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Kommentar
„Deutschtürkische Polemik gegenüber syrischen Flüchtlingen erreicht Bild-Zeitungs-Niveau“

In den letzten Tagen machen Nachrichten und Videoaufnahmen in den sozialen Medien inkl. von Verschwörungstheorien über die Feierlichkeiten am Silvester in Taksim die Runde, dass man als objektiver Betrachter viele Parallelen zu Deutschland feststellt. Ein Kommentar.

(Foto: Screenshot)
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Von M. Teyfik Oezcan

Syrische Halay in Taksim zu Silvester wird zum Politikum

Liebe Freunde, in den letzten Tagen machen Nachrichten und Videoaufnahmen in den sozialen Medien inkl. von Verschwörungstheorien über die Feierlichkeiten am Silvester in Taksim die Runde, dass man als objektiver Betrachter viele Parallelen zu Deutschland feststellt.

Ein erfreuliches Ereignis in der Silvesternacht, das eigentlich keiner medialen Aufmerksamkeit bedarf, wird seit Tagen in den sozialen Medien mit Hinweis auch auf die türkischen Soldaten in Syrien missbraucht und zum Politikum hoch stilisiert.

Worum geht es?

Einige wenige syrische Flüchtlinge, die (wie im Geiste des Osmanischen Reiches) durch die Aufnahmebereitschaft der Türkei Schutz gefunden haben, wagen es tatsächlich in der Silvesternacht mit einem halayischen Tanz ausgelassen und unbeschwert zu feiern, und ihre Freiheit in einer friedvollen Atmosphäre auszuleben. Einige türkische Landsleute haben das mit Hinweis auf kämpfende türkische Soldaten in Syrien in übertriebenem Maß kritisiert.

Dazu möchte ich Euch bitten Folgendes zu bedenken:

1.) Es gehörte schon immer zu der Charta des Osmanischen Reiches sowie der Türkischen Republik hilfsbedürftigen Menschen, sei es in Europa verfolgte Juden wie im Osmanischen Reich, ferner Kurden aus dem Irak oder wie aktuell Flüchtlinge aus Syrien Schutz vor Verfolgung, Vergewaltigung und Tod zu geben. Auf diese humanitäre Geste des Staates sollte jeder von uns stolz sein!

2.) Vom Krieg traumatisierte Menschen, die Familienangehörige, ihr Haus, ihre Freunde, ihre Heimat verloren haben, werden von einigen Personen verurteilt, weil sie nicht im Krieg gegen Assad kämpfen. Dazu sollten sich diese Leute folgende Frage beantworten: “Würdest Du Deine Familie, vor allem Deine Mutter und Schwester in einem fremden Land (Türkei) alleine lassen und als kriegsunerfahrener Jugendlicher in den Krieg ziehen und Dich als Kanonenfutter abschlachten lassen?“

3.) Die türkischen Soldaten kämpfen nicht stellvertretend für die syrischen Flüchtlinge in Syrien, sondern verfolgen eigene nationale und berechtigte Interessen, unabhängig davon, ob syrische Flüchtlinge in der Türkei leben oder nicht. Es geht um die territoriale Integrität und um die Vertreibung von Terroristen von der Südgrenze der Republik Türkei.

4.) Die übertriebene Polemik von einigen wenigen türkischstämmigen Bürgern in Deutschland gegen syrische Flüchtlinge hat mittlerweile das Schema und das Niveau der Bild-Zeitung erreicht. Gerade wir, als die größte Minderheit in Deutschland, die tagtäglich der Diskriminierung ausgesetzt ist, sollten aufpassen uns nicht des Rassismus schuldig zu machen. Außerdem wird von einigen gerne das Vokabular der AfD bedient, womit man sich mit ihnen geistig auf eine Stufe stellt.

5.) Weil einige syrische Jugendliche feiern, sollen alle syrischen Flüchtlinge das Land verlassen. Das ist in höchsten Maße moralisch verwerflich und zeigt wieder Parallelen zu den verbalen Pogromen in Deutschland. Wenn ein Bürger mit türkischen Wurzeln in Deutschland eine Straftat begangen hat, kreischen alle Rassisten „Türken raus“. Damit setzen wir uns gleich mit diesen menschenverachtenden Antidemokraten.

6.) Die Flüchtlinge, die wohlhabend sind, haben in der Türkei Geschäfte und Produktionsstätten eröffnet und so zum Bruttoinlandsprodukt der Türkei ihren Beitrag geleistet. Ferner die vielen Flüchtlinge, die als preisgünstige Arbeitskräfte eingesetzt werde und so die Konkurrenzfähigkeit der türkischen Wirtschaft steigern.

Wir sollten aufpassen, dass wir bei unserem Kampf gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland nicht unsere Glaubwürdigkeit verlieren.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.