Start Panorama Ausland FETÖ-Verfahren Türkei: Ehemalige Mitarbeiter belasten Tageszeitung Cumhuriyet

FETÖ-Verfahren
Türkei: Ehemalige Mitarbeiter belasten Tageszeitung Cumhuriyet

Im Ermittlungsverfahren gegen Redakteure, Journalisten und Vorstandsmitglieder der Tageszeitung Cumhuriyet und Cumhuriyet Stiftung wurden der ehemalige Vorstandsmitglied der Stiftung İnan Kıraç und der ehemalige Journalist und Autor Rıza Zelyut von der Generalstaatsanwaltschaft in Istanbul befragt. Die Aussagen belasten Vorstandsmitglieder der Stiftung und die Tageszeitung selbst schwer.

(Foto: Akit)
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Istanbul (nex/tp) – Die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul, die im Zusammenhang mit dem sogenannten FETÖ (Netzwerk des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen) ein Ermittlungsverfahren gegen Redaktions- und Vorstandsmitglieder sowie Journalisten der Tageszeitung Cumhuriyet wie auch gegen die gleichnamige Stiftung eingeleitet und Untersuchungshaft gegen den Chefredakteur Murat Sabuncu sowie acht seiner Mitarbeiter angeordnet hatte, hat am vergangenen Mittwoch zwei ehemalige Mitglieder der Zeitung und Stiftung als Zeugen geladen.

Als erster Zeuge wurde das ehemalige Vorstandsmitglied der Cumhuriyet-Stiftung İnan Kıraç befragt, der Unternehmer ist und sich als langjähriger Vorsitzender des Koç-Imperiums einen Namen gemacht hat. Der zweite Zeuge ist der Autor und Journalist Rıza Zelyut, der für Cumhuriyet tätig war und mittlerweile für Aydinlik schreibt.

Laut türkischen Medien sind jetzt erste Vernehmungsprotokolle publik geworden. Demnach habe İnan Kıraç gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft ausgesagt, dass er den ehemaligen bekannten Cumhuriyet-Chefredakteur İlhan Selçuk vor dessen Tod im Jahre 2010 besucht habe und dieser ihn damals gedrängt habe, dass die damaligen Vorsitzenden der Stiftung, Alev Coskun oder Sevket Tokus, als Chefredakteure eingesetzt würden, damit die Linie der Zeitung beibehalten werde.

Kurz nach dem Tod von İlhan Selçuk habe man aber laut Kıraç die beiden Vorsitzenden aus der Stiftung herausgedrängt und nacheinander durch andere ersetzt sowie einen Vorsitzenden eingesetzt, der die Linie der Zeitung maßgeblich beeinflusst habe. Er habe das mit Bedauern aufgenommen; ab dem Zeitpunkt habe sich die Linie der Zeitung bis in die Gegenwart komplett verändert. Kıraç sagte, dass er selbst seitdem kein einziges Exemplar der Cumhuriyet mehr gekauft oder auch nur gelesen habe.

Rıza Zelyut beantwortete die Frage der Generalstaatsanwaltschaft, was er mit einem früheren Artikel zum FETÖ gemeint habe, mit den Worten: „Das FETÖ wollte die Öffentlichkeit gegen die Nationalisten und Kemalisten aufwiegeln“. Mit den Morden an Hrant Dink, dem Pastor Santoro, denen im Zirve-Verlag sowie den Staatsrat-Vorfällen habe das FETÖ die Nationalisten und Kemalisten als Feindbild aufgebaut und die Öffentlichkeit auf diese Gesellschaftsschichten fokussiert und gegen sie aufgewiegelt, so Zelyut.

Laut Zelyut soll das FETÖ dabei kemalistische wie auch nationalistische Tageszeitungen infiltriert haben, um dieses Vorhaben umsetzen zu können. „Nach dem Tod von İlhan Selçuk sickerten sie in die Zeitung Cumhuriyet ein und übernahmen auch die Vorstandsetage“, sagte Zelyut gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft. Zelyut zufolge habe der Vorstandsvorsitzende Akın Atalay dabei eine Schlüsselrolle gespielt, um die Journalisten Mustafa Balbay (wegen Ergenekon verhaftet und wieder freigelassen), Mehmet Farac, Bedri Baykan und Alev Coskun (alle wieder entlassen worden) in der Redaktion zu disqualifizieren und aus der Zeitung herauszudrängen.

Zelyut und Kıraç gaben an, dass die Zeitung nach diesen Vorfällen eine FETÖ/PYD- und HDP-Linie verfolgt und damit zahlreiche Leser verloren habe. Daher seien auch Kosenamen für die Tageszeitung im Umlauf und gebe es eine Plattform namens CUMOK, unter der ehemalige Leser die Cumhuriyet kritisieren würden.

Türkische Medien hatten Anfang des Monats berichtet, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Istanbul sich auf mehrere Gutachten der Behörde für Steuer- und Wirtschaftskriminalität (MASAK) sowie freier Wirtschaftsprüfer stütze und gegen den Vorsitzenden der Cumhuriyet Stiftung Akın Atalay Haftbefehl erlassen habe, der sich jedoch in Deutschland aufhält.

Erst nach dem Haftbefehl hatte Akın Atalay sich gemeldet und im sozialen Netzwerk Twitter seine Rückkehr angekündigt, doch die Zeit sei dafür noch nicht reif, und er könne als freier Mann mehr für seine inhaftierten Kollegen tun als in Untersuchungshaft. Laut weiteren Berichten soll die Cumhuriyet-Stiftung, nach dem Akın Atalay auf unlauteren Wegen in den Vorstand berufen worden sein soll, eine große Menge finanzieller Transaktionen von der Kaynak-Holding erhalten haben.

Die Kaynak-Holding selbst wird mit dem Korruptionsskandal vom 17. Dezember 2013 in Verbindung gebracht. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge sollen Abschriften der „Beweise“ über die Korruptionsvorwürfe gegen Regierungsmitglieder bereits am selben Tag am frühen Morgen der Kaynak-Holding vorgelegen und von dort aus auch an die FETÖ weitergeleitet worden sein. Die Generalstaatsanwaltschaft bewertet diesen Vorgang als den Startschuss für die Publikation der Vorwürfe gegen die Regierungsmitglieder.