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Türkei: Spannungen um Erdöl- und Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer

Mit Beginn des IV. Kreuzzuges anno 1202, erwarben die damals mächtigen italienischen Stadtstaaten Venedig und Genua Handelsrechte in den ägäischen Inseln und in der Levante. Damit war der Beginn eines Konkurrenzkampfs zwischen den beiden Handelsstädten eingeläutet und die Venezianer setzten sich als Seemacht um 1380 gegen die Genueser durch.

Bohrschiff Oruc Reis (Foto: AA)
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Wie die Anrainerstaaten um knappe Energieressourcen rivalisieren

Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge

Mit Beginn des IV. Kreuzzuges anno 1202, erwarben die damals mächtigen italienischen Stadtstaaten Venedig und Genua Handelsrechte in den ägäischen Inseln und in der Levante. Damit war der Beginn eines Konkurrenzkampfs zwischen den beiden Handelsstädten eingeläutet und die Venezianer setzten sich als Seemacht um 1380 gegen die Genueser durch.

Vor allem die Kontrolle des Gewürzhandels trug zum Aufstieg Venedigs als Handelsmacht bei. In unserer heutigen Zeit geht es in der Levante nicht mehr um den Gewürzhandel, sondern angesichts der weltweit immer knapper werdenden Ressourcen um Erdöl und Erdgas, die zu Beginn der 2000er Jahre unter dem Meeresboden gefunden wurden und von internationalen Energiekonzernen gefördert werden sollen.

Bevor ich auf das Thema eingehe, erfolgt eine kurze Begriffserläuterung zur Seerechtskonvention der Vereinten Nationen. In einem weiteren Schritt erkläre ich die Ursachen der politischen Spannungen zwischen der EU und Türkei hinsichtlich der Aufteilung der Energieressourcen im östlichen Mittelmeer. Am Fallbeispiel des Zypernkonfliktes soll die Genese des Konfliktes aufgezeigt und die unterschiedlichen Interessen der Akteure dargelegt werden. Im Schlussteil soll anhand von Schaubildern und Kartenmaterial der Streit um die Energieressourcen erklärt sowie ein kurzer Ausblick über die Rentabilität der Förderung vorgenommen werden.

Die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen

Der Vertrag bzw. die Seerechtsübereinkunft der Vereinten Nationen wurde am 10. Dezember 1982 unterzeichnet und trat am 16. November 1994 in Kraft. Konkret geht es um die juristische Zuordnung von Territorialgewässern sowie deren Ausbeutung und Schutz. Das Vertragswerk beinhaltet insgesamt 320 Artikeln und es geht um Fragen zur Abgrenzung der Meereszonen (Küstenmeer, Anschlusszonen, Meerengen, ausschließliche Wirtschaftszone, Festlandssockel sowie Hohe See). Darüber hinaus geht es um den Schutz der Meeresumwelt und die Regelung des Meeresbodenbergbaus. Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg wäre zum Beispiel eine Institution, die bei Streitfällen zwischen den Staaten zuständig wäre. Aber nicht alle UN-Mitgliedsstaaten sind der Seerechtskonvention beigetreten.

Der Festlandssockel

Der Meeresboden und Meeresgrund gelten nach der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen („jenseits des Küstenmeers“) als die natürliche Verlängerung des Festlandssockels.

In der Konvention heißt es im Artikel 76 Absatz 1:

„Der Festlandssockel eines Küstenstaats umfasst den jenseits seines Küstenmeers gelegenen Meeresboden und Meeresgrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebiets bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von den Basislinien, von denen aus die Breite des Küstenmeers gemessen wird, wo die äußere Kante des Festlandrands in einer geringeren Entfernung verläuft.“ (1)
Rechtlich betrachtet gehört es nicht zum Staatsgebiet des betreffenden Staates, aber dieser Staat hat das Recht dort nach Öl und Gas zu suchen und zu fördern.

Wirtschaftszone

Die sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone beginnt von der Basislinie des Küstenstaates bis zu 200 Seemeilen. Der jeweilige Staat besitzt, wenn auch im begrenzten Umfang, in diesem Gebiet souveräne Rechte, wie die wirtschaftliche Nutzung über und unter dem Meer (Fischerei, Meeresbodenbergbau zur Kies- und Sandgewinnung etc.) sowie Offshore-Windkraftanlagen im offenen Meer zur Stromerzeugung. Bei den Hoheitsbefugnissen geht es um die Erforschung des Meeresbodens, die Errichtung von Bohrtürmen zwecks Ausbeutung von Erdöl- und Erdgas, die unter dem Meer lagern.

Hoheitsgewässer

Als Hoheitsgewässer gilt ab der Basislinie eine 12 Seemeilen-Zone (22 km), in dem der Anrainerstaat seine Souveränität ausübt. Doch die 12 Seemeilen-Zone lässt sich nicht überall auf der Welt praktizieren, weil manche Inseln eines Staates sehr weit vorgelagert sind und dies zu Problemen zwischen den Staaten führen kann.

Spannungen wegen der Ausbeutung von Erdöl- und Erdgasreserven im östlichen Mittelmeer

Zu Beginn der 2000er Jahre haben internationale Energiekonzerne unter dem Meeresboden des östlichen Mittelmeers große Erdgas- und Erdölvorkommen entdeckt. In den letzten Monaten haben sich die Spannungen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Türkei über die Ausbeutung von großen Erdöl- und Erdgasreserven im östlichen Mittelmeer verschärft.

Laut dem Tagesspiegel, der sich auf US-amerikanische Schätzungen beruft, werden zirka 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas sowie 1,7 Milliarden Barrel Erdöl zwischen Zypern, Ägypten, Israel und dem Libanon vermutet. (3) Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schreibt vom Streit zwischen den Anrainerstaaten über Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. (4) Nach Presseberichten lag der Ausgangspunkt der Spannungen an türkischen Erkundungsschiffen, die vor den Küsten der Insel Zypern nach Erdöl und Erdgas suchen.

Was aber bei der Berichterstattung über dieses Thema kaum erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die „Republik Zypern“, also der griechische Teil der Insel, trotz der massiven Proteste der Türkei bei den Vereinten Nationen (UN), 2007 begonnen hatte für 13 Explorationsfelder Lizenzen an internationale Energiekonzerne zu vergeben. Einige der Erkundungsfelder liegen aber auf dem türkischen Kontinentalsockel und in den Wirtschaftszonen, die von der Türkei und der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ) beansprucht werden.

Die Zypernfrage als Zankapfel für die Ausbeutung von Energieressourcen im östlichen Mittelmeer

Nach zyperngriechischem Selbstverständnis repräsentiert die „Republik Zypern“ die gesamte Insel und aus diesem Grund hätte es ein natürliches Recht auf eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) von 200 Seemeilen. Ferner behauptet die zyperngriechische Administration, dass die Insel einen Festlandssockel hätte.

Obwohl die ursprünglich 1960 gegründete „Republik Zypern“ eine Partnerschaftsrepublik aus Zyperntürken und Zyperngriechen war, existiert der ursprüngliche Staat aus beiden Volksgruppen nicht mehr. Mit der internationalen Anerkennung als „Republik Zypern“ täuschen die griechischen Zyprer die internationale Staatengemeinschaft, weil nach Christian Rumpf „[…] das Volksgruppenelement das Wesen [Republik Zypern] dieser Verfassung darstellt, ist die Volksgruppenverfassung der Republik Zypern tot.“(6)

Als die griechisch dominierte „Republik Zypern“ 2004 Mitglied der EU wurde, wusste die Gemeinschaft schon damals welche Sprengkraft die Aufnahme der „Republik Zypern“ mit sich bringen würde. Am 19. Februar 1959 schloss die „Republik Zypern“, Griechenland, die Türkei und Großbritannien einen Garantievertrag ab, der eine Mitgliedschaft der „Republik Zypern“ in einer wirtschaftlichen oder politischen Gemeinschaft oder einer Union mit einem Staat verbietet. (7)

Obwohl die EU von diesem Garantievertrag Kenntnis hatte und die Zypernfrage jetzt und zum damaligen Zeitpunkt der Aufnahme in die EU, 2004, nicht gelöst war, hat sich die EU dem Druck des EU-Mitglieds Griechenland gebeugt. Damit hat die EU einen ungelösten Konflikt in die EU importiert. Für den Fall der Missachtung des Vertragswerks erhielten Großbritannien, Griechenland und die Türkei ein Interventionsrecht. (8)

Die zyperngriechische Historiografie beginnt nach eigenem Verständnis erst 1974, mit der Intervention der Garantiemacht Türkei. Die Zyperngriechen betrachten die durch den Garantievertrag von 1959 rechtlich zulässige Intervention der Türkei als „Invasion“ und bestehen auf ihrem Anspruch Gesamtzypern zu vertreten.

Die „Republik Zypern“, die von 1960 bis 1963 existierte, war eine Partnerschaftsrepublik, in dem Zyperntürken und Zyperngriechen bei elementaren Grundsatzentscheidungen ein Vetorecht besaßen. Dieses Vetorecht der Zyperntürken wollte der damalige Präsident Erzbischof Makarios in einem 13-Punkte-Programm abschaffen, da die Verfassung Zyperns den Zyperntürken zu viele Rechte zugestehe. (9)

Die Zyperntürken akzeptierten den Vorstoß von Makarios nicht und lehnten das Programm ab. Eine Annahme des Plans hätte die Entrechtung der Zyperntürken bedeutet. Die Zyperntürken waren durch diese Situation nicht mehr in der Regierung und im Staatsapparat repräsentiert. Damit besaßen die Zyperngriechen die alleinige Macht im Staate. Zyperngriechische Polizeikräfte griffen an Weihnachten 1963 wahllos zyperntürkische Zivilisten an und ermordeten diese. Radikale Zyperngriechen wollten den Anschluss an Griechenland (Enosis) erreichen. Unter den Zyperngriechen gab es eine politische Bewegung, die den Anschluss an Griechenland forderte.

Außerdem gab es eine zyperngriechische Terrororganisation namens EOKA, die mit Gewalt und Anschlägen gegen die Zyperntürken den Anschluss an Griechenaland verwirklichen wollte. Die Situation eskalierte und die Zyperntürken mussten von 1963 bis 1974 in sogenannten Enklaven leben, die über der gesamten Insel verstreut waren. Es wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der durch die Entsendung von UN-Soldaten überwacht werden sollte. Die Feuerpause war bis 1974 eher fragil.

Am 15. Juli 1974 wurde der zyperngriechische Präsident Makarios durch einen Putsch der Athener Militärjunta vom Amt
gestürzt und durch Nikos Sampson ersetzt. Der Umsturz hatte das Ziel die Insel an Griechenland anzuschließen. Die Türkei als Garantiemacht sah die Existenz der Zyperntürken akut bedroht und intervenierte am 20. Juli 1974. Bis heute waren alle Versuche diesen ethnisch-territorialen Konflikt politisch zu lösen nicht von Erfolg gekrönt.

Bei der 1960 gegründeten „Republik Zypern“ handelt es sich nicht um den Staat, der 2004 unter völliger Missachtung der Garantieverträge von 1959 EU-Mitglied wurde, sondern um eine von Zyperngriechen dominierte Republik.

Der frühere griechische Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis äußerte sich im Nachhinein zu der 1963 von Makarios angekündigten Abschaffung des Vetorechts der zyperntürkischen Volksgruppe. Im Interview mit der griechischen Tageszeitung Ta Nea vom 02.05.1999 sagte Mitsotakis:

„Wenn ich 1959 Premierminister gewesen wäre, hätte ich das Zypernproblem anhand der Harding-Vorschläge gelöst. Wenn ich Außenminister gewesen wäre, hätte ich die Züricher und Londoner Vereinbarungen nicht unterschrieben. Wenn ich doch unterschrieben hätte, hätte ich diese eingehalten. Die Bemühung um die Abschaffung der Vereinbarungen, die von Makarios selbst unterschrieben worden waren, war ein Fehler und kommt einem Verbrechen gleich. Nach diesen Ereignissen eskalierte die Situation und wurde zu einem blutigen Ereignis, bei dem die Zyperngriechen Gräueltaten an den Zyperntürken verübt haben, die wir nicht leugnen können.“ (10)

Der ständige Verweis der Zyperngriechen als auch der EU auf die internationale Anerkennung als „Republik Zypern“ soll die völkerrechtliche Legitimität begründen und damit auch das Recht der zyperngriechischen Administration in Gewässern im Umkreis von Zypern und darüber hinaus Lizenzen zur Ausbeutung von Erdöl und Erdgas vergeben zu können.

Die EU stellt sich bei dieser Frage hinter die Zyperngriechen, da der griechische Teil der Insel EU-Mitglied ist und vor allem ein Interesse daran hat, dass internationale Energiekonzerne im östlichen Mittelmeer Gas und Erdöl fördern. Die Zyperngriechen erhoffen sich durch die Förderung von Erdöl und Erdgas Milliarden an zusätzlichen Einnahmen. Die „Republik Zypern“ hat mit zahlreichen internationalen Energiekonzernen sowie Anrainerstaaten wie Ägypten, Libanon, Israel Abkommen über die Ausbeutung von Gas und Öl abgeschlossen.

Die größten Gasvorkommen in der Levante werden von Israel und Ägypten beansprucht. Nach Ansicht von Energieexperten gelten das 2010 entdeckte Gasfeld Leviathan und das ägyptische Zohr mit 450 Milliarden Kubikmetern zu den größten Gasfeldern. (13) Das israelische Gasfeld Leviathan sollte diesen Dezember beginnen Gas zu fördern.

Die Grenzen des türkischen Festlandssockels und der Ausschließlichen Wirtschaftszone im Mittelmeer

(Screenshot/Anadolu)

Nach der Nachrichtenagentur Anadolu hat die Türkei 2011 mit der Türkischen Republik Nordzypern ein Abkommen über die Ausschließliche Wirtschaftszone abgeschlossen und am 27. November 2019 einen Vertrag mit der libyschen Regierung über die gemeinsame Seegrenze im Mittelmeer unterzeichnet. Der griechische Süden von Zypern habe 2003, ohne die Einbeziehung der zyperntürkischen Seite, über die Ausschließliche Wirtschaftszone ein Abkommen mit Ägypten, 2007 mit dem Libanon und 2010 mit Israel getroffen. (14)

Die Türkei und Nordzypern hätten dagegen Einwände erhoben, weil die Zypernfrage nicht gelöst, die Gleichstellungsrechte der Zyperntürken missachtet und die Vereinbarung mit Ägypten die Grenzen des türkischen Festlandssockels verletze. Die Parlamente von Ägypten und Israel hätten den Vertrag mit der zyperngriechischen Seite abgesegnet. Der Libanon hat hinsichtlich eines umstrittenen Explorationsfelds mit Israel die Umsetzung der Vereinbarung abgelehnt.

Nach Ansicht des türkischen Außenministeriums betrachte die zyperngriechische Administration die Insel Zypern als Festland mit einem Festlandssockel. Bei den Verhandlungen mit Ägypten, Israel und dem Libanon hätten die Zyperngriechen die Grenze zwischen den Staaten ab der Mittellinie (Äquidistanzprinzip) bestimmt. Allerdings sehe die Begrenzung des Festlandssockels und auch der Ausschließlichen Wirtschaftszone dieses Prinzip nicht vor.

Das internationale Recht und die Seerechtskonvention würden eine „gerechte Aufteilung“ vorsehen. Demnach bekämen Inseln weitaus weniger Festlandssockel und Ausschließliche Wirtschaftszone zugesprochen als Staaten mit einer Festlandmasse. Dabei seien viele Faktoren zu berücksichtigen wie die Größe, Beschaffenheit, die Entfernung zum Festland etc. Der am 27. November 2019 mit Libyen unterzeichnete Vertrag beinhaltet die Grenzen des türkischen Festlandssockels und der Ausschließlichen Wirtschaftszone.

Schauen wir uns die Karte einmal näher an. Auf der Karte sieht man an der Linie A die Seegrenze zwischen der Türkei und Syrien und in B (2011 unterzeichnet) die Grenze zur Türkischen Republik Nordzypern. Die Linien C, D und E ist die Grenze des Festlandssockels zwischen Ägypten und der Türkei sowie zwischen E und F die neue Seegrenze zwischen der Türkei und Libyen, deren Übereinkommen im November zwischen beiden Staaten unterzeichnet wurde.

Eigene Tabelle: Bündnisse zwischen den Anrainerstaaten über die Ausbeutung von Erdgas und Erdöl im östlichen Mittelmeer.
Türkei

Die Länder Griechenland, Ägypten, der griechische Teil Zyperns sowie Israel haben gegen die Vereinbarungen zwischen der Türkei und Libyen protestiert, weil es gegen internationales Recht verstoßen würde. Das Abkommen ist eine Reaktion auf das vom griechischen Teil Zyperns und Griechenlands mit Israel, Libanon, Ägypten und Jordanien gegründeten „Eastern Mediterranean Gas Forum“ 2019 in Kairo. (16)

Die Staaten auf der rechten Seite der Tabelle kooperieren in Bezug auf die Ausbeutung der Energieressourcen miteinander. Mit Libyen hat die Türkei eine Vereinbarung über eine gemeinsame Seegrenze getroffen. Das türkische Nordzypern hatte 2011 einen Vertrag mit der Türkei über die Grenze des Festlandssockels und der Ausschließlichen Wirtschaftszone abgeschlossen. Es bleibt abzuwarten wie sich die Geschehnisse um die Ausbeutung von Erdgas und Erdöl im östlichen Mittelmeer weiterentwickeln.
Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit bei der Förderung von Erdgas im östlichen Mittelmeer

Wenn Energiekonzerne großes Kapital in die Ausbeutung von Energieressourcen investieren, muss sich das für diese Unternehmen betriebswirtschaftlich lohnen. Das gilt allgemein für alle Projekte mit Erdgas und Erdöl. Es gibt die Möglichkeit das geförderte Gas über eine Pipeline nach Europa zu transportieren, was nach Ansicht von Energieexperten sehr kostspielig ist. Eine Pipeline über das Meer nach Griechenland („East Med Pipeline“) und von dort über den Landweg nach Deutschland würde nach Meinung von Experten rund 7 Milliarden Euro kosten. (17) Eine weitere Variante wäre das verflüssigte Gas mit Tankern zu transportieren.

Es gibt in Europa bereits Gas-Pipelines. Eine Pipeline vom Mittelmeer müsste auf dem europäischen Gas Markt zwangsläufig mit dem Gas aus Russland und auch aus Aserbaidschan konkurrieren. Die geplante Gas-Pipeline am Mittelmeer soll von 2025 an Gas nach Europa liefern. Folgendes Szenario wäre in ein paar Jahren denkbar: Die Gas-Pipeline vom östlichen Mittelmeer liefert Gas nach Europa. Auf dem europäischen Gasmarkt gibt es mehrere Anbieter. Daraufhin senkt Russland die Gaspreise und das würde den Investoren des Erdgases vom Mittelmeer Kopfzerbrechen bereiten, weil diese mit stabilen bzw. nicht mit sinkenden Gaspreisen gerechnet haben.

Deutschland bezieht seit Jahrzehnten Erdgas aus Russland. Das sorgt für Streit zwischen Deutschland und den USA, weil Deutschland mit Russland die „Nord Stream“ Pipeline unter der Ostsee baut. Die Vereinigten Staaten sehen darin ein Problem bezüglich der Dependenz von Russland. Die deutsche Bundesregierung hat es bisher abgelehnt auf die US Forderungen nach einer Einstellung des Projekts einzugehen. In einem Beitrag des Nachrichtensenders n-tv äußert sich die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Claudia Kemfert kritisch über die geplante „East Med“ Gas-Pipeline. Der Energiebedarf Europas werde eher abnehmen, es gebe genug Gas auf dem Markt und eine Gas-Pipeline vom Mittelmeer rechne sich nur bei voller Auslastung. (17)


Zuerst erschienen auf Sicht vom Hochblauen.


Fußnoten:

(1) Vgl. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und Übereinkommen zu Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:1998:179:0003:0134:DE:PDF (abgerufen am 28.11.2019)
(2) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Seev%C3%B6lkerrecht
(3) Vgl. https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/konflikt-um-energiereserven-im-oestlichen-mittelmeer-droht-ein-kampf-ums-gas/24529086.html
(4) Vgl. https://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-und-zypern-streiten-um-gas-monopoly-im-mittelmeer-a-1277135.html
(5) Vgl. https://www.spiegel.de/politik/ausland/gas-im-mittelmeer-streit-zwischen-tuerkei-und-zypern-israel-und-libanon-a-1193535.html (03.12.2019).
(6) Hierzu schreibt der Jurist Prof. Dr. Christian Rumpf: „Das, was heute als Republik Zypern völkerrechtlich anerkannt ist und handelt, ist innerstaatsrechtlich – im Hinblick auf die Gesamtverfassung der Insel – nur die griechische Volksgruppe, die sich sowohl der volksgruppenspezifischen Selbstverwaltungs- als auch der Zentralverwaltungselemente bedient, die im Wesentlichen miteinander verschmolzen worden sind.“
(7) Vgl. hierzu den Garantievertrag vom 19. Februar 1959, der am 16. August 1960 in Kraft trat. In Artikel 1 heißt es „Die Republik Zypern unternimmt alle notwendigen Anstrengungen, um ihre Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit und Sicherheit unter Beachtung ihrer Verfassung zu schützen.

Sie unterlässt es, ganz oder teilweise an einer wie auch immer gearteten politischen oder wirtschaftlichen Gemeinschaft mit einem Staat teilzunehmen. Sie erklärt dementsprechend jede, auf die Errichtung einer Union mit einem anderen Staat oder zur Teilung der Insel gerichtete Aktivität, direkt oder indirekt, zu verbieten.“, vgl. unter http://www.verfassungen.eu/cy/garantievertrag60.htm
(8) Vgl. hierzu Artikel 4 des Garantievertrags sowie Rumpf, Christian: Zur Rechtslage Zyperns – Grundlagen und Konfliktlinien (2004), S. 6.
(9) Vgl. Gürle, Cevdet (2002): Zypern in seinen Beziehungs- und Konfliktverhältnissen zu Türkei und Griechenland, Hamburg, Diplomica GmbH, S. 52-53.
(10) Mitsotakis gesteht ein: Wir können die Gräueltaten der Zyperngriechen an den Zyperntürken nicht leugnen, in: Zypern Aktuell, Jahrgang 1 Nr. 4. Juni (1999), S. 1.
(11) https://www.bbc.com/turkce/haberler-dunya-48225246 (abgerufen am 06.12.2019).
(12) Vgl. ebd.
(13) Vgl. https://www.nzz.ch/international/israel-libanon-gespraeche-ueber-erdgas-im-mittelmeer-ld.1485415
(14) Vgl. https://www.aa.com.tr/tr/dunya/turkiye-libya-anlasmasi-turkiyenin-dogu-akdeniz-politikasinda-onemli-kazanim/1662097 (abgerufen am 06.12.2019).
(15) Vgl. ebd.
(16) Vgl. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/gas-funde-im-mittelmeer-wecken-grosse-begehrlichkeiten,RRISZ2A (abgerufen am 06.12.2019).
(17) Vgl https://www.welt.de/wirtschaft/article203965780/Erdgas-Pipelines-Russland-schafft-neue-Abhaengigkeiten-im-Westen.html