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Geschichtsentdeckungen: Die Yeni Valide Camii in Istanbul

Diese in Eminönü am Goldenen Horn liegende Moschee wurde zunächst von Safiye Valide Sultan (1550-1619) im Jahr 1597 zur Befestigung ihrer Memoria gestiftet.

(Foto: Weiberg)
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von Thomas Weiberg

Diese in Eminönü am Goldenen Horn in unmittelbarer Nähe des Ägyptischen Basars liegende Moschee wurde zunächst von Safiye Valide Sultan (1550-1619) im Jahr 1597 zur Befestigung ihrer Memoria gestiftet.

Die vermutlich aus Albanien stammende Safiye Sultan war die Gemahlin Sultan Murads III. und Mutter Sultan Mohammeds (Mehmeds) III. Sie war eine sehr bemerkenswerte, machtbewußte, skrupellose und intelligente Regentin in der Phase der sogenannten ›Weiberherrschaft‹, während der die Sultane auf dem Thron sich nicht um die Politik kümmerten und sich stattdessen oftmals eher dem Müßiggang ergaben.

Safiye Valide Sultan korrespondierte mit Königin Elisabeth I. von England, tauschte reiche Geschenke mit ihr aus und unterhielt enge Beziehungen zur ›Serenissima‹, also zu Venedig, das damals die beherrschende Macht im östlichen Mittelmeer war – und als Handelsmacht ein großer Konkurrent Konstantinopels. Als dann ihr Enkel Sultan Ahmet I. 1603 den Thron bestieg, mußte sich die mehr als einflußreiche Regentin aus der Öffentlichkeit und der Politik bis zu ihrem Tod in den Harem zurückziehen. Die von ihr gestiftete Moschee blieb allerdings lange eine Bauruine, die nicht genutzt werden konnte.

(Foto: Weiberg)

Erst 1663, über vierzig Jahre nach dem Tod Safiye Sultans, wurde die Moschee im Auftrag von Hatice Turhan Sultan (1627-1683), einer Gemahlin Sultan Ibrahims des Wahnsinnigen und Mutter Sultan Mohammeds IV. (Mehmed IV.) vollendet. Hatice Turhan Sultan, die aus Rußland oder der Ukraine stammte, stand ihrer berühmten Vorgängerin Safiye Sultan an Bedeutung nicht nach. Als ihr Sohn Mehmed 1648 im Alter von nur sechs Jahren den Thron bestieg wurde auch sie zur mächtigen Sultansmutter, die für den minderjährigen an Politik Zeit seines Lebens wenig interessierten Sohn, der wegen seiner Leidenschaft für die Jagd ›Mehmed Avcı‹ (Mehmed der Jäger) genannt wurde, die Regentschaft führte.

Da aber ihre Schwiegermutter Kösem Mahpeyker Valide Sultan (1589-1651) noch am Leben war, die zwischen 1623 und 1632 ebenfalls für ihren minderjährigen Sohn die Geschicke des Reiches gelenkt hatte, gab es zwischen den beiden skrupellos agierenden Frauen schwere Auseinandersetzungen um die Führung der Politik sowie den Einfluß am osmanischen Hof.
Kösem Mahpeyker Sultan war übrigens Griechin von der Insel Tinos, die Tochter eines orthodoxen Priesters und hieß zunächst Anastasia.

(Foto: Weiberg)

Dieser Konkurrenzkampf der beiden machtbewußten Frauen dauerte drei Jahre an, bis dann Kösem Mahpeyker Sultan im September 1651 während einer blutigen Palastrevolte wohl im Auftrag ihrer Schwiegertochter mit einer Bogensehne erwürgt wurde. Pikant mag im Verhältnis dieser beiden herausragenden Frauen der osmanischen Geschichte sein, daß Hatice Turhan Sultan im Alter von zwölf Jahren als Geschenk des Herrschers des Krim-Khanats an den Hof von Kösem Mahpeyker Sultan gelangte und dort ihre umfassende Bildung erhielt.

 

Hatice Turhan Sultan war in der Folge vierunddreißig Jahre lang die einflußreiche Valide Sultan am osmanischen Hof, von ihrem Sohn als Ratgeberin stets geschätzt und hochgeachtet. Damit war sie die am längsten diesen Titel tragende Sultansmutter. In ihre Regentschaft fiel der Krieg der Osmanen gegen Venedig (Fünfter Venezianischer Krieg 1645 bis 1669) um die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer sowie an der dalmatinischen Adriaküste und um den Besitz der reichen Insel Kreta.

Letztlich konnte das Osmanische Reich sich Kreta einverleiben und in Dalmatien erhebliche Territorialgewinne erzielen. Venedig ging stark geschwächt, aber keineswegs vollständig geschlagen, aus diesem blutigen Krieg hervor. Neben ihren politischen Maßnahmen, zu denen die Ernennung des fähigen und klugen Machtpolitikers Köprülü Mehmed Pasha zum Großwesir gehörte, wird ihr die Initiierung wichtiger Bauvorhaben zugeschrieben. Neben der Yeni Valide Moschee, in deren unmittelbarer Nähe sich auch die Türbe der Sultansmutter befindet, entstand in deren Auftrag ab Mitte des 17. Jahrhunderts auch der Ägyptische Basar (Mısır Çarşısı) als Teil der ausgedehnten Moschee-Stiftung der Hatice Turhan Sultan.

(Foto: Weiberg)

Die elegant proportionierte Moschee verfügt außen und innen über einen reichen Schmuck an hervorragenden İznik-Fayencen und herrlichen Kalligraphien. Der relativ kleine reichverziehrte Reinigungsbrunnen (Şadırvan) aus der Mitte des 17. Jahrhunderts im Hof der Moschee gehört zu den schönsten seiner Art in Istanbul. Der sich an den Moscheekomplex anschließende Pavillon für den Sultan beziehungsweise die Sultan Valide hat sich ebenfalls erhalten, seine Innenräume sind auch mit sehr qualitätvollen İznik-Fayencen ausgestattet.

Die Türbe für Hatice Turhan Sultan befindet sich ganz in der Nähe ›ihrer‹ Moschee. Dieser Memorialbau lohnt ebenfalls unbedingt einen Besuch, denn er wurde vor einigen Jahren umfassend restauriert und erstrahlt seit dem wieder in seinem alten Glanz. Mit über vierzig Bestattungen gehört diese Türbe zu den bedeutendsten osmanischen Grablegen in Istanbul. Neben Hatice Turhan Sultan sind ihr Sohn Sultan Mehmed IV. und auch fünf seiner Nachfolger auf dem Thron sowie weitere Angehörige der Dynastie dort beigesetzt.

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