Start Interviews Türkei-Wahlen Agdas (CDU): „Die HDP sollte sich bei Erdogan bedanken“

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Agdas (CDU): „Die HDP sollte sich bei Erdogan bedanken“

Am Wahlabend hat der Jungpolitiker Ahmed Agdas (CDU) mit einem Beitrag auf Facebook Aufmerksamkeit erregt: Er erklärte, die HDP verdanke Präsident Erdogan ihren Parlamentseinzug.

(Foto: nex)
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NEX24: Sehr geehrter Herr Agdas, Sie haben am Sonntag in einem Beitrag auf Facebook angedeutet, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan es gewesen sei, welcher der prokurdischen HDP das politische Überleben ermöglicht hätte. Wie ist das zu verstehen?
Agdas: Eine sehr wichtige Frage, wenn es darum geht, dass der Staatspräsident Erdogan als Diktator betitelt wird. Ich muss gestehen, dass ich Schwierigkeiten habe, einen demokratisch gewählten Präsidenten als solchen zu bezeichnen, wenn dieser erst die rechtliche Grundlage für die Teilhabe an den Wahlen für in Deutschland lebende Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft geschaffen hat und ohne diese Stimmen der Einzug ins Parlament für die HDP nicht geglückt wäre. Erst mit den Stimmen aus Deutschland für die HDP ist der Einzug ins Parlament geglückt, sonst hätte die HDP den Einzug nicht geschafft. Die HDP sollte sich bei Erdogan bedanken.
NEX24: Wie wird es Ihrer Auffassung nach bezüglich des Friedensprozesses in der Türkei weitergehen, nachdem die HDP offenbar einen Denkzettel für ihre unklare Haltung zum Terrorismus der PKK erhalten hat, aber immer noch über ausreichend Stimmen verfügt, um parlamentarisch präsent zu sein?
Agdas: Ich finde es wichtig, dass die Menschen in der Türkei mit kurdischer Abstammung eine Stimme im Parlament haben. Der Einzug der HDP erfindet das Rad allerdings nicht neu, beispielsweise gibt es bereits seit Jahren Abgeordnete kurdischer Abstammung in der Nationalversammlung in Ankara. Ebenso der Finanzminister der Türkei, Herr Mehmet Simsek, ist kurdischer Abstammung und in der AKP geführten Regierung. Nach wie vor fehlt jede Form von Glaubwürdigkeit der HDP, unabhängig von der terroristischen PKK zu sein. Es ist unvorstellbar, dass Abgeordnete ohne die Zustimmung und den Segen der PKK für die HDP aufgestellt werden. Ich erwarte nun von der HDP, insbesondere im Interesse der Mehrheit der Kurden in der Türkei, sich von der PKK nicht nur zu distanzieren, sondern auch zu emanzipieren. Die HDP muss mit dem geschenkten politischen Vertrauen verantwortungsvoll umgehen und seine Interessen politisch im Parlament vertreten. Das ist legitim und im Rahmen der demokratischen Willensbildung.
NEX24: Die türkische Community in Deutschland hat sich mit rekordverdächtigen 70 Prozent an den Wahlen beteiligt. Die AKP lag unter den Deutschtürken weit voran. Wie erklären Sie sich diesen anhaltend hohen Zuspruch trotz der sehr einseitigen Haltung deutscher Politiker und Medien gegenüber Erdoğan und der AKP?
Agdas: Tatsächlich gibt es eine relativ einseitige Positionierung einiger deutscher Politikerinnen und Politiker aus dem linken Spektrum in Deutschland, der CDU kann man das aber beim besten Willen nicht unterstellen. Die CDU geführte Bundesregierung setzt in sämtlichen Fragen auf den strategisch wichtigen Partner wie die Türkei und kooperiert eng mit der AKP Regierung. Auch ich persönlich kann nichts daraus abgewinnen und beobachte zumindest, dass die Deutschtürken eine sehr politische Gemeinschaft sind. Diese Tatsache sollte für die Willensbildung und die politische Partizipation in der Bundesrepublik sehr interessant sein.
Wenn sich über 70 Prozent der Menschen für die Wahlen in der Türkei mobilisieren lassen können, halte ich das auch für die Wahlen in Deutschland für möglich. Innerhalb der CDU diskutiere ich offen über die doppelte Staatsbürgerschaft, Visa Freiheit und die bilateralen Beziehungen zur Türkei. Das und vieles mehr, so hoffe ich, lockt die türkische Gemeinschaft für die deutsche Politik insgesamt und insbesondere für die CDU. Die Botschaft ist eindeutig: Wer in der Türkei die AKP wählt, für den kommt in Deutschland nur die CDU als wählbare Option in Frage. Wer die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei mit seiner Stimme verstärken will, muss die CDU wählen. Eine ganz einfache Formel.
NEX24: Wird der deutliche Wahlausgang Konsequenzen bezüglich des Umgangs deutscher politischer Parteien mit Mitgliedern und Wählern aus der türkischen Einwanderercommunity haben?
Agdas: Die Wahlen in der Türkei haben wir alle mit großem Interesse verfolgt. Die Abstimmung der Deutschtürken und das Ergebnis macht deutlich, dass die türkische Gemeinschaft in Deutschland politisch bei der CDU beheimatet ist, so bewerte ich das und begründe es damit, dass sie auf wirtschaftliche und politische Stabilität sowie Werte, die sich bewährt haben, im Einklang mit moderner Entwicklung setzen. Darauf konzentriere ich auch meine politische Arbeit.
Ich möchte an dieser Stelle auch herzlich alle im Parlament vertretenen Parteien und insbesondere die AKP und Premierminister Prof. Dr. Ahmet Davutoglu für ihren deutlichen Wahlsieg beglückwünschen. Allerdings sind für uns, die CDU, die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger auch unabhängig davon wichtig. Besondere Konsequenzen sehe ich nicht kommen, worüber allerdings ein Diskurs geführt wird, ist die Frage der Mobilisierung von türkischen Mitmenschen für die deutsche Politik. Wen unterschätzen Politiker wie Herr Özdemir, Huch oder Sarrazin hier eigentlich? Immerhin haben die Deutschtürken in der Bundesrepublik über 80.000 Betriebe, schaffen 300.000 Arbeitsplätze und leisten jährlich mit über 40 Milliarden Euro einen beachtlichen Beitrag für die deutsche Volkswirtschaft. Die CDU nimmt die Deutschtürken und ihren Beitrag ernst, da hilft kein Bashing, sondern das Miteinander. Für mich ist das eine Herzensangelegenheit, gemeinsam die Herausforderungen zu meistern.
NEX24: Sie haben vor einigen Wochen erklärt, die Grünen verlassen und sich der CDU angeschlossen zu haben. Wie bewerten Sie Ihre bisherigen Erfahrungen in Ihrer neuen Partei?
Agdas: Die Willkommenskultur in der CDU ist ganz anders als viele erwarten würden. Seit meinem Wechsel habe ich viele neue Bekanntschaften machen dürfen, bei türkischem Tee für den einen und leckerem Bier für den anderen werden sehr interessante Diskussionen geführt. Meine Schwerpunkte beziehen sich auf die Bereiche Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie Innen und Justiz auf Landesebene und Verteidigungspolitik auf Bundesebene. Ich kann jedem nur raten, sich für die aktive Politik zu interessieren und sich mit der CDU zu beschäftigen. Für Fragen und Anregungen stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Ich garantiere die positive Überraschung vieler, wenn sie sich mit der CDU befassen.
NEX24: Was ist Ihre Position zum gemeinsamen Flüchtlingspapier der Unionsparteien und zur Frage der Transitzonen? Sachgerecht oder hat die Kanzlerin zu stark nachgegeben?
Agdas: Bundeskanzlerin Merkel hat sich einerseits klar durchgesetzt und andererseits ist sie in dem Positionspapier den berechtigten Anliegen der Kommunen und Länder gerecht geworden. Zentrales Anliegen des Papiers ist es, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich dafür sind, dass wir weiterhin Menschen in Not helfen und die Integration Schutzbedürftiger sichern können. Dafür soll und muss wieder mehr Ordnung ins Verfahren kommen.
Zurzeit läuft vieles ungeordnet, Kommunen und Länder sind deshalb zum Teil überfordert, das geht letztlich zu Lasten der Schutzbedürftigen und das ist nicht Sinn der Sache. Diese Zielsetzung ist diejenige, die Bundeskanzlerin Merkel immer hatte. Die sogenannten Transitzonen sind im europäischen Recht vorgesehen. Es geht darum, schneller Klarheit zu bekommen, wer wirklich schutzbedürftig ist und aufgenommen werden soll und wer nicht.
Das dient letztlich allen Seiten. Diese Zonen sollen der Ordnung des Verfahrens dienen. Wichtig ist aber auch, dass die Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene, zum Beispiel stärkere Unterstützung der Türkei und ein rasches Abkommen mit der Türkei in die Tat umgesetzt werden. Das ist ein direktes Anknüpfen an den Türkei-Besuch der Kanzlerin.
Sie sieht die Türkei als zentralen und strategischen Partner. Ich bin fest davon überzeugt, dass die gegenwärtige Herausforderung in der Flüchtlingskrise die deutsch-türkischen Beziehungen verbessern und intensivieren wird. Dafür brauchen wir aber auch die jungen Deutschtürken in der Politik, am besten in der CDU. Das Ziel ist die flächendeckende Interessenvertretungen von Deutschtürken auf der politischen Bühne, dafür setze ich mich ein.
NEX24: Herr Agdas, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führte Polat Karaburan

 

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