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Griechenland
Türkische Städtenamen und die demografische Entwicklung in Westthrakien

Vor etwas mehr als 100 Jahren stellte die türkische Volksgruppe in Westthrakien die Bevölkerungsmehrheit. Durch die systematische Ansiedlung von Griechen aus anderen Landesteilen Griechenlands und Pontus-Griechen aus der ehemaligen Sowjetunion wurde die türkische Volksgruppe zur Minderheit im eigenen Land.

Iskece/Xanthi in Griechenland. (Foto: Muftiamt/Xanthi/Iskece)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge

Vor etwas mehr als 100 Jahren stellte die türkische Volksgruppe in Westthrakien die Bevölkerungsmehrheit. Durch die systematische Ansiedlung von Griechen aus anderen Landesteilen Griechenlands und Pontus-Griechen aus der ehemaligen Sowjetunion wurde die türkische Volksgruppe zur Minderheit im eigenen Land.

Hier ein Vergleich der Bevölkerungszahl aus dem Jahr 1896. Damals lebten im Sandschak des Osmanischen Reiches in Gümülcine (das heutige Komotini), Dedeağaç (Alexandroupolis), Edirne und Selanik (Thessaloniki) 206.914 türkische Muslime, 20.671 Bulgaren, 15.241 Griechen, 912 Roma, 360 Armenier, 339 Juden und 235 Ausländer.

Tabelle aus Alp, Ilker: Batı Trakya Türkleri (S. 615).

Der Begriff Kaza steht im Deutschen für Landkreis. Die Zahlen sind nach den entsprechenden Landkreisen und Bevölkerungsgruppen aufgeteilt. Bei der türkischen Bevölkerungsgruppe ergibt sich eine Gesamtbevölkerung von 129.120, die griechische Volksgruppe mit 33.910, die Bulgaren mit 26.266, die Juden 1.480 und die Armenier 923.

Bevölkerungsverschiebung begann bereits in den 20er-Jahren

Anhand der dritten Tabelle wird die demografische Entwicklung der türkisch-muslimischen und griechischen Bevölkerungsgruppen in Westthrakien noch deutlicher. Für Leser, die der türkischen Sprache nicht mächtig sind, möchte ich diese Tabelle erläutern. Ganz links sind die Jahre angegeben und gleich rechts die Bevölkerungsentwicklung in Griechenland insgesamt. Rechts davon ist die Gesamtbevölkerungszahl Westthrakiens aufgelistet, daneben die Bevölkerungszahl der türkisch-muslimischen Bevölkerung. Rechts ist der prozentuale Anteil der türkisch-muslimischen Bevölkerung und ganz rechts der griechische Bevölkerungsanteil in Westthrakien und der prozentuale Anteil.

Ich hatte zu Beginn dieses Artikels die Auffassung vertreten, dass die türkische Minderheit, die einst die Bevölkerungsmehrheit in Westthrakien stellte, heute zur Minderheit im eigenen Land geworden ist. Diese These wird durch die Tabelle (S. 103) des Akademikers Ahmet Serdar bestätigt, weil durch die Ansiedlung von Griechen bereits in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und in den 90er-Jahren aus der ehemaligen UdSSR mittlerweile die griechische Bevölkerung die Mehrheit in Westthrakien stellt.

Griechenland setzt Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht um

Zur türkisch-muslimischen Minderheit in Westthrakien: Es gibt dazu zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), bei dem die ethnische und religiöse Identität der türkisch-muslimischen Minderheit seitens des Gerichts anerkannt wurde. Leider weigert sich Griechenland seit nunmehr 14 Jahren, die Urteile des höchsten europäischen Gerichts umzusetzen. Griechenland nimmt EU-Gelder gerne in Anspruch, aber wenn es darum geht, Urteile des EGMR umzusetzen, weigert sich Athen, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Griechenland ist das einzige Land in Europa, das ethnische Minderheiten nicht anerkennt.

Pomaken sind türkischer Herkunft

Griechische Regierungen haben in Westthrakien stets nach der lateinischen Redewendung „Divide et impera“ (Teile) gehandelt und versuchen die Bevölkerungszahl der türkischen Volksgruppe klein zu halten. Es ist immer von „muslimischen Griechen“ die Rede, obwohl sich die Türken in Westthrakien zu ihrer türkischen Identität bekennen. Dann werden die Türken noch einmal in Pomaken und Roma unterteilt. Pomaken haben von ihrer Herkunft betrachtet türkische Wurzeln. Wenn sich jemand als Roma betrachtet, ist das in Ordnung, aber man kann meines Erachtens die Menschen nicht zwingen, eine ethnische Identität anzunehmen, die sie gar nicht wollen.

Westthrakien gehört zu den ärmsten Regionen der EU

Die Regionen Westthrakien und Ostmazedonien gehörten nach einer Meldung der griechischen Zeitung Kathimerini 2017 zu den ärmsten Regionen in Griechenland. Demnach haben diese beiden Regionen das geringste Bruttosozialprodukt (46 pct). 4 von 13 Regionen Griechenlands gehören EU-weit zu den 20 ärmsten Regionen in den Mitgliedsstaaten der EU.

Ostmazedonien und Thrakien rangieren auf dem 11. Platz, gefolgt vom Epirus auf dem 13. Platz, die nördliche Ägäis auf Rang 14 und Westmazedonien auf dem 17. Platz. Die Gesamtstaatsverschuldung Griechenlands stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2021 auf 366,26 Milliarden Euro und soll bis 2026 auf 379,49 Milliarden Euro ansteigen. Immer mehr Menschen wandern vom Land in die Städte und von ärmeren Regionen in Städte, in dem das Bruttoinlandsprodukt höher bzw. die Aussicht auf Arbeit wahrscheinlicher ist. Diese Entwicklung trifft nicht nur auf Griechenland zu, sondern ist ein Problem vieler Länder.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar


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