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Meinung
Wahlverhalten von Bürgern mit türkischen Wurzeln hat nichts mit Integration zu tun

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas erklärte einmal in einem Interview, dass die „Wahlbeteiligung ein wichtiger Indikator für die Gesundheit der Demokratie“ darstellt und wenn diese rückläufig sei, werde das „Gebot der Gleichheit“ verletzt.

Türkische Wähler vor der Essener Grugahalle. (Foto: Mustafa Özen)
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von Kemal Bölge

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas erklärte einmal in einem Interview, dass die „Wahlbeteiligung ein wichtiger Indikator für die Gesundheit der Demokratie“ darstellt und wenn diese rückläufig sei, werde das „Gebot der Gleichheit“ verletzt.

Wenn man diese Feststellung auf die bisherige Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger bei der anstehenden Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei anwendet, spricht die hohe Wahlbeteiligung für die These des Professors für Politikwissenschaft.

Am gestrigen Sonntag bildete sich eine große Menschenschlange vor dem türkischen Konsulat in Frankfurt. In den anderen türkischen Vertretungen dürfte es ähnlich sein. Viele Wählerinnen und Wähler wollten diesen sonnigen Maitag mit einem Hauch von Sommer nutzen, um mit ihrer Stimme den 13. Präsidenten der Türkei zu bestimmen. Zu wichtig erscheint vielen diese Wahl, denn der Präsident bestimmt die wesentlichen Richtlinien der türkischen Politik.

Hierzulande meldete sich ein dauernörgelnder Professor aus Duisburg, der meinte, dass die aus dem ersten Wahlgang resultierenden vielen Stimmen für den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Zeichen der gescheiterten Integration in Deutschland sei. Man fragt sich zwangsläufig, was die Integration in die deutsche Mehrheitsgesellschaft mit einer demokratischen Wahl zu tun hat, bei dem Wahlberechtigte mit türkischem Pass abstimmen können.

Zur Demokratie gehört die Meinungsbildung, lernen Kinder und Jugendliche bereits in der Schule. Wenn ein in Deutschland lebender Bürger mit türkischem Pass sich bei der Präsidentenwahl in der Türkei für den Kandidaten A entschieden hat, resultiert das aus der Meinungsbildung der Person. Niemand in Deutschland hat das Recht, Menschen mit türkischen Wurzeln mangelnde Integration vorzuwerfen, weil sie eine bestimmte Partei oder Kandidaten bei den Wahlen in der Türkei gewählt haben.

Wer so etwas verlautbart, hat nicht verstanden, was Demokratie bedeutet. Hätte der erwähnte Duisburger Politologe genauso reagiert, wenn Kılıçdaroğlu die Wahlen in der ersten Runde für sich entschieden hätte? Wohl kaum, denn die meisten deutschen Medien hatten einen Sieg von Kılıçdaroğlu vorhergesagt bzw. sich gewünscht. Diese Sichtweise deckt sich mit der Außenpolitik der Bundesregierung gegenüber der Türkei.

Die Grünen hatten sich wieder einmal weit aus dem Fenster gelehnt und zur Abwahl von Präsident Erdoğan aufgerufen. Es passt ins Bild, wenn „Demokratieförderer“ wie die Grünen ein verfassungsfeindliches Gebilde wie die HDP/YSP unterstützen, die als politischer Arm der Terrororganisation PKK gilt.

Wenn ein türkisches Regierungsmitglied sich in den deutschen Wahlkampf einmischen würde, wäre der Aufschrei in Deutschland zu Recht sehr groß. Deshalb ist es falsch, wenn Parteien wie die Grünen oder Regierungsmitglieder der Ampel-Koalition bestimmte Parteien in der Türkei unterstützen oder parteiliche Aussagen dazu tätigen.

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