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Gastbeitrag
„Interessiert sich eigentlich jemand für Schirin Abu Akle?“

In einem Gastbeitrag wirft Nabi Yücel den deutschen Medien und Politikern eine fehlende Anteilnahme zum Tod der Journalistin Schirin Abu Akle vor.

Die Reporterin Schirin Abu Akle wurde während eines Einsatzes der israelischen Armee im Westjordanland getötet. (Foto: Ajazeera)
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Einerseits, als Grüne und Sozialisten geschlossen die AfD ablehnen, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verurteilen und gleichzeitig Waffenlieferungen fordern. Andererseits eine dramatisch zu Tode gekommene Journalistin konsequent aus dem öffentlichen Diskurs heraushalten; das ist ein Widerspruch par excellence.

Man muss erst gar nicht erwähnen, dass ein Land seit 50 Jahren völkerrechtswidrig besetzt wird, Menschenrechtsorganisationen offen von Apartheid sprechen (Quelle), um die Diskrepanz aufzuzeigen, in der jetzt auch vor allem die Grünen und Sozialisten stecken.

Lamya Kaddor in der Zwickmühle

Aber etwas schlägt offenbar dem Fass den Boden aus: Lamya Kaddor, die neue Bundestagsabgeordnete der Grünen, die sich bis heute in Facebook über eine – sagen wir mal salopp – Fotojournalistin eisern ausschweigt, obwohl auf Twitter der Schuldigkeit getan ist.

Zum wesentlichen: Man hat der 51-jährigen Journalistin Schirin Abu Akleh erst mit einer Kugel das Gesicht entfernt, dann fast dafür gesorgt, dass ihr Sarg auf den Boden stürzt, weil man die tragenden vielen Füße geknüppelt hat. Und dennoch findet diese Journalistin keine Erwähnung in ihrer Social-Media Timeline auf Facebook?

Stopp! Natürlich hat Kaddor reagiert, aber nur auf Twitter und nur das Nötigste. Da postete Sie:

„#SchirinAbuAkle, Reporterin von #AlDschasira ist durch einen tödlichen Schuss der israelischen Armee im #Westjordanland gestorben. Mein Beileid gilt ihrer Familie & Freunden. Es ist richtig, dass die israelische Armee jetzt eine Untersuchung angekündigt hat.“

Sie ist also gestorben, weil die israelische Armee einen tödlichen Schuss abgegeben hat! Das fiel Kaddor offensichtlich nicht leicht, aber sie fand unter vielen Grünen Persönlichkeiten und Grünen Kabinettsmitgliedern wenigstens einige Worte dafür. Dann verstehe ich aber Ihre Aufregung auf Facebook nicht, wenn entsprechende Fragen abgewatscht werden.

Nicht jeder der Facebook verfolgt, bewegt sich auch in anderen sozialen Netzwerken und umgekehrt. Es hätte einer Bundestagsabgeordneten besser gestanden, in allen sozialen Netzwerken ein Kommentar abzugeben, statt Menschen, die in Erwartungshaltung sind, harsch anzugehen. Nicht einmal da gibt Lamya Kaddor den Namen der Ikone von Journalistin an!

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Die Sozialistin Derya Türk-Nachbaur wirkt nicht sozial

Beim türkischen Philanthropen Osman Kavala platzte der SPD-Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur die Hutschnur. Bei Canan Kaftancioglu oder Julian Assange fand sie deutliche Worte. Ihr Engagement belohnt die Fraktion dementsprechend mit Lobeshymnen:

„Bei Kriegsverbrechen gibt es nichts zu diskutieren, wird Derya Türk-Nachbaur im Bundestag deutlich. Ihre Rede schließt sie deshalb mit zwei Zeilen von Danger Dan: „Faschisten hören niemals auf, Faschisten zu sein. Man diskutiert mit ihnen nicht, hat die Geschichte gezeigt.“

Zu Schirin Abu Akleh findet die Chefanklägerin offenbar keine geeigneten oder deutlichen Worte; sie fängt die Diskussion erst gar nicht!

Interessiert sich eigentlich jemand für Schirin Abu Akleh?

Der Tod der Al Jazeera-Journalistin Abu Akleh im UN-Flüchtlingslager Dschenin ist vielleicht bedauerlich, sogar tragisch, unabhängig davon, von welcher Seite die tödliche Kugel letztendlich abgefeuert worden ist. Die Reaktion auf ihren Tod jedoch ist im Vergleich zu den Reaktionen auf den Tod vieler anderer Journalisten in der Welt dermaßen laut, dass das fast schon ein Fall für den Hals-Nasen-Ohrenarzt ist: Man hört nämlich überhaupt nichts.

Übrig bleibt nur Entsetzen und Ohnmacht?

Nicht ganz! Es gibt auch Deniz Yücel – laut Vorwürfen der türkischen Regierung „Agentterrorist“ – der nach einer knappen Entscheidung der Abwahl, seinen Posten vom PEN-Vorsitz selbst geräumt hat. Man sagte ihm während der Abstimmung sozusagen die Meinung und plötzlich wurde aus der PEN ne „Bratwurstbude“. Es lebe das Märtyrersein!


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar. Kontakt: yuecelnabi@hotmail.de


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