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Festnahme in Izmir
Türkei: Mutmaßliches Mitglied des Gülen-Netzwerks blieb in der Armee unentdeckt

Eine Festnahme mit Brisanz: Wie ein mutmaßliches Mitglied des Gülen-Netzwerks in der Armee unentdeckt blieb.

(Archivfoto: nex24)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge –

 kboelge@web.de

Der Einsatz war akribisch vorbereitet, es sollte nichts schieflaufen. Dem Ganzen vorausgegangen waren monatelange Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft in Izmir. Schwer bewaffnete Einheiten der türkischen Polizei stürmten in der westtürkischen Metropole Izmir am 28. Mai die Wohnung eines Mannes, der bis zu jenem Tag als Adjutant des Kommandeurs der türkischen Ägäis-Armee seinen Dienst verrichtete.

Es geht um den Major F.Ö., der bis zum Putschversuch vom 15. Juli 2016 niemandem sonderlich auffiel. Er wurde wegen der Mitgliedschaft in der Terrororganisation Fetö festgenommen. Aber wie kamen die Ermittler auf seine Spur, wenn er keinerlei Auffälligkeiten zeigte und auch nicht durch das Raster des Messenger-Programms Bylock oder Ähnlichem fiel?

Nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 wurden Tausende von Fetö-Mitgliedern festgenommen, aus der türkischen Armee unehrenhaft entlassen und mussten sich vor Gericht verantworten. Es geht hier um das Gülen-Netzwerk, das schon seit über 40 Jahren Institutionen des türkischen Staates systematisch unterwandert hat. Die türkische Armee ist hier keine Ausnahme, denn das Ziel der Gülen-Mitglieder war die Machtübernahme in der Türkei, notfalls mit Waffengewalt, wie der Putschversuch gezeigt hat.

Selbst Zulassungsprüfungen für ein Studium an einer Hochschule wurden durch Mitglieder von Fetö manipuliert, damit eigene Anhänger an der Universität studieren konnten. Die Prüfungen für die Streitkräfte und die Polizei waren ebenfalls im Focus der Gülen-Anhänger, denn auch in diesem Fall wurde den Kandidaten des Netzwerks die Prüfungsfragen zugespielt.

Man muss bedenken, dass es beim Aufbau des Gülen-Netzwerks Ähnlichkeiten mit anderen Terrororganisationen wie der PKK, Daesh (IS) oder DHKP-C gibt, allerdings existieren in struktureller und ideologischer Hinsicht Ähnlichkeiten mit der „Scientology-Organisation“ und aus diesem Grund handelt es sich beim Gülen-Netzwerk um keine religiöse Bewegung im eigentlichen Sinne, sondern um eine geheim operierende hierarchisch strukturierte esoterisch-kultartige Vereinigung.

Zu dieser Einschätzung gelangte ich in meinem Beitrag vom 9. Januar 2020, in dem ich unter anderem auch auf die Gefährlichkeit der Terrororganisation von Gülen hingewiesen hatte. Journalisten und Wissenschaftler hatten über Fetullah Gülen und seine Anhänger recherchiert und mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen.

Exemplarisch sei hier an den Wissenschaftler Dr. Necip Hablemitoğlu erinnert, der bei einem Attentat eines mutmaßlichen Mitglieds des Gülen-Netzwerks 2002 in Ankara ermordet wurde sowie an den Journalisten Haydar Meriç, der über das Leben von Gülen recherchierte und nach Informationen des Zentrums für Terrorismus- und Sicherheitsforschung (UTGAM) von Anhängern des in die USA geflüchteten Terrorchefs getötet wurde. Daneben gibt es auch Journalisten wie Nedim Şener, die aufgrund ihrer kritischen Berichterstattung über Gülen auf Betreiben von Gülen-Mitgliedern bei den Strafverfolgungsbehörden verhaftet und jahrelang unschuldig im Gefängnis gesessen haben.

Nach dem gescheiterten Putschversuch durch Mitglieder des terroristischen Gülen-Netzwerks in der türkischen Armee, wurden bei der Polizei und den Staatsanwaltschaften spezielle Ermittlungsteams gebildet, die sich mit Fetö-Mitgliedern in der Armee und anderen Institutionen beschäftigen. Es geht dabei um Mitglieder des Netzwerks, die bisher unentdeckt geblieben sind. Was den Ermittlern bei ihren Nachforschungen zunächst auffiel, waren Anrufe aus einer mit Prepaidkarten funktionierenden Telefonzelle in der Umgebung von Verkaufsständen.

Aber allein dieser Umstand machte die Ermittlungsgruppe nicht sonderlich misstrauisch, denn es gab Fetö-Mitglieder in der Armee, die aus einer Telefonzelle ihre Verbindungsleute angerufen hatten und durch die Auswertung der Telefonverbindungsdaten aufgedeckt wurden. Hier ging es darum wer aus den verschiedenen Telefonzellen angerufen wurde. Die Person, um den es hier geht, heißt L.Ç. und ist ein Verbindungsmann der Gülen-Organisation (Türkisch Mahrem Imam), der als Verantwortlicher des Terrornetzwerks mit Haftbefehl gesucht wird.

Laut türkischen Medienberichten hat sich L.Ç. 2016 in die USA abgesetzt. Der festgenommene Major rief den Verbindungsmann zu unterschiedlichen Zeiten aus Telefonzellen an, die sich an Verkaufsständen, Lebensmittelläden und anderen Plätzen befanden.

Jetzt komme ich auf die sicherheitsrelevante Brisanz der Festnahme. Die türkischen Streifkräfte unterteilen sich in das Heer (Landstreitkräfte), Luftwaffe, Marine und die Gendarmerie. Als Nato-Mitglied untersteht die türkische Armee dem Oberbefehl der Nato in Brüssel. Ferner unterhalten die türkischen Streifkräfte in Izmir die Ägäische-Armee, die jedoch nicht dem Nato-Oberbefehl untersteht und in den 70er Jahren gegründet wurde. Was dabei auffällt: Das mutmaßliche Mitglied des Gülen-Netzwerks diente als Adjutant des Kommandeurs der ägäischen Streitkräfte, also ausgerechnet in der Armee, die keinem Nato-Oberbefehl untersteht.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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