Start Panorama Gesellschaft "Freie Entfaltung der Persönlichkeit" Kommentar zum Kopftuch-Skandal an der Uni-Würzburg

"Freie Entfaltung der Persönlichkeit"
Kommentar zum Kopftuch-Skandal an der Uni-Würzburg

Mit Verlaub, eine offen islamfeindliche, das Selbstbestimmungsrecht der Frau verachtende Person kann nicht in der Lage sein, ihren Studierenden "Soziologie", eine Wissenschaft, die sich mit der empirischen und theoretischen Erforschung des sozialen Verhaltens befasst, zu vermitteln. Wie soll sie die Diversität und Pluralität als eine Bereicherung für eine Gesellschaft darstellen können? Ein Kommentar.

(Symbolfoto: pixa)
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Von Emel Erdem

Nun ist es also mal wieder so weit. Ein neuer Fall der Verletzung des Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit einer Kopftuch tragenden Frau wurde am gestrigen Donnerstag bekannt. Eine Professorin der Universität Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) diskriminiert und demütigt in ihrer Vorlesung vor allen anderen Studierenden im Hörsaal eine Studentin mit Kopftuch. Dies gibt die Grüne Jugend Würzburg (GJ) auf ihrer Webseite bekannt.

„Statt die Inhalte ihrer Vorlesung zu präsentieren, debattierte die Professorin über die Respektlosigkeit jeglicher Art von Kopfbedeckung in Vorlesungssälen und zeigte dabei auf eine einzelne Studentin, die aufgrund ihrer Religion ihre Kopfbedeckung nicht entfernen wollte. Dabei ist Müller-Brandeck-Bocquet der Meinung, dass selbst Kopftücher, die aus religiösen Gründen getragen werden, respektlos seien und vom Inhalt der Vorlesung ablenken.

Selbst als mehrere Studierende sie auf die Religionsfreiheit verwiesen, wiederholte sie, dass eine solche in der Gesellschaft herrschen kann, aber nicht in der Wissenschaft. Laut Müller-Brandeck-Bocquet werde ihre Vorlesung in einem säkularen Raum praktiziert, in dem die Religion nicht hineingehöre“, heißt es auf der Seite der GJ.

Ein Großteil der KomilitonInnen der betroffenen Studentin hätten daraufhin aus Solidarität mit ihr den Hörsaal verlassen.

Wenn eine Vertreterin der Wissenschaft, ein Vorbild für angehende AkademikerInnen ihre Islamophobie offen und hemmungslos ausleben kann, wie soll man dann Otto Normalbürger klarmachen, dass in diesem Land noch immer Religionsfreiheit herrscht, die Würde des Menschen unantastbar ist, dass niemand diskriminiert werden darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen und seiner Behinderung? Diese Frau hat die Grundrechte eines Menschen mit Füßen getreten.

Ich hoffe und erwarte, dass die Aussagen von Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Inhaberin der Professur für Europaforschung und Internationale Beziehungen sowie geschäftsführender Vorstand des Instituts für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Würzburg nicht ohne Konsequenzen für dieselbe bleiben.

Was bringt ein ellenlanger Titel, wenn die Menschlichkeit der Titelinhaberin flöten gegangen ist? Laut Wikipedia ist Soziologie „eine Wissenschaft, die sich mit der empirischen und theoretischen Erforschung des sozialen Verhaltens befasst, also die Voraussetzungen, Abläufe und Folgen des Zusammenlebens von Menschen untersucht.“

Mit Verlaub, eine offen islamfeindliche, das Selbstbestimmungsrecht der Frau verachtende Person kann nicht in der Lage sein, ihren Studierenden oben Genanntes professionell zu vermitteln. Wie soll sie die Diversität und Pluralität als eine Bereicherung für eine Gesellschaft darstellen können?

Laut „Focus“ hat die Dozentin nun in einem Statement ihr Bedauern über „die Vorkommnisse in ihrer Vorlesung“ zum Ausdruck gebracht. Sie bedaure „die Aufregung und die Missverständnisse, die sich aus der Artikulation ihrer persönlichen Missbilligung ergeben haben“.

Statt dass sie zu ihren Aussagen steht, rudert sie nun also zurück. Welche Lehre, welche Konsequenzen zieht sie aus den so genannten Vorkommnissen? Wie gedenkt sie, in Zukunft mit Hijabis in ihren Veranstaltungen umzugehen? Ist das Kapitel für die Universitätsleitung mit dieser Erklärung abgeschlossen?

Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass die Universität sich ganz klar auf der Seite der Studentin positioniert hat. Sie verweist in der schriftlichen Erklärung auf das „selbstverständliche Prinzip“ der Religionsfreiheit, berichtet die „Welt“. Es gebe keine Vorschriften, die das Tragen von Kopftüchern untersagen. Ein Verständnis für unterschiedliche Kulturen und Nationalitäten gehöre zum Leitbild der Universität, heißt es weiter in der Meldung.

Ich persönlich muss die ganze Zeit an die Studentin denken, wie es ihr wohl geht, wie sie damit klar kommt und wie sie weiter vorgehen möchte.

Und ich verneige mich vor den Studierenden, die sich solidarisch mit ihrer Kommilitonin zeigten und den Hörsaal verließen!

Nachtrag: Prof. Müller-Brandeck-Bocquet hat Berichten zufolge am heutigen Freitag bekannt gegeben, dass sie sich persönlich bei der Studentin entschuldigen und den Vorfall in der nächsten Vorlesung thematisieren wolle. In den sozialen Medien gehen die Meinungen der Musliminnen über diese neue Entwicklung auseinander.

Britta Bernardi ist optimistisch. „Inzwischen glätten sich die Wogen“, schreibt sie. Die Professorin habe mitgeteilt, sie wolle sich persönlich bei der Studentin entschuldigen. „Das ist für mich ein gutes Zeichen, zeigt es doch, dass es trotz der aufgeheizten Debatte möglich ist, Fehler einzugestehen“, so Bernardi weiter. „Das wird den Hardlinern, die das Kopftuch am liebsten unsichtbar machen wollen, überhaupt nicht passen.“

Tin Shoki ist eher skeptisch. „Eine Entschuldigung reicht mir nicht“, betont sie. „Eine Studentin öffentlich so zu diskriminieren und bloßzustellen halte ich nicht für entschuldbar. Das war keine Forderung von einem am Stammtisch Sitzenden, der eins über den Durst getrunken hat. Das war eine hochausgebildete Professorin, die sich ihrer Worte bewusst sein sollte. Was geschieht mit einer Seele, die immer wieder solchem Hass ausgesetzt ist?“, fragt sie sich und ergänzt:

„Das hätte auch eine meiner Töchter betreffen können. Eine Professorin sollte verstehen, dass es einen Unterschied zwischen modischer und religiöser Kopfbedeckung gibt. Das mit fehlendem Anstand gleichzusetzen ist unerhört und ignorant.“

„Und man wundert sich noch über ‚Radikale‘, die unseren Islam mit ihren kranken Herzen als gewalttätig auslegen?“, fragt Sahira Awad. „Ganz ehrlich, ich wundere mich schon lange nicht mehr! Hass erzeugt nunmal Gegenhass“, lautet ihre Schlussfolgerung.