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Gastbeitrag
„Schwarzer Januar“: Sowjet-Massaker in Aserbaidschan

Januar 1990: Vor genau 31 Jahren marschieren sowjetische Truppen in Baku ein und verüben dort ein Massaker, das den Aserbaidschanern noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

(Foto: .supremecourt.gov.az/)
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Schwarzer Januar

Ein Gastbeitrag von Asif Masimov

Januar 1990: Vor genau 31 Jahren marschieren sowjetische Truppen in Baku ein und verüben dort ein Massaker, das den Aserbaidschanern noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Die sowjetischen Truppen nahmen dabei sowjetische Bürger der Republik Aserbaidschan unter Beschuss und agierten somit gewaltsam gegen ihr eigenes Volk. Die sowjetische Regierung, darunter zählte zu diesem Zeitpunkt auch Michail Gorbatschow, rechtfertigte den Gewaltakt mit der Verteidigung gegen den „islamischen Fundamentalismus“.

Dabei gehörten die kaltblütig Ermordeten zu unterschiedlichen Nationalitäten und wiesen verschiedene Konfessionen auf. Nach offiziellen Angaben wurden 131 Zivilisten getötet, darunter 117 Aserbaidschaner, sechs Russen, drei Juden und drei Tataren und 744 weitere Personen verwundet. 400 Personen wurden verhaftet und vier Personen vermisst. Michail Gorbatschow äußerte sich zu diesem verheerenden Ereignis mit den folgenden Worten: „Verantwortungslose Hasardeure forderten die Abtrennung der Republik von der Sowjetunion und ein islamisches Aserbaidschan.“

Dieses grauenvolle Blutvergießen ist den Aserbaidschanern als der „Schwarze Januar“ in Erinnerung geblieben. Er wurde zu einem Wendepunkt in der Geschichte der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik (SSR) und gilt als Anstoß für die Abspaltung der Republik von der Union.

(Foto: Wikimedia)

Perestroika und nationale Bewegungen in der Sowjetunion

An die Macht kam Gorbatschow als Verfechter von Glasnost und Perestroika im Jahr 1985. Er versprach eine neue und liberale Politik, welche eine Reihe von Neuerungen in allen Lebensbereichen der kommunistischen Bürger umfasste. So sollte die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft liberalisiert werden. Allerdings war sich die sowjetische Regierung zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst, dass sie somit die Büchse der Pandora öffneten. Die Dissidenten, die bereits seit Jahren ihren Kampf im Untergrund führten, konnten sich nun öffentlich zu Wort melden.

So begann das Volk für seine Freiheitsgedanken und damit gegen die sowjetische Regierung zu protestieren. Die Forderungen beinhalteten Themen wie Sprache, Ökologie oder aber die Unabhängigkeit des eigenen Staates. Die erste Nationalbewegung nach Beginn der Perestroika fand dann in Almaty am 17. Dezember 1986 statt. Die kasachische Jugend ging nun auf die Straßen und forderte, dass ebenfalls ein Kasache an die Spitze der Kasachischen SSR gestellt werden sollte.

Nach verschiedenen Angaben starben bei Pogromen in Almaty zwischen 10 und 150 Menschen. Im April 1988 brach in den baltischen Republiken dann eine nationale Massenbewegung aus. Als die Leiter der Bewegungen allmählich zu Führern der Nation wurden, radikalisierten sich auch die Slogans. 1988 bis 1989 proklamierten die baltischen Republiken ihre Souveränität und weigerten sich, die sowjetischen Gesetze anzuerkennen.

Der Begriff „Besatzung“ war in aller Munde. So schritt die Revolte der Republiken gegen die Regeln, Gesetze oder die gesamte Machtausübung der UdSSR fort, bis sie schließlich auch im Kaukasus ankam. Auf die Ereignisse des 9. Aprils 1988 folgte dann ein wachsender Einfluss der nationalen Opposition in Georgien (der Nationalen Demokratischen Partei Georgiens, der Volksfront Georgiens usw.).

Eskalation zwischen Armenien und Aserbaidschan

Tatsächlich gab es im Kaukasus bereits lange vor allen anderen Proteste und Konflikte. So erhob Armenien bereits seit den 1960er-Jahren Ansprüche auf bestimmte aserbaidschanische Gebiete, wie Nachitschewan und Bergkarabach. In den 1980ern kam es dann zu einer erneuten Kulmination.

In dieser Situation schien die Führung in Moskau beschlossen zu haben, auf Gewalt als letztes Mittel zurückzugreifen, um den drohenden Zusammenbruch der UdSSR zu verhindern.

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan wurde hingegen immer deutlicher. Am 1. Dezember 1989 verkündete die Armenische SSR, dass das autonome Gebiet Bergkarabach annektiert werden solle. Die angespannte Situation in der Region Bergkarabach sowie die Deportation der Aserbaidschaner aus Armenien führten dann im Januar 1990 zur Eskalation in Baku. Nach der Ausdehnung des Ausnahmezustandes wurden Evakuierungsarbeiten geleistet, sodass kurz nach Mitternacht Baku durch die gesandte Armee gestürmt werden konnte. Es kamen Panzer, Marineeinheiten und bewaffnete Soldaten zum Einsatz, während die vermeintlichen Gegner meist unbewaffnet waren.

Unmittelbar nach der Tragödie, die sich am 21. Januar 1990 ereignete, reagierte der ehemalige Präsident Aserbaidschans, Heydar Aliyev, in der ständigen Vertretung Aserbaidschans in Moskau auf die Vorfälle, um Solidarität mit den Bewohnern zu demonstrieren. Er protestierte nachdrücklich gegen diese blutige Operation, die durch die Führung der UdSSR initiiert wurde, und entlarvte diejenigen, die sie anführten.

Die historische Bedeutung vom “Schwarzen Januar” für Aserbaidschan

Der „Schwarze Januar“ war nicht nur eine nationale Tragödie: Er zeigte auch die Standhaftigkeit und Entschlossenheit des aserbaidschanischen Volkes. Ungefähr zwei Millionen Menschen nahmen ingesamt an der Beerdigung in der Märtyrergasse teil. Am 21. Januar 1990 versuchten die Militärbehörden der UdSSR daher verzweifelt, den Kolonnenzug vom Leninplatz (heute: Azadlıq meydanı) mit den Särgen zum Bergfriedhof aufzuhalten.

Seit dem 20. Januar 1990 kam es dann zu Massenverbrennungen von Parteibüchern, um gegen die herrschende Aggression zu protestieren. Darüber hinaus wurden ganze Partei- und Komsomol-Organisationen liquidiert.

Die Bedeutung des 20. Januars ist für die Aserbaidschaner bis heute immens. Dieser Trauertag symbolisiert die Hoffnung auf Recht und Freiheit, ebenso wie den Kampf des Volkes gegen Unterdrückung und für Selbstbestimmung. Es handelt sich um ein identitätsstiftendes historisches Ereignis, welches die Aserbaidschaner damals wie heute eint und sie – statt sich zu ergeben – dazu gebracht hat, sich dem Feind zu stellen und für ihre Überzeugungen gemeinsam einzutreten.

Dieser bahnbrechende Tag wird dem aserbaidschanischen Volk noch lange in Erinnerung bleiben. Selbst wenn irgendwann die Details und Opfernamen in Vergessenheit geraten sollten, so wird die Bedeutung der persönlichen Opfer und die Einheit, die sie damals bildeten, um ihr Vermächtnis zu bewahren, nicht verblassen. Sie legten damals den Grundstein für die aserbaidschanische Souveränität.

Das aserbaidschanische Volk schätzt die Erinnerung an seine Nation und nationale Ereignisse sehr. Jedes Jahr gedenken sie daher am 20. Januar den Märtyrern, die 1990 auf grausame Weise ihr Leben verlieren mussten. Sie nutzen dabei die Erinnerung an diese Gräueltat, um sich ins Bewusstsein zu rufen, was die Aserbaidschaner gemeinsam als Volk alles erreichen können.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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