Start Politik Ausland Gaza-Krieg „Manchmal ist es notwendig zu töten, um das Morden zu verhindern“

Gaza-Krieg
„Manchmal ist es notwendig zu töten, um das Morden zu verhindern“

Yücel: "Der Terrorismus der Hamas war und ist nicht die Begründung der gegenwärtigen Untaten, sondern lediglich eine willkommene Rechtfertigung."

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ein Gastkommentar von Nabi Yücel

„Manchmal ist es notwendig zu töten, um das Morden zu verhindern“. Über diesen markanten Spruch sinnierten im SPIEGEL-Talk der Historiker Michael Wolffsohn und die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal. Beide entschieden damit gottgleich über das Leben anderer Menschen; der Palästinenser. Nichts Neues im Westen!

Es gibt Ereignisse der jüngeren Geschichte, die lassen auch jetzt noch einem keine Ruhe, weil es in Erinnerung ruft, wie es beginnt und endet. Und die Tatsache, dass Israel derzeit von einer kleinen Gruppe fanatischer rechtsextrem-religiöser Parteien geführt wird und seit Jahren Araber in Israel unter der Apartheid leiden, Palästinenser in besetzten Gebieten Grausamkeiten ausgesetzt sind, zeigt, dass der Expansionskurs – ich sage inzwischen Panzionismus – nach der Nakba fortgesetzt wird.

Nie lagen hehre Ziele des Wertewestens und höllische Realität weiter auseinander als in Israel. Das sticht gegenwärtig markant hervor. Deswegen muss man sich über den Götter-Diskurs im SPIEGEL-Talk auch nicht wirklich wundern, deren Motto lautet: wer bis drei den Gazastreifen nicht verlassen hat, ist selbst Schuld. Der Terrorismus der Hamas war und ist nicht die Begründung der gegenwärtigen Untaten, sondern lediglich eine willkommene Rechtfertigung. Nimmt man nämlich die idealistische Spitze weg, die viele kriegslüsterne Aktivisten in Deutschland der israelischen Regierung andichten, so bleibt der nackte Terror übrig, den wir heute Live verfolgen können.

Palästina war, schon bevor Israel gegründet wurde, ein Gewaltraum. Ein Raum in der Palästinenser zu Brettfiguren reduziert wurden, die man nach belieben verschieben, umstoßen, aus dem Brett beiseiteschieben konnte. Das Gewaltmonopol lag bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg in der Hand von politischen Revolutionären, deren Konterfei in Fahndungslisten im britischen Mandatsgebiet ausgehängt wurden; damals als Terroristen gesucht, heute Helden Israels.

Sie ergriffen die Gelegenheit und setzten sie mit unvorstellbarer Gewalt gegen alle Widersacher durch. Die Machtergreifung der ersten Generation von Israelis in Palästina hatte nur zu einem Zeitpunkt erfolgen können, als keine Institution, keine Regel, kein zivilisatorischer Rahmen mehr funktionierte oder von der UN wie auch der zivilisierten Wertegemeinschaft durchgesetzt wurde. Auch gegenwärtig gelten keinerlei Regeln, keinerlei zivilisatorische Rahmenbedingungen, an die sich die israelische Regierung zu halten hat. Es wurde ihr schon bei der Gründung des Staates in die Wiege gelegt.

Wenn die erste Generation der Israelis keine Probleme mit hohen Opferzahlen hatte, weil sie damit durchkamen, wieso sollten die nächsten Generationen in Israel Mitleid oder gar Mitgefühl mit Palästinensern hegen? Sie, die Extremisten und Konservativen in Israel, brauchen den religiösen Militarismus, um ihre „Feinde“ zu überwinden, wie damals vor dem UN-Teilungsplan für Palästina bis zum Waffenstillstand, währenddessen die israelische Staatsgründung erfolgte. Und, sie brauchen diesen Militarismus auch heute und in Zukunft, um einen zusammenhängenden Staat zu erreichen. Darin hatten und haben Palästinenser, schon gar nicht Palästina in Zukunft einen Platz.

Weshalb erwarten wir dann ausgerechnet von Europa und den Vereinigten Staaten, von diesen Wertegemeinschaften mit hehren Anforderungen und Zielen gegenüber Drittländern, dass sie angesichts der Massaker, Gräueltaten, Völkerrechtsbrüchen und Kriegsverbrechen einschreiten? Was konnten diese zivilisierten Wertegemeinschaften bislang erreichen, außer Israel Zeit zu verschaffen, um dann den Tatsachen ins Auge zu sehen?

Gewalt war und ist für Israel selbstverständlich. Sie ist ein Teil der Landesgeschichte und folglich ein so normales Mittel der Politik, dass es keinerlei Rechtfertigung braucht und sich nicht erklären muss. Das machen schon andere für Israel. Von den Einzelschicksalen vertriebener Berber und Palästinenser mal abgesehen, kann man die Monotonie der palästinensischen Opferzahlen nach Terror und Willkürherrschaft, die nüchtern heruntergespult werden und immer sofort in die Tausende gehen, nicht wirklich verstehen.

Auch dann nicht, wenn ausgerechnet Historiker und Menschenrechtsaktivisten als moralische Autoritäten das Töten für gerechtfertigt halten, um in Zukunft das Töten zu verhindern. Diese Autoritäten in Deutschland, Europa und USA sehen wie Israel alle Palästinenser als potenzielle Widerstandskämpfer und deshalb ist das auch nicht wirklich verwunderlich, wie sie reagieren und was sie von sich geben.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


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