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Gastbeitrag
Türkei: Der Fall Nuri Gökhan Bozkır und Necip Hablemitoğlu

In Zusammenhang mit dem Mord an Necip Hablemitoğlu im Jahre 2002 hat der türkische Nachrichtendienst MIT den ehemaligen türkischen Offizier Nuri Gökhan Bozkır nach einer langen Odyssee in der Ukraine dingfest gemacht und Heim gebracht.

Der mutmaßliche Täter Nuri Gökhan Bozkır bei seiner Festnahme am 27. Januar 2022
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

In Zusammenhang mit dem Mord an Necip Hablemitoğlu im Jahre 2002 hat der türkische Nachrichtendienst MIT den ehemaligen türkischen Offizier Nuri Gökhan Bozkır nach einer langen Odyssee in der Ukraine dingfest gemacht und Heim gebracht. Wer konnte ahnen, dass dieser Waffendealer u.a. das Treiben des ehemaligen türkischen Chefredakteurs Can Dündar konterkariert?

Spulen wir doch etwas zurück. Hintergrund war ein geheimer Munitionstransport des türkischen Nachrichtendienstes nach Syrien mit Hilfe von drei Lastwagen, das am 19. Januar 2014 von der türkischen Gendarmerie in Ceyhan gestoppt und durchsucht worden war. Can Dündar, damals Chefredakteur der Cumhuriyet berichtete im Mai 2015, über ein Jahr später, über den Vorfall und veröffentlichte Bild- und Filmmaterial der Durchsuchung. Die Schlagzeile lautete damals sinngemäß: „Das sind die Waffen, von denen Erdoğan behauptet, sie existierten nicht!“

Die türkische Regierung erklärte daraufhin, es handele sich um eine Hilfslieferung der İnsan Hak ve Hürriyetleri ve İnsani Yardım Vakfı (İHH) für die Turkmenen in Syrien. Später, nach dem Can Dündar erste Andeutungen in Richtung „Islamistische Kämpfer“ machte, erklärte die Regierung, mit den Lieferungen turkmenische Rebellengruppen bewaffnet zu haben, die gegen den syrischen Diktator Assad kämpfen. In Europa übernahmen daraufhin Medien und gewisse politische Kreise die Behauptung von Can Dündar, Erdogan würde „islamistische Gruppen“, sozusagen die IS, mit Waffen beliefern.

Dabei sehen diese Medien bislang geflissentlich darüber hinweg, dass die EU und auch die USA insgeheim selber seit 2013 oppositionelle Rebellengruppen mit Waffen belieferte, darunter Frankreich, Großbritannien oder auch Deutschland. Was also im Westen als Opposition verkauft wird, wird in Bezug zur Türkei mit „Islamismus“ und „IS“ gleichgesetzt.

Can Dündar, der wegen dieser Behauptung sich erst vor Gericht rechtfertigen musste, dann ins Exil ging, konnte diese Geschichte aber auch nicht in Europa aufrechterhalten. In mehreren öffentlichen Auftritten widersprach sich Dündar, in dem er seine damaligen Aussagen und Zeitungsberichte notgedrungen korrigierte – u.a. am 26.06.2018 bei der TV-Talkshow „Markus Lanz“, wo er auf konkrete Nachfrage hin erklärte, „…wir haben keine Belege, dass die IS die Waffen bekommen hat.“

Wer konnte ahnen, dass die Wahrheit Can Dündar weiter verfolgen wird, als ihm lieb sein kann! Dieses Jahr wurde der ehemalige unehrenhaft entlassene türkische Offizier Nuri Gökhan Bozkır vom türkischen Nachrichtendienst in einer Nacht und Nebelaktion aus der Ukraine in die Heimat verfrachtet. Bozkır hatte zuvor vergeblich versucht, mit einem Asylantrag der Auslieferung zu entgehen, nachdem ukrainische Gerichte sich mit dem Auslieferungsantrag der türkischen Justiz befasst hatten und signalisierten, diesem Begehren entgegen zu kommen.

Bis dahin war Nuri Gökhan Bozkır medial ein ungeschriebenes Blatt. Sein Name tauchte erstmals Ende 2015 in Zusammenhang mit der Ermordung des Akademikers Necip Hablemitoğlu auf. Die türkischen Ermittler hatten herausgefunden, dass das Handy bzw. dessen Signal das am Tattag in der Nähe des Tatorts festgestellt werden konnte, von Bozkır persönlich benutzt wurde. Zeitnah setzte sich daraufhin Bozkır in die Ukraine ab.

Mai 2019, nach der Intensivierung der Ermittlungen im Mordfall Hablemitoğlu – auch weil der Fall an sich der Verjährung zum Opfer gefallen wäre, übermittelte die türkische Justiz über das Außenministerium ein Auslieferungsantrag an die ukrainischen Behörden. Damit begann auch die juristische Gegenwehr von Nuri Gökhan Bozkır gegen die Auslieferung.

Letztendlich kann man mit Fug und Recht behaupten, dass das von Nuri Gökhan Bozkır benutzte Handy sich in der Tatzeit in der Nähe des Tatorts befand. Das geht aus damaligen wie auch gegenwärtigen Zeitungsberichten hervor. Bozkır befand sich also seit 2015 in der Ukraine und erst als seiner Auslieferung offenbar nichts mehr im Wege stand bzw. Bozkır befürchten musste, der türkische Nachrichtendienst könnte ihn gegen den Willen in die Türkei verschleppen, da sah er sich angeblich gezwungen, sein Wissen preiszugeben und damit die türkische Regierung unter Druck zu setzen.

So setzte sich Nuri Gökhan Bozkır mit einer ukrainischen investigativen Plattform namens „Strana“ in Verbindung, die erst im Oktober 2020, dann im November 2020 seinen Schilderungen ausführlich Gehör schenkte. Demnach habe Nuri Gökhan Bozkır Waffen mithilfe des türkischen Nachrichtendienstes MIT nach Syrien geschmuggelt, nach dem er finanziell von Katar bzw. Saudi Arabien ausgestattet, die Waffen aus ehemaligen Ostblockländern besorgt habe.

Diese Berichte von „Strana“ wurden erst jetzt in diesem Jahr von der Deutschen Welle aufgeschnappt und wiedergegeben. Mit diesen Berichten gehen nun bestimmte Kreise gegen die türkische Regierung erneut in Stellung, ohne dabei zu ahnen oder sich dessen bewusst zu sein, welches Lügenkonstrukt sie dabei weiterhin aufrechterhalten: „Die türkische Regierung hat in Syrien islamistische Rebellen mit Waffen beliefert.“

Oskar Lafontaine sagte einst: „Wenn es stimmt, dass Lügen kurze Beine haben, dann kann die ganze Regierung unter dem Teppich Fallschirm springen.“

Zum Beispiel twittert nun Eren Güvercin, ein Newcomer der sogenannten kritischen Reflektion der Erdoganischen Regierung, Bozkır habe Waffen gekauft, die der türkische Nachrichtendienst an „z.B.“ „islamistische Rebellengruppen“ geliefert habe. „Als er jetzt darüber anfing zu sprechen, wurde er zur Gefahr für das #Erdogan-Regime.“

Offenbar hat Güvercin die Geschichte nicht ganz verfolgt und setzt unwissentlich die Mär über Waffenlieferungen der Türkei an sogenannte „islamistische Rebellengruppen“ fort oder er setzt sich über das allgemeine Wissen hinweg und betreibt Demagogie auf höchstem Niveau. Denn, Bozkır hat gegenüber der „Strana“ mit keiner Silbe erwähnt, Waffen seien an „islamistische Rebellengruppen“ geliefert worden. Er beteuert nur, dass die Waffen an turkmenische Rebellen gingen, die in der Opposition gegen Assad kämpfen. Außerdem betont er dabei auch, dass die ersten Lieferungen an Turkmenen aus Hilfslieferungen bestanden, sozusagen aus Nahrung und Hygienematerial, was die ersten Erklärungsversuche der türkischen Regierung nach der Veröffentlichung von Can Dündar von 2015 stützt.

Zweitens ist aus dem Bericht der Deutschen Welle auch – die wohl zähneknirschend die halbe Wahrheit wiedergaben – zu entnehmen, dass Bozkır dann anfing auf eigene Rechnung Waffen zu liefern, weshalb die türkischen Sicherheitsbehörden dem ein Riegel schoben und Bozkır aus dem Verkehr zogen. Drittens wird gegen Bozkır seitens türkischer Sicherheitsbehörden seit 2015 ermittelt. Seit Mai 2019 gibt es einen offiziellen Auslieferungsantrag, aber Bozkır fing erst viel später damit an, bei „Strana“ auszupacken – sprich November 2020 – um der möglichen Auslieferung zu entkommen, in dem er in der Ukraine das als Asylgrund angeben und auch damit begründen kann.

Wie Eren Güvercin und mittlerweile Cem Özdemir, Can Dündar, Erk Acarer oder die Deutsche Welle das auch immer drehen und wenden, es sind auf Anhieb so viele Ungereimtheiten und Fehler zu entdecken, dass man sich schon fragt, wessen Geistes Kinder das eigentlich sind, die ein Märchen nach dem anderen in die Welt setzen oder geflissentlich wichtige Kerninformationen auslassen, ohne dabei rot zu werden. Wie schon Lafontaine sagte: „Wenn es stimmt, dass Lügen kurze Beine haben, dann kann diese Gruppe unter dem Teppich Fallschirm springen.“


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar


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