung gemacht. Die Berichterstattung sei seit Längerem eine „einzige Katastrophe“. „Einseitig, tendenziös, bösartig und zu einem beträchtlichen Anteil schlicht unwahr“, so Vorbeck.

Kommentar: Berichterstattung über Türkei eine einzige Katastrophe

 


Klaus Jurgens – London School of Economics Postgraduate Degree Government. Vormals Uni-Dozent Ankara, Schwerpunkt BWL und KMU. Über zehn Jahre vor Ort Erfahrung Türkei. Zur Zeit wohnhaft in Wien. Politischer Analyst und freiberuflicher Journalist.