Das Erotikgewerbe in der Schweiz bewegt eine relevante, regulierte Wirtschaft, steht jedoch im Zentrum normativer Grauzonen, kultureller Spannungen und sozialer Widersprüche. Obwohl Prostitution legal und kantonal geregelt ist, werfen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten weiterhin Fragen zu Rechten, Schutz und öffentlicher Darstellung auf.
Laut Schätzungen des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS (UNAIDS) arbeiten in der Schweiz rund 20.000 Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter – ein strukturell bedeutsames Phänomen, das gesellschaftlich oft verdrängt oder vereinfacht dargestellt wird.
Ein legales, aber fragmentiertes Gewerbe
Prostitution ist auf Bundesebene erlaubt. Die konkrete Umsetzung jedoch liegt bei den einzelnen Kantonen – das führt zu großen Unterschieden in der Regulierung. Jeder Kanton bestimmt selbst, wie die Registrierung erfolgt, welche gesundheitlichen Auflagen gelten oder wo gearbeitet werden darf. Diese rechtliche Zersplitterung erschwert eine kohärente nationale Politik und behindert gleichzeitig die Aufdeckung problematischer Situationen.
Ein Beispiel für einen föderalen Eingriff war die Erhöhung des gesetzlichen Mindestalters für Sexarbeit von 16 auf 18 Jahre im Jahr 2013. In manchen Regionen sind die Bedingungen relativ transparent. In anderen hingegen drängen restriktive Vorschriften Menschen in die Illegalität oder Grauzonen, wodurch Schutzmaßnahmen schwer durchsetzbar sind.
Bürokratie und prekäre Verhältnisse
Neben gesundheitlichen und steuerlichen Auflagen müssen sich viele Beschäftigte in der Branche mit einer komplexen Bürokratie auseinandersetzen – vor allem, wenn sie aus dem Ausland stammen. Ein Großteil der Sexarbeiterinnen in der Schweiz sind Migrantinnen, vorwiegend aus Osteuropa und Lateinamerika. Für sie ist der Zugang zu Genehmigungen, Gesundheitsversorgung oder rechtlicher Beratung oft ein Hürdenlauf.
Unklare Vertragsverhältnisse, fehlende soziale Absicherung und das Fehlen effektiver gewerkschaftlicher Vertretung führen dazu, dass viele trotz legaler Tätigkeit in prekären Verhältnissen leben. Die wirtschaftliche Unsicherheit und zunehmende Kontrollen verschärfen die Lage zusätzlich.
Stigmatisierung und mediale Verzerrung
Ein zentrales Problem bleibt die gesellschaftliche Stigmatisierung. Obwohl Prostitution legal ist, wird sie nach wie vor mit moralischem Zweifel oder urbanem Verfall assoziiert. Das wirkt sich auf die Lebensrealität der Betroffenen aus – auf den Zugang zu Dienstleistungen, auf ihre Sicherheit und auf ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs.
In den Medien dominiert oft eine stereotype oder kriminalisierende Darstellung. Die Vielfalt individueller Erfahrungen wird ausgeblendet, ebenso wie die Tatsache, dass viele diesen Beruf aus freier Entscheidung ausüben – auch wenn wirtschaftlicher Druck häufig mitspielt.
Digitale Sichtbarkeit und neue Herausforderungen
Digitale Plattformen haben das Gewerbe spürbar verändert. Sie ermöglichen mehr Autonomie, Sichtbarkeit und Kontrolle über Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig werfen sie neue Fragen auf: zur Regulierung, zur Transparenz und zur Verantwortung der Betreiber.
My-ladies.ch ist eine dieser Plattformen. Neben der Vermittlung von Kontakten zwischen Kunden und Anbietern betreibt sie einen Blog, in dem zentrale Themen wie Arbeitsbedingungen, rechtliche Rahmenbedingungen, Diskriminierung und gesellschaftliche Vorurteile behandelt werden.
Dieser redaktionelle Bereich geht über kommerzielle Sichtbarkeit hinaus: Er bietet einen Raum für Information, Selbstvertretung und kritische Auseinandersetzung. Durch Erfahrungsberichte und Analysen entsteht eine Stimme von innen – in einem öffentlichen Diskurs, in dem die Branche meist nur verzerrt oder gar nicht vorkommt.
Eine Frage der Rechte
Im Zentrum sollte die Frage der Rechte stehen. Viele Sexarbeiterinnen in der Schweiz arbeiten legal, bleiben aber ohne verlässliche soziale Absicherung, ohne Zugang zu medizinischer Versorgung – oder erleben Diskriminierung, wenn sie diese in Anspruch nehmen wollen.
Laut der Organisation FIZ, die sich für Opfer von Menschenhandel einsetzt, wurden im Jahr 2023 im Rahmen eines Schutzprogramms 317 Fälle registriert, drei Viertel davon betrafen sexuelle Ausbeutung.
FIZ und ähnliche Organisationen fordern seit Jahren einen weniger moralischen und stärker unterstützenden Ansatz. Sie plädieren für Reformen, die rechtlichen Schutz garantieren und die verschiedenen Lebensrealitäten in der Branche berücksichtigen – von freiwilliger Tätigkeit bis hin zu Ausbeutung.
Eine Frage von Realismus und Transparenz
Die Auseinandersetzung mit Sexarbeit in der Schweiz verlangt eine realistische und differenzierte Perspektive. Steuerliche und gesundheitliche Vorschriften allein reichen nicht aus. Es braucht einen umfassenderen Blick, der Menschenrechte, soziale Realität und politische Verantwortung zusammenbringt.
Das bedeutet: Räume für Dialog schaffen, repressive Maßnahmen überdenken und eine öffentliche Darstellung fördern, die nicht auf Angst oder Vereinfachung basiert. Denn das Erotikgewerbe wird nicht durch Verbote verschwinden – es kann sich aber verändern, wenn es ernsthaft und transparent behandelt wird.
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