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Kommentar
Prof. Dr. Günther: Die Politik des Iran zielt selbst gegenüber Israel auf friedliche Lösungen

Im Juni diesen Jahres war ich von Freunden und Kollegen zu Vorträgen und Besprechungen über wissenschaftliche Zusammenarbeit in den Iran eingeladen. Ich habe in Teheran, Qom und Isfahan gesprochen. 

Der Schrein der Fatima Masuma, der 817 verstorbenen Tochter des siebten und Schwester des achten Imams der Zwölferschiiten, Reza, befindet sich in der iranischen Stadt Qom.
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Von Prof. Dr. Hans-Christian Günther

Im Juni dieses Jahres war ich von Freunden und Kollegen zu Vorträgen und Besprechungen über wissenschaftliche Zusammenarbeit in den Iran eingeladen. Ich habe in Teheran, Qom und Isfahan gesprochen. 

Ich war nicht nur mit persischer Kultur von Kindheit an vertraut. Durch mein Interesse an dem Land, seiner Kultur und seinen Menschen kannte ich auch viele Iraner in Deutschland seit meiner Studentenzeit, während der gerade auch viele Iraner aufgrund der islamischen Revolution nach Deutschland kamen.

Angenehme Kontakte hatte ich hauptsächlich mit einer großen Zahl iranischer Taxifahrer – weniger mit den verzogenen bürgerlichen Taugenichtsen des Schahregimes an der Universität. Doch gerade der Beruf des Taxifahrers wurde – jedenfalls in meiner Region – lange Zeit weitgehend von Türken und Iranern dominiert. Ich traf Leute der verschiedensten politischen Lager, Kommunisten bis zu ehemaligen Polizeioffizieren des Schahregimes. Ich schloss mit so manchem Fahrer Freundschaft.

Wir kannten uns oft über Jahrzehnte hinweg. Wir diskutierten oft nach der Fahrt noch lange. Ich erlebte, wie sich ihre Einstellungen im Laufe der Zeit veränderten. In der Regel wurde die Feindschaft zum Regime wesentlich moderater, man kaufte seinen iranischen Pass zurück, es kamen auch dem Regime positiv gegenüberstehende Personen.

Auch die Begegnungen an der Universität wurden anders. Seit ich unterrichtete, traf ich bis heute immer mehr nette, engagierte Studenten, deren Eltern in Deutschland lebten, die z. T. hier aufgewachsen waren, die aber immer noch enge Kontakte in den Iran und ein entspanntes Verhältnis zu ihrem Land pflegten. 

Als ich dann im Juni dieses Jahres eingeladen wurde und hinfuhr, war ich durch diese Vorgeschichte doch recht gut vorbereitet. Da ich auch eher mit dem Leben in Südosteuropa und auch dem in islamischen Gesellschaften als mit dem in Mitteleuropa zurechtkomme, rechnete ich nicht mit großen Überraschungen. Tatsächlich fühlte ich mich auch vom ersten Moment an in Teheran sehr wohl und wie zuhause. Ja, darüber hinaus fühlte ich mich sofort von der deutlich spürbaren Wärme und Herzlichkeit, der selbstverständlichen Höflichkeit aller Personen, denen ich begegnete, sehr angenehm berührt – nicht etwa nur der Kollegen, gerade auch der Angestellten wie Chauffeur oder Hotelpersonal, wo immer das war.

Eine Überraschung erlebte ich aber doch, nämlich in meinem Kontakt mit dem akademischen Leben: Seit meinem ersten Vortrag, und je länger ich mich im Lande aufhielt, wurde mir immer stärker klar, dass die iranische Universität ein ungeheuer hohes akademisches Niveau hat und dazu ein reges Interesse an geistigen Gegenständen und Werten, das seinesgleichen sucht.

Ich habe viele Länder aus der Nähe erlebt – von Kuba bis Japan – und in zahlreichen Ländern Europas und Asiens unterrichtet. Die europäische Universität – von den USA schweige ich lieber – erlebt in den ehemaligen Zentren europäischen akademischen Lebens schon lange einen so eminenten Niedergang in den Geisteswissenschaften (nur da kann ich die Situation beurteilen), dass weder europäische Länder mit weniger großer akademischer Vergangenheit, noch außereuropäische Länder, die einer Befruchtung von außen bedürfen, sich in eine gute Richtung entwickeln können. Japan hat dies zum Glück nicht nötig, das akademische Niveau dort hat längst Weltniveau erreicht. Aber gerade auch dort: Respekt vor den geistigen Werten der Universität gibt es nicht. Die Geisteswissenschaften würde man am liebsten abschaffen.

Dabei muss ich allerdings hervorheben: Intelligente, interessierte und motivierte junge Menschen gibt es in jedem Land, in dem ich unterrichtet habe, und das ist eigentlich auch selbstverständlich. Umso bedrückender ist es, zusehen zu müssen, wie diese jungen Leute hier und noch mehr anderswo, in einer ihrem Talent und ihren Bedürfnissen gegenüber versagenden Universität dahinvegetieren.

Im Iran fand ich sofort ein akademisches Ambiente, in dem geistige Werte auf hohem Niveau gepflegt und jungen Menschen vermittelt werden.

Besonders beeindruckend war für mich mein Aufenthalt in Qom. In dieser Stadt fühlt man sofort eine ungeheure innere Ruhe, eine Atmosphäre nicht nur der Spiritualität und der Freude am Erwerb von Wissen und geistigen Werten, sondern auch von echter Menschlichkeit und einem höflichen und urbanen Umgang mit dem anderen. Dies liegt nicht nur an der großen geistigen und religiösen Tradition dieser Stadt mit ihrem Heiligtum, das zahlreiche Pilger anzieht. Ich war überrascht zu erfahren, dass die Stadt mit ihrem berühmten Priesterseminar noch ca. 30 Universitäten beheimatet, die seit der islamischen Revolution gegründet wurden. Diese Universitäten waren zunächst gegründet worden, um den Mitgliedern des Priesterseminars die Möglichkeit zum Studium anderer Fächer zu geben. Inzwischen sind sie auch für gewöhnliche Studenten geöffnet.

Qom ist somit vor allem ein Ort des Lernens, für die Geistlichen ein Ort des lebenslangen Lernens. Bereits die Grundausbildung der Geistlichen am Seminar dauert über 10 Jahre und besteht aus einem umfassenden Curriculum, das islamische Rechtskunde, Theologie, Philosophie und Mystik umfasst. Auch danach widmet sich der Geistliche der lebenslangen Vertiefung dieser Fächer und kann sich zudem an den Universitäten gründlich in säkularen Fächern ausbilden.

Diese Ausrichtung des gesamten Lebens der Führungskräfte eines Landes auf geistige Werte, bestimmt die Atmosphäre der Stadt. Es dürfte ein auf der Welt einmaliger Ort sein. Der Personenkreis, der hier dominiert, ist tatsächlich eine geistige Elite, nicht die Pseudoeliten, die heute anderswo, gerade in Europa oder den USA als Eliten angeboten werden. Dort besteht die gesellschaftliche sog. Elite aus den wert- und bildungslosen Wirtschaftsbossen, die ihre perfide Intelligenz an ihre materielle Gier verkauft haben, und sie besteht aus deren Schergen, den stumpfsinnigen Politfunktionären, zumeist ohne jede Berufserfahrung nach einem gerade mal absolvieren Fachstudium, ja immer häufiger gar ohne Studienabschluss.

Die sog. akademische Elite besteht immer mehr aus Leuten, die an der Universität geblieben sind, da sie zu sonst nichts im Leben taugen. Ihre akademische Leistung erschöpft sich in sinnloser geistiger Selbstbefriedigung, oft gar in Fächern, die ohnehin als solche schon sinnlos sind, wie Genderstudies, der größte Teil der Linguistik. Andere Fächer sind durch eine selbstreferenzielle Methodendiskussion verseucht.

Der grundlegend andere Ansatz zu geisteswissenschaftlichen Studien, der mir im Iran entgegentrat, war die innere Ausrichtung dieser Studien auf die Erziehung zu geistig-menschlichen Werten. Diese Ausrichtung gewinnen sie dadurch, dass sie auf den Werten der iranischen Kultur gründen, den Werten des Islam. So dienen sie der Bildung des Menschen im eigentlichen Sinne, so, wie dies Europa, solange Europa noch eine Kultur hatte, auch tat. Im Iran gibt es auch Bildung im eminentesten Sinne, da die islamische Revolution dem Land nicht nur seine islamische Kultur zurückgegeben hat: Die islamische Revolution hat dem Iran eine Staatsform gegeben, die auf den Werten des Islam beruht.

Staaten, die ganz auf einem genuinen Wertesystem beruhen, kenne ich weltweit keine. Das Wertesystem des Westens ist der Ausverkauf aller Werte der abendländischen Kultur und ihr Ersatz durch eine Religion der sog. liberalen Demokratie: Eine Lüge, die von Menschenrechten spricht und dabei Mord und Chaos weltweit verbreitet, und das damit rechtfertigt, westliche Lottermoral der absoluten Beliebigkeit verbreiten zu müssen.

Das Sowjetsystem war die Herrschaft einer spießerhaft-bürgerlichen Funktionärskaste, bemäntelt mit den zu leeren Phrasen herabgesunkenen Emblemen einer großen Idee, aufrechterhalten durch brutale Gewalt, für China gilt das heute zu 200 Prozent. 

Sicherlich hat jede menschliche Ordnung ihre Unvollkommenheiten. Es gibt unübersehbare Mängel des Systems auch im Iran, über vieles kann man getrennter Ansicht sein. Der Zwang zur Religion hat auch negative Aspekte. Hier die rechte Balance zu finden, ist schwierig. Der Iran hatte nie die Freiheit von äußerem Druck, diese Balance zu finden. Er ist durch äußeren Druck, seit dem Bestehen der islamischen Republik, im permanenten Ausnahmezustand. Deshalb will ich hier von den Mängeln schweigen. Über die scheint es mir dann angebracht zu reden, wenn der Iran nicht mehr durch äußeren Druck in die Defensive gezwungen ist.

In der jetzigen Situation ist es angebracht, darauf zu verweisen, dass der Iran dadurch in der Welt alleine dasteht, dass sein politisches System als einziges weltweit auf geistigen Werten beruht, auf den geistigen Werten einer großen Religion und auf einer großen, alten Kultur. Das spürt man in diesem Land auf Schritt und Tritt. Die islamische Revolution war das Werk eines der außergewöhnlichsten Männer des 20. Jahrhunderts. Durch seine geistige Autorität hatte sie eine weltweite Ausstrahlung und wirkt noch heute: Sie hat den politischen Islam begründet. Nur als eine politische Kraft kann der Islam heute bestehen, wäre der Islam – nicht der Pseudoislam der vielen korrupten Regime des islamischen Kulturkreises – eine stärkere politische Kraft, würde sich die Welt in eine bessere Richtung bewegen. Es wäre wünschenswert, dass mehr Muslime und überhaupt mehr Menschen, deren Sinn für geistige Werte noch nicht völlig abgestumpft ist, den Iran besuchen. Ich bin sicher, sie würden bereichert zurückkommen.

Der Druck auf den Iran, den wir heute wieder erleben, ist im Grunde genau der Tatsache geschuldet, dass alleine der Iran eine konsequente, von Werten geleitete Politik verfolgt. Während immer mehr „islamische“ Staaten vor der verbrecherischen und – bislang – erfolgreichen Politik Israels einknicken oder sich an den Westen verkaufen, bleibt der Iran wie kein anderer Staat in seiner Gegnerschaft zu Israels illegitimer Gewalt unbeugsam und verweigert sich den mörderischen Machtspielen des Westens. Dabei bleibt der Iran wehrhaft, und er hat bewiesen, dass er sich im Falle eines Angriffs zu wehren weiß, aber der Iran ist kompromisslos friedlich.

Die Politik des Iran zielt – selbst gegenüber Israel – auf friedliche Lösungen. Dies entspricht den geistigen Werten, die der Iran vertritt. Und dies macht das Land so unbequem für Staaten, deren Politik auf Machtgier und Mord ausgerichtet ist. Der Kampf des Iran gegen seine Gegner war und ist der Kampf der Zivilisation und wahren Menschlichkeit gegen Barbarei, des Geistes gegen die Herrschaft niederer Triebe, der Friedfertigkeit gegen rohe Gewalt, der Unterstützung der Schwachen gegen Unterdrückung und Massenmord, der Gerechtigkeit gegen Verbrechen.

Die zerstörerischen Kräfte des Verbrechens haben die Islamische Republik Iran seit fast 40 Jahren mit den perfidesten Mitteln zu vernichten gesucht; es ist ihnen nicht gelungen. Ich bin zuversichtlich, es wird ihnen auch in Zukunft nicht gelingen: Ein Staat, der sich auf geistige Werte gründet und unerbittlich und mit allen Mitteln dafür einsteht, lässt sich nicht besiegen.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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Prof. Dr. Hans-Christian Günther

Geb. am 28.4.1957 in Müllheim / Baden

Professor für klassische Philologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Zahlreiche Publikationen und Gastprofessoren. Lange Aufenthalte in der VR China. Im Bereich der Altertumswissenschaft besonderer Schwerpunkt auf der politischen Dichtung der Augusteer und allgemein der Reflexion antiker Autoren auf ihre gesellschaftliche Stellung und Verantwortung

Seit 2004 Tätigkeit im Bereich des Dialogs der Religionen und Kulturen mit zahlreichen Veröffentlichungen.

Zahlreiche Publikationen und Gastprofessoren. Lange Aufenthalte in der VR China. Im Bereich der Altertumswissenschaft besonderer Schwerpunkt auf der politischen Dichtung der Augusteer und allgemein der Reflexion antiker Autoren auf ihre gesellschaftliche Stellung und Verantwortung Seit 2004 Tätigkeit im Bereich des Dialogs der Religionen und Kulturen mit zahlreichen Veröffentlichungen.

Ausgebildet in Freiburg und Oxford. Stipendiat der DFG und der Alexander von Humboldt -Stiftung. Gerhard Hess Preis der DFG.

Zahlreiche Publikationen (ca. 40 Bücher, u.a. Brill’s Companion to Propertius, Brill’s Companion to Horace) im Bereich der antiken Philosophie und Literatur, der Byzantinistik, Neogräzistik, modernen Literatur und Philosophie, Ethik und Politik. Zahlreiche Versübersetzungen aus dem Lateinischen, Italienischen, Neugriechischen, Georgischen, Japanischen und Chinesischen.

Lehrt regelmäßig in Italien, zahlreiche Gastaufenthalte in der Schweiz, Polen, Georgien, Indonesien, Iran, Seoul, Tokyo und vielen chinesischen Universitäten. Herausgeber mehrerer Buchreihen, im wissenschaftlichen Beirat zahlreicher wissenschaftlichen Zeitschriften.