Start Politik Ausland Mittelmeer-Krise Spannungen mit Griechenland: „Die Türkei ist an keinem Krieg interessiert“

Mittelmeer-Krise
Spannungen mit Griechenland: „Die Türkei ist an keinem Krieg interessiert“

Rechtlich betrachtet sind die Argumente Griechenlands nicht nachvollziehbar, da das internationale Seerecht einem Küstenstaat eine Ausschließliche Wirtschaftszone einräumt. Die griechische Regierung riskiert durch provokative Aktionen seiner Marine oder seiner Luftwaffe einen bewaffneten Konflikt mit der Türkei.

(Foto: nex24)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Rechtlich betrachtet sind die Argumente Griechenlands nicht nachvollziehbar, da das internationale Seerecht einem Küstenstaat eine Ausschließliche Wirtschaftszone einräumt. Die griechische Regierung riskiert durch provokative Aktionen seiner Marine oder seiner Luftwaffe einen bewaffneten Konflikt mit der Türkei.

Griechenland riskiert einen Konflikt mit der Türkei

In den letzten Tagen haben sich die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei im östlichen Mittelmeer noch einmal verschärft, da sechs griechische Kampfflugzeuge vom Typ F-16 versucht haben sollen in den Luftraum des von der türkischen Marine deklarierten Seewarngebiets im Mittelmeer einzudringen.

Der Versuch wurde laut türkischem Verteidigungsministerium von der türkischen Luftwaffe vereitelt und die griechischen Maschinen abgedrängt.  Im Juli war ein Schlichtungsversuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel gescheitert, weil Athen am 6. August mit Ägypten einen Vertrag über eine Wirtschaftszone unterzeichnet hatte, die die Außenwirtschaftszone der Türkei überschneidet. Die internationale Seerechtskonvention erlaubt einem Küstenstaat eine Außenwirtschaftszone von 200 Seemeilen, in dem der betreffende Staat in dieser Zone Forschungen betreiben und Ressourcen unter dem Meer ausbeuten darf.

Griechenland vertritt den Standpunkt, dass seine vor der türkischen Küste vorgelagerten Inseln einen eigenen Festlandssockel hätten und beansprucht über diese Eilande eine Außenwirtschaftszone. Nach türkischer Position haben die erwähnten Inseln keinen eigenen Festlandssockel, sondern seien eine natürliche Verlängerung des anatolischen Festlandes. Die Türkei argumentiert, bei der Berechnung des Festlandssockels spiele auch die Länge des Küstenstreifens eine Rolle.

Länge der Küstenlinie ist von Bedeutung

Diese These wird von der deutschen Völkerrechtlerin Prof. Nele Matz-Lück unterstützt, die in einem Interview mit tagesschau.de erklärte „In der internationalen Streitbeilegung zu Grenzstreitigkeiten ist anerkannt, dass die Länge der Küstenlinie eine Rolle spielt und berücksichtigt wird – und dass kleinere Inseln, die eine Grenzziehung verzerren würden, gegebenenfalls bei der Abgrenzungen außen vorbleiben.“

Genau auf diesen Aspekt hatte auch der emeritierte griechische Völkerrechtler Prof. Christos Rozakis hingewiesen, der auf Entscheidungen des internationalen Gerichtshofs verwies, wonach die geografische Lage von Inseln und die Länge des Küstenstreifens von Bedeutung sei. Eine Lösung des Konflikts ist schwierig, weil Griechenland auf Positionen beharrt, die mit dem internationalen Recht und dem Seerecht nicht vereinbar ist.

Auf der einen Seite beharrt es auf seinem Argument, wonach Inseln einen eigenen Festlandssockel hätten, verschließt sich auf der anderen Seite jeglichen Verhandlungen und akzeptiert auch keine Lösung vor dem internationalen Gerichtshof.
Rechtlich betrachtet sind die Argumente Griechenlands nicht nachvollziehbar, da das internationale Seerecht, wie dargelegt, einem Küstenstaat eine Ausschließliche Wirtschaftszone einräumt. Juristisch betrachtet ist die Haltung Deutschlands und der EU und damit die offene Parteinahme zugunsten Athens nicht in Ordnung, weil die türkische Position sich aus dem internationalen Seerecht ableitet.

Androhung von Sanktionen das falsche Signal

Die beim Treffen der EU-Außenminister in Berlin angedrohten Sanktionen gegen die Türkei sind problematisch, weil nicht Ankara für die Eskalation des Konflikts verantwortlich ist, sondern die griechische Regierung. Die Türkei soll nach dem Willen der EU auf ihre Rechte aus der Seerechtskonvention verzichten, damit westliche Energiekonzerne die Ressourcen unter dem Meer ausbeuten können. Nichts anderes bedeutet die Androhung von Sanktionen der EU-Außenminister in Berlin. Die neokoloniale Vorgehensweise der EU gegenüber der Türkei verstößt gegen internationales Recht.

Die griechische Regierung riskiert durch provokative Aktionen seiner Marine oder seiner Luftwaffe einen bewaffneten Konflikt mit der Türkei. Historisch betrachtet hat Griechenland seit seiner Gründung 1829 immer wieder versucht die türkische Seite zu provozieren, um durch die anschließende Intervention der Großmächte Kapital daraus zu schlagen. Diese Strategie hat in der Vergangenheit funktioniert, aber die jetzige Situation ist mit der Vergangenheit – der Kalte Krieg, die 90er Jahre etc. – nicht vergleichbar.

Die Welt steuert nach der Corona-Pandemie, obwohl die Pandemie noch nicht überstanden ist, auf eine neue Weltordnung, eine multipolare Ordnung zu. Die Machtverschiebung hatte sich bereits seit geraumer Zeit angedeutet. Die Transformation ist in vollem Gange, nur Griechenland scheint, das noch nicht ganz begriffen, zu haben. Es glaubt, im Falle des Falles, sich auf Staaten wie Deutschland oder Frankreich verlassen zu können.

Die Türkei ist an keinem Krieg interessiert und es wäre für alle Seiten die schlechteste Wahl, ganz abgesehen von den ökonomischen und sicherheitspolitischen Folgen. Vordergründig geht es bei diesem Konflikt und Öl und Gas unter dem Meer, aber eigentlich geht es um geostrategische Interessen im östlichen Mittelmeer.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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