Ankara (nex) – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat anlässlich des Weltfrauentages auf einer Gewerkschaftsversammlung für weibliche Beschäftigte deutlich gemacht, dass die Türkei weiterhin entschlossen daran arbeiten werde, den Schutz von Frauenrechten bestmöglich zu gewährleisten und weiter auszubauen. Vor allem das Gefälle in Bereichen wie Beschäftigung und Bildung, das in der Türkei immer noch nicht gänzlich überwunden ist, müsse bekämpft werden, erklärte der Präsident. Erdogan erklärte, er werde für die Anliegen der Frauen aufstehen, wie er in aller Welt für die Rechte der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker aufstehe. „Um ihre Zukunft zu sichern, muss die Menschheit den Frauen den Wert geben, den sie verdienen“, erklärte Erdogan und würdigte die Leistungen der anwesenden Arbeiterinnen als „Beispiele dafür, wie Frauen unabhängig auf eigenen Beinen stehen können und ihre Persönlichkeit, ihren Glauben und ihre Werte erhalten, ohne aufgrund ihres Geschlechts zum Objekt gemacht und ausgebeutet zu werden. In unserem Glauben und unserer Kultur werden Menschen ohne Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts behandelt, weil wir alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht hoch schätzen“.
„Wo waren westliche Frauenrechte in Syrien?“
Erdogan erinnerte an die Fortschritte, die die Türkei bezüglich der Frauenrechte insbesondere in der Arbeitswelt in seiner Zeit als Premierminister gemacht habe und dass es „noch nie zuvor da gewesene“ Gesetze zur Besserstellung von Frauen und zur gleichen Bezahlung gegeben habe. Erdogan erklärte auch, das Land müsse zu einer spezifisch türkischen Variante von Gleichberechtigung der Geschlechter finden, so wie es auch eine spezifisch türkische Variante eines Präsidialsystems geben müsse. „Wir müssen nicht notwendigerweise die Frauenrechte in dem Format und dem Stil ausdrücken, verteidigen und durchsetzen, wie dies der Westen macht“, machte der Präsident deutlich. „Wir können alle gemeinsam Schritte gehen, um die Wahrnehmung von Frauen als Menschen und Individuen im Lichte unserer Geschichte und unseres kulturellen Hintergrundes zu stärken, Fehler zu korrigieren und Mängel zu eliminieren. Glaubt mir, das wird auf diese Weise viel effektiver sein. Würde es der Westen tatsächlich mit den Frauenrechten so genau nehmen, wären sie nicht alle so ruhig geblieben, als hunderttausende Frauen und ihre Kinder in Syrien starben.“ Erdogan drückte seine Genugtuung darüber aus, dass die in der Türkei lange ein besonderes Problem darstellende Schulbildung für Mädchen eine positive Entwicklung verzeichne. Dem offiziellen Statistikamt TurkStat zufolge lag die Beschulungsrate von Mädchen 2007 erst bei 87 Prozent, 2015 besuchten bereits 97 Prozent die Schule. Die Lebenserwartung von Frauen in der Türkei liegt bei durchschnittlich 80,7 Jahren (Männer: 75,3), wobei die osttürkische Stadt Tunceli mit 85,7 Jahren an der Spitze liegt.
Regierung will mit offensiven Programmen für Frauen Bildung und Beschäftigung verbessern
Mängel bestehen hingegen in Teilbereichen der Gesundheit, so waren 2014 etwa 24,9 Prozent aller Frauen in der Türkei übergewichtig, ein Zuwachs von fast vier Prozent gegenüber 2012 – die Rate ist dabei um zehn Prozent höher als unter Männern. Und auch in der Bildung leiden insbesondere ländliche Räume darunter, dass trotz einer 2012 eingeführten 12-jährigen Pflichtschulzeit nicht alle Mädchen eine Schulbildung genießen können. In bestimmten Regionen werden eigentlich schulpflichtige Mädchen immer noch als billige Arbeitskräfte ausgebeutet oder von ihren Familien verheiratet. Während nur 1,8 Prozent der Männer in der Türkei des Lesens und Schreibens nicht kundig sind, sind es immer noch 9,2 Prozent der Frauen (Zahlen von 2014). Immerhin erreichen mittlerweile 11,7 Prozent der Frauen in der Türkei einen Universitätsabschluss, wobei Männer mit 16,2 Prozent weiter im Vorteil sind. Die Türkei hat darauf mit Regierungsprogrammen wie der von der First Lady initiierten Aktion „Zweite Chance für Frauen“ reagiert, die immerhin bereits 12 000 Frauen auf dem zweiten Bildungsweg einen Schulabschluss ermöglichte. Auch will man durch spezielle Förderprogramme und verbesserten Mutterschutz die Beschäftigtenquote unter Frauen von derzeit 26,7 Prozent auf mindestens 35 Prozent im Jahr 2023 steigern. Auch hier ist Bildung ein Schlüssel zum Erfolg. Unter Frauen mit höherer Bildung üben 71,3 Prozent einen Beruf aus. Auch in der Politik gab es einen Aufwärtstrend. Waren 1935 nur 4,5 Prozent der Parlamentsabgeordneten weiblich, sind es heute 14,7. Im Kabinett beträgt der Frauenanteil 7,4 Prozent. Auch die Zahl der Bürgermeisterinnen steigerte sich von 0,9 Prozent im Jahr 2009 auf 2,9 im Jahr 2014. Das höchste Maß an Gleichberechtigung ist in der Metropole Istanbul und in der Marmararegion verwirklicht.