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Kommentar: Nieder mit Sykes-Picot – es lebe Sykes-Picot

Der Einmarsch der irakischen Armee und der iranischen Söldnermilizen in Kirkuk und der Rückzug der kurdischen Peschmerga hat sich in den sozialen Netzwerken in kontroversen, teils heftigen Diskussionen syrischer Aktivisten niedergeschlagen, die jedoch zum großen Teil nur gezeigt haben, dass wir nichts gelernt haben. Ein Kommentar.

(Symbolfoto: AA)
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Nieder mit Sykes-Picot – es lebe Sykes-Picot

Ein Gastbeitrag von Faruk Al-Sibai

Der Einmarsch der irakischen Armee und der iranischen Söldnermilizen in Kirkuk und der Rückzug der kurdischen Peschmerga hat sich in den sozialen Netzwerken in kontroversen, teils heftigen Diskussionen syrischer Aktivisten niedergeschlagen, die jedoch zum großen Teil nur gezeigt haben, dass wir nichts gelernt haben.

Wir haben nichts aus unserer älteren Geschichte gelernt, nichts aus der jüngeren Geschichte und anscheinend schon gar nichts aus den letzten Jahren. Von Häme und Spott, bis hin zur Verherrlichung autoritärer Terrororganisationen reichten die Postings und Kommentare, zumeist einhergehend mit unverholenem, nationalistischem Chauvinismus.

Die einen bejubeln schon fast den aus Teheran dirigierten irakischen Einmarsch in Kirkuk, während andere gleichzeitig in beinahe kultischer Verehrung die Öcalan-Porträts und PKK/YPG-Fahnen in Rakka feiern. Auch finden sich wieder gehäuft verherrlichende Posts zu Saddam Hussein, als angeblich glorreichem Widersteher der iranischen Aggression, jedoch natürlich ohne die unzähligen Opfer seiner Diktatur zu erwähnen.

Während wir einmütig darin übereinstimmen, dass die unsägliche Aufteilung des nahen Ostens mit dem Lineal durch die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich im Rahmen des Sykes-Picot-Abkommens und der, von den Kolonialmächten forcierten konfessionellen und ethnische Spaltung, eine der wesentlichen Ursachen für den heutigen, desolaten Zustand des nahen Ostens darstellt, verfallen die meisten von uns wieder in einen blinden Nationalismus, wie aktuell wieder in der Kurdenfrage und propagieren unnachgiebig und teilweise mit tief eingefressenen Phrasen des panarabischen Sozialismus, die Unverletzlichkeit nationalstaatlicher Grenzen, ausgerechnet entsprechend der Aufteilung des verhassten Sykes-Picot-Abkommens, bei dem das kurdische Volk durch das Raster der ausgebreiteten Landkarte gefallen ist und in der Folge auf vier verschiedene Staaten verteilt wurde. Vielleicht sollten sich manche vor Augen führen, dass die Kurden schon lange vor allen anderen Volksgruppen in diesem Gebiet lebten.

Wir sind mit dem arabischen Frühling auf die Straße gegangen, um uns vom Joch der Unterdrückung durch unmenschliche Diktaturen zu befreien und um unsere Freiheit und Würde wieder zu erlangen. Wir wollen Demokratie, Mitbestimmung und Gleichberechtigung, sind jedoch anscheinend nicht in der Lage, uns von den unsäglichen Dogmen und Lügen der Vergangenheit zu lösen.

Wir haben keine Vision und wir bieten den Menschen auch keine Perspektive, eher dazu neigend, die eine Diktatur durch eine andere zu ersetzen, politische und gesellschaftliche Fakten zu ignorieren und uns immer tiefer in der Opferrolle einzurichten. Wir verlangen das Selbstbestimmungsrecht als Volk, wollen es aber gleichzeitig einem Teil unserer Gesellschaft verweigern, ohne eine ehrliche, gleichberechtigte Alternative anzubieten.

Unverständlich ist für mich die vehemente Fixierung auf den Zentralstaat und die geringe, bis gar nicht vorhandene Akzeptanz von föderalen Lösungen, die den verschiedenen Bevölkerungsgruppen weitestgehende Autonomie, bei gleichzeitiger Zusammenarbeit auf Bundesebene ermöglichen würde.
Wir haben anscheinend noch nicht realisiert, dass alle in- und vor allem die ausländischen Akteure in Syrien, ausschließlich zum eigenen Nutzen agieren und dass die leidende Bevölkerung dabei keine Rolle spielt.

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