Veraltetes Gerät und die verpasste Ankündigung des Einsatzes durch Russland haben die türkische Luftabwehr annehmen lassen, syrische Bomber seien im Anflug.
Wien (nex) – Wie die Tageszeitung „Die Presse“ berichtet, hat der in Wien geborene, renommierte Militärluftfahrtexperte Tom Cooper den Hergang des Abschusses des russischen Su-24-Kampfflugzeugs an der syrischen Grenze rekonstruiert.
Dabei ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass die russische Darstellung, die Flugzeuge seien von der türkischen Luftwaffe in einen Hinterhalt gelockt worden, sehr unwahrscheinlich sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass veraltetes Gerät und die versäumte Ankündigung des Einsatzes gegenüber der türkischen Luftabwehr dazu führten, dass die türkische Seite von syrischen Jets ausgegangen sei, die sich der Grenze genähert hätten.
Auch gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die russische Seite nicht auf Notrufe reagiert habe. Tom Cooper schreibt in seinem Artikel in der „Presse“, er habe persönlich türkische, syrische, russische, US- und Nato-Quellen ausgewertet und mit Ansprechpartnern gesprochen, die allerdings auf Grund der Brisanz der Angelegenheit nicht namentlich genannt werden wollten.
Da die üblichen Funkgeräte älterer russischer Kampfflugzeuge – und zu diesen gehört etwa auch der in diesem Fall zum Einsatz gekommene „Fencer“ – nicht in der Lage sind, ohne ein Zusatzmodul die weltweit üblichen Notruffrequenzen abzuhören, dieses Zusatzmodul aber offenbar teilweise fehle, sei bereits nach den ersten Zwischenfällen mit russischen Kampfflugzeugen an der syrisch-türkischen Grenze vereinbart worden, dass Russlands Einsätze in Grenznähe jeweils zwölf Stunden vor jedem Einsatz angekündigt werden sollten.
Dies sei, so Cooper, im vorliegenden Fall offenbar unterblieben. Zudem sei eine Hotline eingerichtet worden, die die Türken nutzen sollten, die russischen Militärs zu warnen, falls sie der Grenze zu nahe kommen. Exakt dies war Coopers Recherchen zufolge am 23. November nicht erfolgt. Beim Anflug an die türkische Grenze, der erforderlich war, weil die veraltete Navigationsanlage der Su-24 sonst nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Ziele präzise genug anzusteuern, sollen zehn über die üblichen Notrufkanäle übermittelte Warnungen unbeantwortet geblieben sein.
Auch eine finale Rückfrage bei der Zentrale sei ergebnislos geblieben. Die russischen Transpondersignale zur Eigen-Identifikation waren und seien zudem für Luftwaffen von Nato-Staaten momentan nicht „lesbar“. Die Fluggeschwindigkeit des Jets zu diesem Zeitpunkt war gering, da das veraltete Gerät erst die erforderlichen Anflugskoordinaten berechnen musste.
Auch dies stütze die zuvor stark umstrittene türkische Darstellung. Da mangels Vorankündigung keine russischen Maschinen erwartet wurden, ging man nun auf türkischer Seite offenbar davon, dass es sich um Maschinen der syrischen Luftwaffe handeln würde, mit deren Kampfjets es in der Vergangenheit bereits wiederholt gravierende Grenzzwischenfälle gegeben hatte. Für die Türkei konnte es sich nur um Kampfflieger der Syrer handeln. Mit diesen haben die Türken noch Rechnungen offen: Syrische Kampfflieger haben nicht nur im Juni 2012 in internationalem Luftraum eine türkische „Phantom“ abgeschossen, sondern auch unzählige Male türkischen Luftraum verletzt und mit Raketen und Artillerie in die Türkei gefeuert. Mindestens sieben Menschen starben.
(Videoquelle: youtube)