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Dr. Sadık Ahmet: Furchtloser Kämpfer für Menschenrechte

Am 24. Juli 1995 – vor fast 30 Jahren – starb Dr. Sadık Ahmet bei einem bis heute ungeklärten Verkehrsunfall im Dorf Susurköy (griechisch: Sostis) in Nordostgriechenland.

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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge

Am 24. Juli 1995 – vor fast 30 Jahren – starb Dr. Sadık Ahmet bei einem bis heute ungeklärten Verkehrsunfall im Dorf Susurköy (griechisch: Sostis) in Nordostgriechenland.

Der Chirurg, Politiker und Menschenrechtsaktivist war eine zentrale Stimme der türkisch-muslimischen Minderheit in der griechischen Region Westthrakien. Sein Engagement für Minderheitenrechte machte ihn zu einer Symbolfigur – und zum politischen Stachel für das griechische Establishment.

Geboren wurde Sadık Ahmet am 7. Januar 1947 im Dorf Küçük Sirkeli (türkisch: Ağra) bei Gümülcine (Komotini). Sein Vater, ein Landwirt mit einer kleinen Werkstatt zur Reparatur von Pferdewagenrädern, benannte ihn nach seinem Großvater, der in der Region als Müller bekannt war – daher der Familienname „Değirmenci“, auf Deutsch: Müller. Die Schulzeit absolvierte Ahmet an der Celal-Bayar-Gesamtschule in Gümülcine, wo er auch sein Abitur machte.

Ein Arzt mit politischer Mission

Nach dem Schulabschluss führte ihn sein Bildungsweg zunächst nach Ankara, später auch nach Thessaloniki. Dort studierte er Medizin und schloss 1974 erfolgreich sein Studium ab.

Seit 1984 arbeitete er als Chirurg – doch seine wahre Berufung fand er in der Politik. Früh engagierte sich Ahmet für die Rechte der türkischen Minderheit in Westthrakien, die seit Jahrzehnten von der griechischen Regierung nicht als „türkisch“, sondern lediglich als „muslimisch“ bezeichnet wird. Diese Verweigerung der ethnischen Selbstdefinition sorgte über Jahre hinweg für gesellschaftliche Spannungen.

1985 organisierte Ahmet eine Unterschriftenkampagne, mit der er die internationale Öffentlichkeit auf die Diskriminierung der türkischen Minderheit aufmerksam machen wollte. Rund 15.000 Menschen unterstützten seine Forderungen. Die griechischen Behörden reagierten jedoch nicht mit Dialog – sondern mit Repression. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde Ahmet angeklagt und zu 30 Monaten Haft verurteilt.

Parlamentseinzug und politische Repression

1989 wurde Sadık Ahmet zum ersten unabhängigen Abgeordneten der türkischen Minderheit ins griechische Parlament gewählt – ein historischer Erfolg. Doch die Wahl wurde später annulliert. Ein Jahr später, am 26. Januar 1990, hielt er eine Rede, in der er den Begriff „Türken“ für die Minderheit in Westthrakien verwendete. Dies führte erneut zu einer Verurteilung – diesmal zu mehreren Monaten Freiheitsstrafe.

In einer mutigen Stellungnahme vor seinem Haftantritt sagte er:
„Nur weil ich Türke bin, muss ich ins Gefängnis. Wenn es strafbar ist, Türke zu sein, sage ich noch einmal, dass ich Türke bin und es auch bleiben werde.“

Seine Worte wurden zum Symbol für den Kampf um ethnische Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit.

Gezielte Hürden gegen Minderheiten

1993 änderte das griechische Parlament das Wahlrecht – unter anderem durch die Einführung einer Drei-Prozent-Hürde. Diese Änderung hatte weitreichende Folgen: Unabhängige Kandidaten wie Sadık Ahmet konnten dadurch kaum noch ins Parlament einziehen. Kritiker warfen der Regierung vor, gezielt gegen politische Repräsentanten der türkischen Minderheit vorzugehen.

Trotz aller Rückschläge blieb Ahmet seiner Mission treu. Er kämpfte für den muttersprachlichen Unterricht, für Religionsfreiheit und für die Anerkennung der kulturellen Identität der türkischen Minderheit. Seine Entschlossenheit und Furchtlosigkeit machten ihn für viele zur Stimme einer entrechteten Gemeinschaft – und für die politischen Eliten Griechenlands zu einer unbequemen Figur.

Ein ungeklärter Tod

Am 24. Juli 1995 endete das Leben von Dr. Sadık Ahmet bei einem mysteriösen Autounfall in Susurköy. Die genauen Umstände seines Todes wurden nie vollständig aufgeklärt, was bis heute Spekulationen und Zweifel nährt. Für viele blieb die Frage bestehen: War es wirklich ein Unfall – oder das Schweigen über einen politischen Mord?

Erinnerung an ein Vermächtnis

Drei Jahrzehnte nach seinem Tod ist das Vermächtnis von Sadık Ahmet lebendiger denn je. In der Türkei und bei der türkischen Minderheit in Griechenland wird seiner regelmäßig gedacht. Er gilt als Symbol für Mut, Gerechtigkeit und das unermüdliche Streben nach Gleichberechtigung.

Dr. Sadık Ahmet hat der türkischen Minderheit eine politische Stimme verliehen – und der Welt gezeigt, dass selbst ein Einzelner die Kraft haben kann, gegen systematische Diskriminierung aufzustehen. Sein Lebenswerk bleibt Mahnung und Inspiration zugleich.

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