von Kemal Bölge
Samstagmittag, es bläst ein kalter und ungemütlicher Wind durch die Brüder-Grimm-Stadt. Zum zweiten Jahrestag des rassistischen Terroranschlags von Hanau gedachten in der Hanauer Innenstadt Vertreter aus der Politik, die Hinterbliebenen, zivilgesellschaftliche Institutionen und viele Bürgerinnen und Bürger den neun getöteten Anschlagsopfern.
Vor dem ersten Anschlagsort fand für die Todesopfer eine Gedenkveranstaltung statt, bei dem zunächst die Namen der Opfer vorgelesen und eine Schweigeminute eingelegt wurde.
Journalist und Mitorganisator M. Teyfik Oezcan: „Wir sind Deutschland. Wir gehören zusammen“
Einige Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift „Du trägst das wirklich freiwillig? Nein, damit du mich fragst“, „Du sprichst aber gut Deutsch. Ja, warum auch nicht“. Der Journalist und Mitorganisator M. Teyfik Oezcan, verlas zunächst eine Presseerklärung.
Darin erklärte er unter anderem: „Wichtig ist für uns, Flagge zu zeigen. Gegen Terror, Fremdenfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus.“ Die Botschaft laute daher: Wir sind Deutschland. Wir gehören zusammen.“ Danach moderierte er ein Gespräch mit Niculescu Păun, dem Vater des getöteten Vili-Viorel Păun sowie Çetin Gültekin, der Bruder des ebenfalls getöteten Gökhan Gültekin.
Vili-Viorel Păun ruft mehrfach den Notruf der Polizei, ohne Erfolg
Während der Unterredung wünscht sich Nicu Păun, dass sich ein solcher rassischer Terroranschlag in Deutschland nicht wiederholt. Vili-Viorel Păun hatte in der Tatnacht versucht, am ersten Tatort sich dem Mörder Tobias Rathjen mit seinem Auto in den Weg zu stellen, was misslang, weil der Täter auf dessen Auto schoss.
Er fuhr dem rechtsextremistischen Täter hinterher und rief unterwegs mehrfach erfolglos den Notruf der Polizei an. Auf dem Parkplatz des zweiten Tatorts erschoss der Attentäter Vili-Viorel.
Vater eines Anschlagopfers: „Mein Sohn hat mit seiner Tat das Leben von weiteren Menschen gerettet“
Der Vater von Vili sagt mit leiser, aber bestimmter Stimme, dass sein Sohn die Pläne des Mörders zunichtegemacht hätte, noch mehr unschuldige Menschen zu töten. Die Polizei hätte in der Wohnung des Terroristen eine Skizze gefunden, wonach dieser viel mehr Menschen hätte töten wollen.
Çetin Gültekin richtet einen Appell an die Politik und verlangt eine Verschärfung der Waffengesetze, damit sich eine solche Tat nicht wiederholt. Im Anschluss halten die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken und der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky eine Rede.
SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Rechtsextremismus ist größte Gefahr in Deutschland
Die Bürgerinnen und Bürger mit migrantischen Wurzeln stellen sich nach Saskia Eskens Ansicht die berechtigte Frage, ob der Staat, dessen Bürger sie sind, in der Lage ist, sie noch zu schützen. Der Rechtsextremismus ist nach Meinung der SPD-Vorsitzenden die größte Bedrohung für Deutschland.
Dafür brauche es keiner weiteren schrecklichen Beweise, so Esken. Sie legt vor dem ersten Tatort für die Anschlagsopfer Blumen nieder. Claus Kaminsky (CDU), Oberbürgermeister von Hanau, versprach, die Forderungen nach lückenloser Aufklärung des rassistischen Mordanschlags weiterhin voll zu unterstützen und die Namen der rassistisch ermordeten niemals zu vergessen.
Man werde weiterhin den Angehörigen nach Kräften beistehen, so der Hanauer OB auf der Kundgebung. Auf einer weiteren Kundgebung auf dem zentralen Marktplatz versammelten sich etwa 6.000 Teilnehmer, um der Opfer des Anschlags zu gedenken. Einige Teilnehmer trugen Plakate mit der Aufschrift „Hanau ist überall“.
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