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Griechenland: „Doppelstandards im Umgang mit Menschenrechten“

Wie Schulen der Westthrakientürken mittels einer nationalistischen Minderheitenpolitik Griechenlands degenerieren

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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge

Nach der Schließung (hier) von zwölf Grundschulen der türkischen Minderheit in Westthrakien, ist die Zahl der Minderheitenschulen auf 103 zurückgegangen. Obwohl diese Einrichtungen nach dem Lausanner Vertrag einen Sonderstatus besitzen, haben die griechischen Behörden in den letzten Jahrzehnten nichts unversucht gelassen, mit Gesetzen und Verordnungen die Autonomie dieser Schulen auszuhebeln oder unter fadenscheinigen Gründen wie „sinkender Schülerzahlen“ oder „Sparmaßnahmen“ zu schließen. Allgemein betrachtet weigert sich Griechenland seit Jahrzehnten, die Ethnizität von Minderheiten anzuerkennen, darunter auch die Westthrakientürken und verwendet stattdessen die Titulierung „griechische Muslime“.

Selbst zivilgesellschaftlichen Institutionen wie der Türkischen Union von İskeçe (Xanthi) oder der Türkischen Jugendunion von Gümülcine ist es nicht gestattet in ihrem Vereinsnamen den Begriff „Türkisch“ zu verwenden. Die Diskrepanz besteht darin, dass Athen auf dem Standpunkt beharrt, in Griechenland gebe es keine türkische Minderheit, aber Bilder von Schulen vor 1983 widersprechen dieser These. Im Folgenden werden einige Fallbeispiele von Schulen der Westthrakientürken aufgezeigt und erläutert.

Auf dem ersten Bild aus den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer der türkischen Grundschule von İskeçe zu sehen. Der Name der Schule ist in Großbuchstaben in griechischer und türkischer Sprache mit „Türkische Grundschule von İskeçe“ niedergeschrieben worden.

Bild 1: Die türkische Grundschule von İskeçe (Xanthi)

Bei der nächsten Einrichtung im Bild 2 handelt es sich ebenfalls um eine Schule der türkischen Minderheit, nur ist auf dem aktuellen Namenschild der Schule in griechischer Sprache von der „Minderheitengrundschule von Gümülcine“ die Rede und von keiner Schule der türkischen Volksgruppe.

Bild 2: Die heutige Minderheitengrundschule von Gümülcine

Beim dritten Foto ist vor dem Eingang der Schule das Namensschild „Türkische Grundschule“ in griechischer und türkischer Sprache angebracht. Die Aufnahme ist vor 1983 entstanden und es handelt sich um eine Grundschule in Westthrakien.

Bild 3: Eine türkische Grundschule in Westthrakien vor 1983

Bild 4: Minderheitenschule für die Mittelstufe und Gymnasium in Gümülcine (Komotini)

Auf dem vierten Bild ist das Namensschild der Schule in griechischer Sprache zu sehen. Es handelt sich um die Minderheitenschule für die Mittelstufe und das Gymnasium in Gümülcine (Komotini). Beim Schild fehlt der Zusatz, dass es sich um eine türkische Minderheitenschule handelt. Seit 1983 setzt Griechenland eine nationalistische Minderheitenpolitik um, in der es „ethnisch“ betrachtet nur Griechen geben darf und ethnische Minderheiten wie die Türken von Westthrakien einfach nicht existieren dürfen.
Nach diesem Selbstverständnis gilt die ethnische Volksgruppe der Türken, der Pomaken sowie Roma als „muslimische Minderheit“, wobei der Begriff Pomake ursprünglich aus dem Bulgarischen entstammt und im 19. Jahrhundert von aufständischen bulgarischen Komitaschis für Menschen verwendet wurde, die der osmanischen Armee wohlgesonnen gegenüberstanden und diese als Pomaken („Unterstützer“) bezeichnet haben. Griechische Regierungen haben die Pomaken stets als muslimische Ethnie bezeichnet, obwohl es sich bei den Pomaken historisch betrachtet um petschenegische Türken handelt.

Die Frage wäre, warum Griechenland bis 1983 die Existenz der Türken aus Westthrakien mehr oder weniger nicht infrage gestellt hat und ab dem erwähnten Jahr die Ethnizität der türkischen Volksgruppe systematisch leugnet. Das hat zum Teil mit den Ereignissen in Zypern zu tun, bei dem rechtsradikale Zyperngriechen 1974 versucht haben, die Insel mit Gewalt an Griechenland (Enosis) anzuschließen und die türkische Armee unter Berufung auf das Garantieabkommen von 1959 militärisch intervenierte. Ein anderer Aspekt ist historischer Natur, weil das heutige Griechenland über 400 Jahre zum Herrschaftsgebiet des Osmanischen Reich zählte und im Gründungsmythos des modernen griechischen Nationalstaates die Türken zum „bösen Objekt“ (hier) stilisiert wurden.

Dies äußert sich beispielsweise in Reiseführern und Schulbüchern dahingehend, dass die „osmanische Vergangenheit“ und die Existenz der türkischen Volksgruppe in Westthrakien keiner Erwähnung wert ist.. Mit keinem Wort wird auf das jahrhundertealte Zusammenleben von Griechen und Türken im Osmanischen Reich eingegangen.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat bereits mehrfach auf die diskriminierende Behandlung (Quelle) von Minderheiten in Griechenland aufmerksam gemacht und der Regierung Griechenlands Doppelstandards im Umgang mit Menschenrechten vorgeworfen.

Insbesondere kritisierte die Organisation den Umgang mit der türkischen Minderheit, die sich nicht über ihre „ethnische oder nationale Zugehörigkeit definieren“ darf, sondern als muslimische Minderheit angesehen werde.