Start Panorama Ausland The Lost Requiem Geschichte: Polnische Flüchtlinge im muslimischen Iran

The Lost Requiem
Geschichte: Polnische Flüchtlinge im muslimischen Iran

Während sich heutzutage in kürzester Zeit Tausende Polen mobilisieren lassen, um gegen Flüchtlinge zu demonstrieren, und dieses von AfD-Wählern in Deutschland gefeiert wird, waren im zweiten Weltkrieg Hunderttausende polnische Flüchtlinge im muslimischen Iran herzlich willkommen geheißen worden.

(Foto: Screenshot)
Teilen

Im September 1939 überfiel Nazi-Deutschland Polen und markierte damit den Beginn des Zweiten Weltkrieges. Als Teil des deutschen Nichtangriffspakts mit der Sowjetunion wurde Ostpolen von der UdSSR besetzt und annektiert.

Rund 1,25 Millionen Polen wurden in verschiedene Teile der Sowjetunion deportiert, darunter eine halbe Million „sozial gefährliche“ Polen, die mit Zügen in Arbeitslager in Kasachstan und Sibirien gebracht wurden. Tausende starben an Erschöpfung, Krankheit und Unterernährung.

Als Deutschland nur weniger als zwei Jahre später den Pakt aufkündigte und in die Sowjetunion einmarschierte, sahen sich die Sowjets gezwungen, sich mit den Alliierten zu verbünden. Es wurde ein Abkommen zur Wiederherstellung des polnischen Staates und zur Bildung einer Armee aus Polen in der UdSSR unterzeichnet.

Den polnischen Gefangenen wurde gesagt, dass sie nun frei seien, der neuen Armee beizutreten, die sich im Iran formierte, damals unter Besatzung durch sowjetische und britische Truppen. Aus dem ganzen Land machten sich Tausende von hungernden Männern, Frauen und Kindern langsam auf den Weg in der Hoffnung auf Zuflucht im Iran. Über 116.000 Polen, die das Kaspische Meer in überfüllten Booten überquerten, erreichten den Iran. Die meisten landeten in der Hafenstadt Pahlevi, wo sie Nahrung bekamen und unter Quarantäne gestellt wurden – Malaria, Typhus und Hunger waren weit verbreitet. Viele starben und wurden dort begraben.

Die Überlebenden wurden nach Teheran gebracht, wo sie von der iranischen Regierung herzlich begrüßt wurden. Die Gebäude wurden umgebaut, um sie unterzubringen, und polnische Schulen, Unternehmen sowie Kulturorganisationen wurden gegründet. Menschen, die jahrelang in eisiger Kälte und in von Krankheiten geplagten Camps untergebracht waren, hatten jetzt saubere Betten und reichlich Nahrung.

Während dieser Zeit litt der Iran selbst unter wirtschaftlichen Sanktionen der Sowjets. Nach der Invasion verboten die Russen den Transport von Reis in den zentralen und südlichen Teil des Landes, was zu Nahrungsmittelknappheit, Hungersnot und steigender Inflation führte. Die Alliierten übernahmen für die Kriegsvorbereitungen auch die Kontrolle über die Trans-Iranische Eisenbahn und weitere Verkehrsträger sowie die verarbeitende Industrie und alle anderen Ressourcen.

Trotz dieser Schwierigkeiten nahmen die Iraner die polnischen Flüchtlinge offen auf, und die iranische Regierung erleichterte ihnen die Einreise ins Land und versorgte sie mit Proviant. Polnische Schulen, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Läden, Bäckereien, Unternehmen und sogar Zeitungen wurden gegründet, damit sich die Polen zuhause fühlten. Es gab so viele Flüchtlinge, dass Regierungsgebäude und -zentren zur Unterbringung der Flüchtlinge bereitgestellt werden mussten. 

„Die freundlichen Perser drängten sich um die Busse und riefen uns lautstark Begrüßungsworte zu. Durch die Fenster der Busse reichten sie uns Datteln, Nüsse, gebratene Erbsen mit Rosinen und saftige Granatäpfel.
Krystyna Skwarko.

„Sie waren in einer sehr schlechten Verfassung, dünn, krank und in Lumpen… Ein Freund von mir, ein Zimmermann, machte für sie Särge. Jeden Tag sterben etwa 50 Menschen.“ Gholam Abdul-Rahimi, persischer Fotograf.

„Um etwas über die neueste westliche Mode und Make-Up zu lernen, stellten wohlhabende Iranerinnen polnische Dienstmädchen ein. Oft hatten diese eine bessere Schulbildung und Abstammung als ihre neuen Arbeitgeber selbst.“
Khosrow Sinai, iranischer Regisseur.

Tausende Kinder, die damals in den Iran kamen, kamen aus Waisenhäusern in der Sowjetunion, entweder weil ihre Eltern gestorben waren oder weil sie bei den Deportationen aus Polen getrennt wurden. Die meisten dieser Kinder wurden schließlich in Waisenhäusern in Isfahan untergebracht, welches ein angenehmes Klima und reichlich Ressourcen hatte, so dass sich die Kinder von den vielen Krankheiten erholen konnten, die sie in den schlecht verwalteten und ebenso schlecht versorgten Waisenhäusern in der Sowjetunion erlitten hatten.

Zwischen 1942-1945 durchquerten etwa 2.000 Kinder Isfahan, so viele, dass es kurzzeitig „Stadt der polnischen Kinder“ genannt wurde. Andere Kinder brachte man in Waisenhäuser in der im Osten liegenden Stadt Maschhad unter. Zahlreiche Schulen wurden eingerichtet, um den Kindern die polnische Sprache, Mathematik, Naturwissenschaften und andere Standardfächer beizubringen. In einigen Schulen wurde auch Persisch gelehrt, ebenso wie polnische und iranische Geschichte und Geographie.

Die meisten Flüchtlinge meldeten sich zum Kampf in der neuen polnischen Armee , während auch viele bis zum Ende des Krieges im Iran verblieben. Darunter Tausende von Waisenkindern, deren Eltern gestorben waren oder von ihnen verzweifelt in die nach Iran fahrenden Züge gebracht wurden. Viele der Flüchtlinge wurden schließlich in andere Länder verlegt. Einige beschlossen, sich dauerhaft im Iran niederzulassen und gründeten dort Familien.

Während die meisten Zeichen des polnischen Lebens im Iran verblasst sind, bestehen einige weiterhin. Fast 3.000 Flüchtlinge starben innerhalb weniger Monate nach der Ankunft im Iran und wurden auf Friedhöfen begraben, und viele dieser Begräbnisstätten werden heute noch von Iranern gepflegt. Ein polnischer Friedhof in Teheran ist mit 1.937 Gräbern der größte und wichtigste Flüchtlingsfriedhof des Landes.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Auch interessant

– Geschichte –
Zweiter Weltkrieg: Als Griechen in Syrien Zuflucht fanden

Während griechische Grenzschützer in diesen Tagen Flüchtlinge erschießen und ihre Boote rammen, maskierte „Bürgerwehren“ sowie Nationalisten sie jagen und die Polizei Tränengas und Wasserwerfer gegen sie einsetzt, fanden griechische Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg Zuflucht in Syrien.

Zweiter Weltkrieg: Als Griechen in Syrien Zuflucht fanden