Köln – Die Abteilung Seelsorge des Referats für Familie und Soziales der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) startet eine Krankenhausseelsorgerausbildung zur seelischen Unterstützung von Patienten in Hospitälern in Deutschland. Die Ausbildung fußt auf einer curricular-inhaltlichen und akademisch-fachlich standardisierten Qualifizierung. Das Projekt wurde nun im Rahmen einer Auftaktveranstaltung in der DITIB-Zentrale in Köln vorgestellt.
In dem wissenschaftlichen Beirat, das für das Curriculum wie auch für die Lehre zuständig ist, befinden sich Personen, die ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiete sind. Zu ihnen zählen unter anderem Prof. Dr. Abdullah Takım (Universität Innsbruck), Prof. Dr. Cemal Tosun (Universität Ankara), Dr. Georg Wenz (Evangelische Akademie Pfalz), Dr. Mahmoud Abdallah (Universität Tübingen) und Ayşe Almıla Akca (Humboldt-Universität zu Berlin).
Wunsch nach Seelsorgern des eigenen Bekenntnisses immer wichtiger bei Muslimen
Bei der Auftaktveranstaltung zur Vorstellung des Projekts „Ausbildung zur islamischen Seelsorge“ wurde angekündigt, dass das Ziel des Angebots darin besteht, Seelsorgerinnen und Seelsorger auszubilden, die den Heilungsprozess von muslimischen Patienten nicht nur mit religiösen und spirituellen Methoden, sondern auch mit wissenschaftlichen und praktischen Anwendungen positiv begleiten und beeinflussen können. „Die Erfüllung des Wunsches nach einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin seines Bekenntnisses spielt für viele muslimische Patienten eine wichtige Rolle“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der DITIB, Abdurrahman Atasoy.
Weiter erklärte er: „Insbesondere im Kontext des Krankenhauses, in denen das menschliche Leid und der Tod präsente Themen sind, ist eine professionelle und patientenorientierte Seelsorge in Trägerschaft der Religionsgemeinschaften von großer Bedeutung für den Heilungsverlauf, und gibt zudem Impulse in die Gestaltungsmöglichkeiten des Klinikalltags, -aufenthalts und –umfelds“.
Spiritueller Wegweiser für Muslime in schwierigen Zeiten
Der Leiter und Projektkoordinator der Abteilung Seelsorge der DITIB, Seat Uzeirovski sprach von einem historischen Tag und bedankte sich bei den verschiedenen Arbeitsgruppen sowie dem wissenschaftlichen Beirat. „Aus diesem Bedarf heraus startet die DITIB ab September 2022 mit der Seelsorgeausbildung von 14 Theologinnen und Theologen in der Krankenhausseelsorge.“
Das Curriculum, das aus 12 Unterrichtsmodulen mit über 400 theoretischen und praktischen Unterrichtseinheiten entwickelt wurde, richte sich nach ihren Inhalten und zu vermittelnde Fachkompetenzen an den Bedürfnissen und Wünschen der Muslime in Deutschland, so Uzeirovski. „Da sich die Dienste in den Moscheen von der Geburt bis zum Tod erstrecken, kann und muss Krankenhausseelsorge als ein Teil davon verstanden werden.“ Damit diene die Krankenhausseelsorge durch die DITIB als ein spiritueller Wegweiser für Muslime in schwierigen Zeiten.
Islamische Seelsorge in Europa noch relativ neu
Dr. Mahmoud Abdallah, Dozent am Zentrum für islamische Theologie der Universität Tübingen sprach davon, dass Seelsorge sich dann entfalten könne, wenn sie in Sprache formuliert werde. Er gebe seine Erfahrungen in der Seelsorge, die er in zahlreichen Publikationen veröffentlicht habe, gerne weiter. „In Europa ist die islamische Seelsorge neu.“
Islamische Seelsorge ist zukunftsweisend
Dr. Georg Wenz von der evangelischen Akademie der Pfalz erklärte, dass er seit vielen Jahren im Bereich der interkulturellen und interreligiösen Zusammenarbeit tätig sei, und dass das Thema der islamischen Seelsorge, insbesondere die Notfallseelsorge, schon seit Jahren auf der Agenda des Bundes, der Länder und Kommunen stehe.
„Bisher wurde die Notfallseelsorge durch Einzelinitiativen oder lokalen Kontakte ermöglicht. Es gab leider keine Koordination.“ Nachdem die Deutsche Islam Konferenz (DIK) das Thema auf die Tagesordnung setzte, sei ein Schub entfacht worden. „Islamische Seelsorge ist zukunftsweisend und die Anstaltsseelsorge muss nach unserer Verfassung an eine Religionsgemeinschaft gebunden sein“, so der Experte. „Die Absolventen der Ausbildung werden Pioniere und Multiplikatoren sein“, sagte Wenz.
Synergieeffekt
Prof. Dr. Cemal Tosun von der philosophischen und theologischen Fakultät der Universität Ankara sagte, dass Seelsorge in der klassischen islamischen Wissenschaftstradition bis vor kurzer Zeit noch wenig Beachtung fand. Dies habe sich glücklicherweise geändert, so dass immer mehr Universitäten in der Türkei Studiengänge in dem Bereich anbieten. „Die Seelsorge ist ein praxisorientiertes Feld. Zur Etablierung der Seelsorge als Wissenschaft wird es Synergieeffekte benötigen. Beispielsweise biete es sich gerade in der islamischen Seelsorge an, dass die Theorie aus der Praxis gewonnen werden könne.
Ein Meilenstein für die DITIB
Zuletzt wandte sich Prof. Dr. Abdullah Takım von der Fakultät für islamische Theologie der Universität Innsbruck an das Publikum. Die Krankenhausseelsorge sei ein Meilenstein für die DITIB, so Takım, der die DITIB an diesem historischen Tag für ihr zukunftsweisendes Pilotprojekt beglückwünschte. „Es gab einen Bedarf. Und hierauf musste reagiert werden.
Die DITIB schafft nun die Voraussetzungen für die Seelsorgearbeit“, freute sich der Theologieprofessor. Die Seelsorgearbeit bedeute eine institutionelle Integration in Deutschland. „Die DITIB hat mich beauftragt, eine standardisierte, professionelle, wissenschaftsbasierte und modulare Seelsorgeausbildung zu erarbeiten“, sagte Takım und ging ausführlich auf den Kern des Curriculums sowie die verschiedenen Unterrichtsmodule ein. Darin erklärte Takım die Methoden, Kompetenzen, Lernziele und Inhalte der Lehrveranstaltungen.
(ybas)
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