Start Panorama Gesellschaft Hamburg Anruf bei Polizei: Deutsch-kenianischer Lehrer wird für Schuleinbrecher gehalten

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Anruf bei Polizei: Deutsch-kenianischer Lehrer wird für Schuleinbrecher gehalten

Wie viele seiner Kollegen an der Stadtteilschule Am Heidberg wollte Philip Oprong Spenner an einem Sonntag Ende November ganz in Ruhe die nächste Unterrichtsstunde vorbereiten. 

Philip Oprong Spenner (Archivfoto: Kanduyi Children e.V./Ullstein Verlag)
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Hamburg – Wie viele seiner Kollegen an der Stadtteilschule Am Heidberg wollte Philip Oprong Spenner an einem Sonntag Ende November ganz in Ruhe die nächste Unterrichtsstunde vorbereiten.

„Wegen der Corona-Maßnahmen ist es nicht einfach, die Abstände im Lehrerzimmer einzuhalten. Ich musste viele Kopien machen und wusste, dass es am Montag schwierig werden würde, ohne von vielen Menschen umgeben zu sein und ohne die Kollegen und Kolleginnen zu nerven“, zitiert die Hamburger Morgenpost (MOPO) den 42-jährigen Lehrer kenianischer Abstammung. Nachdem er die Zettel kopierte, brachte er sie eine Etage tiefer zum Klassenzimmer der 8a, um die Englisch-Aufgaben auf die Tische zu verteilen.

Plötzlich seien etwa 15 Polizisten mit Taschenlampen, schusssicheren Westen und gezogenen Waffen auf ihn zugestürmt. Für einen Mann, der in seiner Kindheit als Straßenjunge in Kenia mehrmals polizeilicher Willkür ausgesetzt war (Spenner hat darüber ein Buch geschrieben: „Move On Up“), eine besonders bedrohliche Situation, berichtet MOPO weiter. „Ich war im Klassenzimmer, als ich plötzlich in die Visiere mehrerer Pistolen blickte, die auf mich gerichtet waren.“

Eine Passantin habe ihn durchs Fenster im Klassenraum gesehen und die Polizei alarmiert und somit einen Großeinsatz ausgelöst. Ein „schwarzer maskierter Mann“ halte sich im Klassenzimmer auf, habe die 14-Jährige aufgeregt der Polizei mitgeteilt, wie eine Sprecherin der Polizei der MOPO bestätigt habe.

Spenner sei jedoch ruhig geblieben und habe die Beamten darauf hingewiesen, dass er Lehrer auf der Schule sei und einen Schlüssel für das Gebäude habe. Den Polizisten habe die Antwort jedoch nicht gereicht und sie hätten nach dem Namen der Schulleitung und des Hausmeisters gefragt, berichtet MOPO weiter.  Obwohl er alle Fragen flüssig beantwortet habe, musste sich Spenner trotzdem ausweisen. Im Lehrerzimmer seien seine Daten aufgenommen worden. Einige Telefonate später habe er den Ausweis zurückbekommen. Zuvor habe er aber noch erklären müssen, wo er geboren wurde und seit wann er in Deutschland lebe.

Der Einsatz, bei dem fünf Streifenwagen zum Einsatz kamen, habe 38 Minuten gedauert. Es habe der Verdacht bestanden, dass sich „ein oder mehrere Einbrecher in der Schule befände(n)“, so die Sprecherin gegenüber MOPO.

„Was passiert wäre, wenn er seinen Ausweis zufällig nicht dabei gehabt hätte. „Ob sie mich aufs Revier mitgenommen hätten?“ Oder was, wenn er aufgrund seiner Kindheitserlebnisse panisch reagiert hätte? Wie hätten die Polizisten da wohl reagiert?“, fragt Spenner.

Lehrer schreibt Brief an die Beschwerdestelle der Polizei

Ende November habe Spenner einen Brief an die Beschwerde- und Disziplinarabteilung der Polizei Hamburg geschrieben. Bis heute habe er jedoch keine Antwort erhalten.

Als sein Sohn ihn am Tag des Polizeieinsatzes zu Hause fragte, ob die Polizisten sich bei ihm entschuldigt haben, sei Spenner erst bewusst geworden, dass eine Entschuldigung genau das ist, was er gebraucht hätte, um das Erlebte besser wegstecken zu können. Laut der Polizeisprecherin sei „in Absprache mit Herrn Spenner geplant, einen Kontakt zu einem Stadtteilpolizisten oder einem sogenannten Cop4you herzustellen“, so MOPO.

Stephan Anpalagan verurtielt Vorgehensweise der Polizei

Der Journalist Stephan Anpalagan hat die Vorgehensweise der Polizei scharf verurteilt. In einem Facebook Post schreibt der 37-Jährige:

„Ich finde, dieser unfassbare Vorfall könnte ein wenig Öffentlichkeit vertragen. Vielleicht hat die Polizei Hamburg ja Zeit und Lust sich zu äußern. Und weil sich in den vergangenen Tagen genügend Menschen ihre Mäuler über „Antirassismus als Geschäftsmodell“ zerrissen haben:

Das hier ist der gottverdammte Alltag in Deutschland, wenn man nicht weiß ist. Wenn die Polizei einen auf dem Kieker hat. Wenn fucking Racial Profiling stattfindet. Jeden Tag und überall. Wenn man als Lehrer nicht einmal Unterrichtsmaterialien vorbereiten kann, ohne dass irgendwelche Hirnamputierten die einfachsten und harmlosesten Tätigkeiten kriminalisieren.

Und dann fragt Euch mal, warum wir alle ein klitzekleines bisschen wütend sind. Warum wir keine Sekunde länger diese Verhältnisse anzuerkennen bereit sind. Warum wir ziemlich dünnhäutig reagieren, wenn sich der Eindruck verfestigt, dass die Mehrheitsgesellschaft all diese Vorfälle und strukturellen Untergründe nicht ernst nimmt. In jeder verdammten Veranstaltung werde ich gefragt, ob es Rassismus „eigentlich“ gibt. Was glaubt Ihr denn, Ihr Dullies? Und wenn Ihr eine Antwort haben wollt, warum hört Ihr dann nicht zu? Oder ist Euch die Antwort zu anstrengend?

Und wenn man schreibt, dass man müde ist, kommt irgendeine hohle Nuss um die Ecke und schreibt eine 10.000-Zeichen Kolumne darüber, wie empfindlich man sei. Oder dass man sich doch bitte nicht zum Opfer machen solle. Und nur um einmal einen kleinen Einblick in den Wahnsinn meines Lebens zu geben: Ich habe vor weniger als 3 Stunden (!) eine Vorlesung an einer Polizeihochschule zum Thema „Grundrechte und Menschenrechte“ gehalten – als Teil Polizeiausbildung im gehobenen Dienst.

Themen: „Gefahrenpotenzial“, „Racial Profiling“, „Kriminalitätsentwicklung“, „Sicherheitsgefühl“, „Dessau“, „Korpsgeist“.

Was für eine Ironie des Schicksals…

Ich empfehle der Polizei Hamburg sehr, sich mit
Amnesty International Deutschland zusammenzusetzen, um diesen Vorfall mit externer Hilfe aufzuarbeiten. Irgendwann muss man doch mal anfangen etwas zu verändern…
Es ist einfach alles so un-fucking-fassbar kaputt. Einfach alles.“

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