Baierbrunn – Fast jeder Zweite ab 75 fährt noch selbst Auto. Doch ab wann steigt das Unfallrisiko? Und wie lässt sich die Fahrkompetenz feststellen? Im Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“ geben Expertinnen und Experten Einblick in die komplexe Thematik.
Fahrtauglichkeit individuell feststellen
Siegfried Brockmann, Unfallforscher und Vizepräsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats in Berlin, hält die aktuelle Diskussion über eine Altersgrenze von 70 für zu früh angesetzt. Erst ab 75 gibt es ein deutlich höheres Risiko eines selbst verschuldeten Unfalls mit Personenschaden. Brockmann befürwortet dann Testfahrten von mindestens 45 Minuten in Begleitung eines Experten. „Auf Basis der Rückmeldung unter vier Augen sollte jeder eigenverantwortlich entscheiden, was beim Autofahren noch geht. Oft können Verhaltensänderungen oder Training das Fahren sicherer machen.“
Fahrverbote sieht Ingrid Dänschel, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Hausärztin in Lunzenau bei Leipzig, als letztes Mittel. Um die Fahrtauglichkeit zu beurteilen, benutzen Ärztinnen und Ärzte zwar einen speziellen Tauglichkeitskatalog, entschieden wird aber immer individuell anhand der gesundheitlichen Gesamtsituation.
„Auch bei gesundheitlichen Einschränkungen ist nicht immer ein vollständiges Fahrverbot nötig. Manchmal ist das Fahren in gewissen Grenzen möglich, etwa Strecken bis zehn Kilometer.“ Wenn es die Gesundheit erfordert, kann und muss Dänschel als Ärztin ein Fahrverbot aussprechen, auf Dauer oder vorübergehend. Passiert ein Unfall, weil man trotzdem gefahren ist, riskiert man den Versicherungsschutz und kann den Führerschein verlieren, so Ingrid Dänschel.
Assistenzsysteme im Auto nutzen
Pauschal sagen, dass jemand wegen des Alters nicht mehr fahren soll, kann man aber nicht sagen. „Es gibt viele, die mit 75 sehr gut und sicher fahren“, sagt Dr. Katja Schleinitz, Verkehrspsychologin und Fachbereichsleiterin einer Arbeitsgemeinschaft von TÜV/DEKRA in Dresden. Viele ältere Fahrer meiden intuitiv riskante Situationen, fahren nur am Tag oder meiden Autobahnen, so Schleinitz in der „Apotheken Umschau“. „Assistenzsysteme in neueren Autos erhöhen nachweislich die Verkehrssicherheit. Ich empfehle, sich die Bedienung im Autohaus von Fachleuten zeigen zu lassen und die Systeme auch zu nutzen.“
Übrigens: Auch Medikamente können die Fahrsicherheit beeinflussen. So wirken beispielsweise Schlafmittel bis in den nächsten Tag. Aufpassen sollte man auch, wenn Dauermedikamente neu eingestellt wurden, etwa Herz-Kreislauf-Mittel. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Arzneien, die die Fahrsicherheit gefährden können. Die Apotheke kann dazu beraten. Tipp: Viele Fahrschulen bieten Rückmeldefahrten oder Fahrfitness-Checks an. Die Kosten betragen meist zwischen 75 und 100 Euro. Am besten bei Fahrschulen vor Ort erkundigen oder beim ADAC nach Adressen fragen.