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Gastbeitrag
Kommentar: Deniz Nakis Fangemeinde stumm wie Stroh

"Es gab in Deutschland einen Klassiker von Verschwörungsideologie, der offenbar immer noch zieht: "Sie" wollen die Herrschaft an sich reißen; "Sie" sind an allem Schuld. Einst wurden Juden für alles verantwortlich gemacht. Heute steht ein fiktives Kollektiv von türkisch-muslimischen Gemeinden sinnbildlich für Verbrechen, Unheil und Weltherrschaftsallüren." Ein Kommentar.

(Archivfoto: nex24)
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Es gab in Deutschland einen Klassiker von Verschwörungsideologie, der offenbar immer noch zieht: „Sie“ wollen die Herrschaft an sich reißen; „Sie“ sind an allem Schuld. Einst wurden Juden für alles verantwortlich gemacht. Heute steht ein fiktives Kollektiv von türkisch-muslimischen Gemeinden sinnbildlich für Verbrechen, Unheil und Weltherrschaftsallüren.

Was bisher geschah:

Im schweizerischen Rümlang wurde in einem Briefkasten der Türkischen Gemeinschaft Schweiz ein verdächtiger Gegenstand entdeckt, was einen Großeinsatz von Rettungskräften und des Bombenräumkommandos ausgelöst hat. Der Gegenstand konnte zwar sicher geborgen werden, aber in den Medien war es allenfalls einer kleinen Meldung wert, als dieser Textblock lang ist. Während die schweizerischen Behörden im Dunkeln tappten und die Medien unerwartet sich in Zurückhaltung übten, meldete sich die apoistische völkisch-kurdische Jugendguerilla und übernahm die volle Verantwortung für die „Sprengung der Briefkästen“. Dabei faselte man etwas von „zwei Stützen des türkischen Faschismus“.

Vor mehr als drei Jahren befand der Profi-Fußballer Deniz Naki, dass er nicht einmal mehr in Deutschland sicher sei, weshalb er prompt auf der Autobahn beschossen wurde – von wem, dass ist bis heute nicht geklärt. Nun, gegenwärtig müssten sich die „Grauen Wölfe“ sowie der türkische Geheimdienst richtig ins Zeug legen, um Naki klammheimlich aus der deutschen Untersuchungshaft zu befreien und in die Türkei zu überführen, wo er als „Kurde“ weiter verfolgt werden kann.

Nun verfolgt das Landgericht Aachen die Sache zwischen Deniz Naki und den kurdischen Pampersrockern „Bahoz“, statt die Staatsschutzkammer Köln. Naki kann nun nicht mehr ein Drama um politische Verfolgung spinnen und seine Fangemeinde ist seither stumm wie Stroh.

Was jetzt passiert:

Der türkische Staatspräsident lädt wie jedes Jahr zum traditionellen Essenfassen. Diesmal ist es wieder einmal Erdogan, der zum Iftar Prominente, Sportler, Generäle, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, und ja, auch Deutschtürken einlädt, um im Ramadan gemeinsam das Fasten zu brechen.

Auch diesmal waren „Türken“ aus Deutschland eingeladen; die Damen und Herren der größten deutsch-türkischen Religionsgemeinschaften, DITIB, Atib, Milli Görüs etc..

Während also diese Religions- und Kulturgemeinschaften in Deutschland interkulturellen Dialog vorgaukeln, schmieden sie zusammen mit Erdogan – und zwar immer jedes Jahr zum Iftar – „hinter verschlossenen Türen“ Pläne, um die Herrschaft über Deutschland an sich zu reißen.

Wer diese Verschwörung zuerst aufgedeckt hat, ob nun der „Experte“ Burak Copur, Lennart Pfahler von der WELT oder der um „interreligiösen Dialog“ bemühte Alhambra-Absolvent Eren Güvercin, ist doch wirklich nebensächlich. Entscheidend ist, dass diese Verschwörungstheorien bei den Linken bis zu den PI-News verfangen.

Und wenn etwas verfängt und wenn man daran feste glaubt, glauben will, wie z.B., dass die Bundesregierung oder die Landesregierungen offensichtlich nichts gegen diese „Islamisten“, „Faschisten“ oder „Genozidleugner“ in der Funktion einer fünften Kolonne unternehmen, dann kommt die Ohnmacht hoch. Wird anschaulich in den sozialen Netzwerken vorgelebt, vor allem unter den Tweets von diesen aussichtsreichen Politkandidaten und Haustürken.

Das Problem ist nur, dass diese vermeintliche Ohnmacht irgendwann zu Frust, dann zu Aggression und schlussendlich zu Opfern und Leid führt. Das erkennt man gegenwärtig in Rümelang an Briefkästen, an den Moscheen in Europa, die auch heute wieder geschändet oder angegriffen wurden oder an den umgestoßenen Grabsteinen in einem muslimischen Friedhof. Salopp gesagt an den unhaltbaren Vorwürfen gegenüber einem fiktiven Kollektiv.

Ich wüsste jedenfalls nicht, dass die „Grauen Wölfe“ im gleichen Zeitraum jüdische Friedhöfe geschändet, kurdische Einrichtungen, alevitische Kultur- und Gebetsstätten angegriffen, deren Briefkästen in die Luft gesprengt oder Persönlichkeiten wie Deniz Naki attackiert hätten. Ich meine, welche „Grauen Wölfe“ wurden denn nun in den letzten Jahren strafrechtlich belangt? Wie viele Sympathisanten und Führungsleute der völkisch-kurdischen PKK, der Antifa bzw. der rechten Szene wurden denn bislang allein in Deutschland verurteilt, weil sie eben das getan haben, was man ihnen vorwarf?

Offenbar greift der deutsche Rechtsstaat durch, was die unzähligen Verurteilungen von völkischen Kurden mit türkischer oder deutscher Staatsbürgerschaft, deutschen Antifamitgliedern oder deutschen rechten Gesocks widerspiegeln. Sprich, obwohl es auf der einen Seite Verurteilungen gibt, auf der anderen Seite eine fiktive Gefahr heraufbeschworen, aber sich bislang nicht bewahrheitet hat, scheinen die Verschwörungstheoretiker immer noch die Deutungshoheit zu besitzen. Die Medien fressen diese Geschichten um die Weltherrschaft, Unterdrückung oder Unterwanderung regelrecht auf, die Erdogan jedes Jahr zu pflegen scheint.


Dieser Gastbeitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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