„Erdoğans Schattenkrieger“: DITIB wirft Focus „moralischen Tiefpunkt vor“
Köln (nex) – In einem Artikel über angebliche Spionagenetzwerke des türkischen Geheimdienstes in Deutschland wirft der „Focus“ dem Islamverband DITIB vor, nachrichtendienstliche Informationen an die türkische Regierung zu übermitteln. Der Verband wehrt sich nun in einem offenen Brief. In seiner Ausgabe 27/2015 veröffentlichte das Magazin „Focus“ unter dem Titel „Erdoğans Schattenkrieger“ eine Reportage über ein angebliches Agentennetz, das der Chef der Nationalen Geheimdienstorganisation der Türkei, Millî İstihbarat Teşkilatı (MİT), Hakan Fidan, unter türkischen Einwanderern in Deutschland gespannt haben soll. Hintergrund ist ein umstrittener Prozess gegen drei Deutschtürken in Karlsruhe, denen vorgeworfen wird, den MİT von Deutschland aus mit Informationen über Gruppen versorgt zu haben, die im Verdacht des Terrorismus gegen die Türkei stehen oder die als Risiko für deren nationale Sicherheit eingestuft werden.
Dabei hat das Magazin sogar die Moschee des größten Islamverbandes in Deutschland, der DITIB, in Köln-Ehrenfeld als „wichtigen Stützpunkt von Hakan Fidans Geheimdienst MİT“ bezeichnet. Die Vorbeter dort würden angeblich angewiesen, „Informationen über Erdogans Kritiker sowie Personenfotos über vermeintliche Landesverräter zu liefern“. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die der 1924 gegründeten staatlichen Religionsbehörde der Türkei zugeordnet ist. Die DITIB hat nun in einem offenen Brief die Darstellungen des Magazin entschieden zurückgewiesen und erklärt, die Behauptung, die DITIB-Moschee in Köln-Ehrenfeld gelte als „wichtiger Stützpunkt“ des türkischen Geheimdienstes MİT, sei „schlichtweg unwahr“ und reihe sich ein „in eine Vielzahl von falschen, tendenziösen Berichten, Behauptungen und Fehldeutungen über die mitgliedsstärkste islamische Gemeinschaft in Deutschland“. Der „Focus“-Bericht bediene „lächerliche Verschwörungstheorien, die immer da ansetzen, wo Vorurteile und Vorbehalte im Spiel sind, es keine Unschuldsvermutung gibt und es keiner Rechtsstaatlichkeit bedarf“, so die DITIB weiter.
Dem DITIB-Verband eine verborgene Agenda illoyaler Machenschaften zu unterstellen, sei bezeichnend für die mehrheitliche Berichterstattung über den Islam in Deutschland und „Focus“ selbst markiere „mit diesem Bericht den stilistischen wie moralischen Tiefpunkt in der öffentlichen Debatte“. DITIB sieht in dieser Art der Berichterstattung einen Zusammenhang mit Bestrebungen, einen „deutschen Islam“ zu konstruieren, wie ihn politische Akteure und Medien in Deutschland als Gegensatz zum traditionellen, etablierten Islam der Einwanderermilieus etablieren zu wollen scheinen. Der Islamverband werde sich weiterhin für den individuellen und gesellschaftlichen Frieden einsetzen, heißt es in einer Erklärung, man wolle jedoch „verleumderische Unterstellungen und Polemik dieser Couleur nicht durch weitere Kommentare aufwerten“.