Ein Kommentar zum Referendum Griechenlands von Julius Zunker
Geschichte wird angeblich von den Siegern geschrieben. Zumindest galt das noch, als es nicht dieses gnadenlose Internet gab, welches unerbittlich jede Information ablegt, sichert und wieder abrufbar macht. Genau wie diesen Artikel. Die Sieger dieser Nacht nun scheinen Premierminister Alex Tsipras, seine Partei, die Syriza und Finanzminister Yanis Varoufakis zu sein. Gemeinsam mit einer überraschenden Mehrheit des griechischen Volkes haben sie ein Votum gegen Spardiktat und aufoktroyiertes Gebaren durch die Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Kommission, sowie Kanzlerin Merkel, dem französischen Präsidenten Hollande und dem deutschen Finanzminister Schäuble ausgesprochen und genau den Mittelfinger erhoben, der wie kaum ein anderes Symbol für den neuen Weg zu stehen scheint, den Griechenland zu gehen bereit ist. Dabei spricht auch aus der Seele der Syriza nicht die anti-europäische Haltung, die dem Linksbündnis so gerne angedichtet wird. Der Grexit steht nicht auf der Agenda der „jungen Wilden“, die sich erst 2012 aus einem Wahlbündnis zwischen zehn kleineren, kommunistischen, ökosozialistischen, maoistischen und trotzkistischen Gruppen zu einer Partei vereinigte. Aber allein ihr Wahlsieg im Zuge der griechischen (und europäischen) Finanzkrise(n) stellt für die ansonsten eher konservativen Kräfte im geeinten Europa eine Bedrohung dar oder wird zumindest als eine solche heraufstilisiert. Mit dem am Sonntag durchgeführten Referendum über die Frage, ob sich Griechenland nun den Druck seiner Nachbarn und vermeintlichen edlen und selbstlosen Spendern beugt oder eben nicht, sendet das griechische Volk nun ein Signal an eben selbige und an die anderen krisengebeutelten europäischen Staaten. Dieses Signal, das zunächst einmal eines ist, das jedem autonomen Staat zusteht, ist eigentlich weniger überraschend, als in den letzten Tagen so häufig postuliert wurde. Dies liegt auch an der Fragestellung, die das Referendum beinhaltete. Schlussendlich wäre es ein Zukreuzekriechen gewesen mit „Ja“ zu antworten, wenn die reichen und tonangebenden Partner in der EU, vorneweg Deutschland, mehr und mehr Zugeständnisse für neue Kredite verlangen, die im Endeffekt den scheinbar freigiebigen Geldgebern zu Gute kommen. Unbestreitbar steht im Raum, dass der größte Teil der Finanzpakte an griechische Banken ging, die damit wiederum ihre Schulden bei anderen Banken, hauptsächlich im europäischen Ausland (und insbesondere Deutschland) zu tilgen versuchten. Diese Banken wiederum gaben gerne Kredite an die griechischen Banken, denn solche Geschäfte bieten deutlich höhere Zinsen, bergen aber, wie bei Deals mit hohen Zinsen zu erwarten ist, ein Risiko. Dieses Risiko nun ist eines, das den Kern aller Finanzkrisen der Geschichte ausmacht und bereitwillig von der Finanzwelt in Kauf genommen wurde und sicher immer in Kauf genommen werden wird. Ob es um Immobilienspekulationen in Japan und den USA, Geschäften mit untilgbaren Krediten oder um schwächelnde Volkswirtschaften geht, die Bereitwilligkeit auf Krisen zu setzen und damit einhergehendem Elend derjenigen, die eh schon wenig bis nichts haben, sagt auch über Geschäfte innerhalb der Eurozone (und der EU) einiges aus und macht den Zustand und die Hilfsbereitschaft zwischen angeblich gleichgestellten Partnern erschreckend deutlich. Nun wird sicherlich auch niemand von einer Währungsunion karitatives Verhalten erwarten. Von einer Währungsunion, die eng mit einer Union verzahnt ist, die darauf fußt für Frieden und Stabilität in Europa zu sorgen ohne dabei mit dem Säbel zu rasseln, ist dann jedoch ein eben humanitäreres und weniger monetäreres Verhalten zu verlangen. Fast lässt es sich dabei als Ironie der Geschichte an, dass noch vor dem Beginn der Euro-Ära eine Rede von Dr. Gregor Gysi gehalten wurde, die sich fast prophetisch auf die Ereignisse der letzten Wochen und Monate beziehen lässt. Wenn nun auf Seiten der Bundesregierung und konservativer Sprachrohre, vorn weg die lautstarke Springerpresse, mit dem Klingelbeutel anstatt dem Säbel gerasselt wird und auf Grund der Entscheidung des griechischen Volkes zu seiner gewählten Regierung zu stehen offen von einem von außen erzwungenen Austritt Griechenlands aus der Eurozone gesprochen wird, dann machen diejenigen, die hinter diesen Aussagen stehen, deutlich wie wenig sie von dem Sinn beider Unionen verstanden haben und in welchem Zustand ihre Kenntnis um geltende Verträge bestellt ist, auf denen diese Unionen bauen. Denn ein Austritt aus der Eurozone kann und darf nur durch Griechenland selber erfolgen. Allerdings wäre es ein mögliches. Hierzu müsste die EZB nur ihre Hilfskredite an die Banken in Griechenland auf Eis legen oder gar einfordern. Die Folge wären nicht mehr ausreichend Euros in Griechenland und ein Zusammenbruch des Zahlungsverkehrs im Inland. Dadurch wäre der griechische Staat gezwungen auf eine Parallelwährung umzusteigen und so aus der Eurozone auszutreten. Wenn sich die tonangebenden Kräfte innerhalb der Eurozone zu diesem Schritt hinreißen lassen würden, wäre es schlussendlich vermutlich der Todesstoß für die Währungsunion und würde genau die schreckliche Fratze zeigen, die die Syriza im Kampf um die Meinung des griechischen Volkes immer wieder zeichnete. Die langfristigen Konsequenzen auf politischer, gesellschaftlicher und finanzieller Ebene in der gesamten EU und Eurozone wären nicht absehbar.