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Kommentar: Mario Draghi schwingt die populistische Keule und betreibt Erdoğan-Bashing

Vor einigen Tagen bezeichnete der italienische Ministerpräsident Mario Draghi während einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit der „Sofagateaffäre“ den türkischen Präsidenten als „Diktator“. Die Aussage des italienischen Premiers ist nicht nur populistisch, sondern bedient all jene Kreise, die die Türkei schon immer außerhalb der EU sehen wollten.

(Archivfoto: tccb)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge

Vor einigen Tagen bezeichnete der italienische Ministerpräsident Mario Draghi während einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit der „Sofagateaffäre“ den türkischen Präsidenten als „Diktator“. Die Aussage des italienischen Premiers ist nicht nur populistisch, sondern bedient all jene Kreise, die die Türkei schon immer außerhalb der EU sehen wollten.

Gerade jetzt, wo die EU und die Türkei ihre Beziehungen auf die richtige Bahn bringen wollten, schürt Draghi mit seiner Aussage anti-türkische Ressentiments. Die Frage wäre, warum jemand wie Draghi es für notwendig erachtet hat, Erdoğan-Bashing zu betreiben.

Dazu ist es wichtig, zu wissen, welchen Werdegang Mario Draghi zurückgelegt hat, denn der ehemalige Direktor der Europäischen Zentralbank (EZB) ist nicht irgendjemand. Der 1947 in Rom geborene Draghi studierte Wirtschaftswissenschaften und schloss mit Bestnote ab. Anschließend zog es ihn mit einem Stipendium in der Tasche an die renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in die USA, wo er auch promovierte. Es folgten Lehrtätigkeiten an verschiedenen italienischen Universitäten, Forschungsprojekte und Stationen bei der Weltbank, im italienischen Finanzministerium und 2002 bis 2005 bei der Investmentbank Goldman Sachs in London tätig.

Nach seinem Ausscheiden von der US-Investmentbank wurde Draghi Gouverneur der italienischen Zentralbank, die er bis 2011 leitete. Von 2011 bis 2019 war der Ökonom Direktor der EZB in Frankfurt und stieg damit zu einem der mächtigsten Zentralbanker der Welt auf. Draghi geriet während seiner Zeit als Chef der italienischen Zentralbank in die Kritik, weil die italienische Bank Monte dei Paschi di Siena durch riskante Geschäfte fast Bankrott ging. Während dieser Zeit war Draghi die Bankenaufsicht unterstellt und nur durch einen 3,9 Milliarden Euro Kredit der italienischen Zentralbank konnte die erwähnte Bank gerettet werden.

Draghi ist Mitglied in der Lobbyorganisation der globalen Finanzbranche G30

Der ehemalige EZB-Direktor ist seit 2006 Mitglied der sogenannten Group of Thirty, einer Lobbyorganisation global agierender Großbanken. In dieser Gruppe sind nicht nur Privatbanken vertreten, sondern auch Vertreter von Zentralbanken, internationalen öffentlichen Finanzinstituten, Investment-Unternehmen, Politiker und Wissenschaftler. Ende 2012 hatte die Nichtregierungsorganisation CEO eine Beschwerde gegen Draghi beim EU-Ombudsmann eingereicht, da nach Ansicht der NGO ein Interessenkonflikt zwischen dem Amt als EZB-Direktor und der Mitgliedschaft in der Lobbyorganisation Group of Thirty bestanden habe.

EU-Untersuchung hatte keine Folgen für den Ex-EZB-Direktor

Die Beschwerde ging durch die EU-Instanzen und der frühere EU-Bürgerbeauftragte Diamandouros sah in der Mitgliedschaft Draghis in der G30 die Unabhängigkeit der EZB nicht gefährdet. Die Nachfolgerin des EU-Bürgerbeauftragten, Emily O’Reilly , leitete eine Untersuchung ein, in dem laut Untersuchungsbericht zwar keine Beweise dafür gebe, „dass vertrauliche Informationen weitergegeben“ würden, aber die „Unabhängigkeit der EZB“ sei dadurch „kompromittiert“.

Sie forderte den Ex-EZB-Direktor Draghi auf, die Mitgliedschaft in der G30 bis zum Ende der Amtszeit ruhen zu lassen. Die Europäische Zentralbank wies die Forderung der EU-Bürgerbeauftragten zurück.

G30 hat großen Einfluss auf Regierungen und Parlamente

Der Einfluss der G30 auf die Regierungen der Welt und Parlamente zeigte sich bei der Liberalisierung der Finanzmärkte, bei der Sparpolitik von Regierungen oder bei der „Flexibilität am Arbeitsmarkt“, d.h. bei der Aufweichung des Kündigungsschutzes. Mario Draghi war von 2011 bis 2019 nicht nur Direktor der Europäischen Zentralbank, sondern auch Mitglied eines der mächtigsten Lobbyorganisationen der globalen Finanzbranche.

Wenn eine Person mit diesem Background wie Draghi einen durch demokratische Wahlen zum Präsidenten der Türkei gewählten Recep Tayyip Erdoğan als „Diktator“ bezeichnet, sollte das einem zu denken geben. An der „Sofagateaffäre“ ist nicht das türkische Präsidialamt schuld, wie von manchen Medien kolportiert, sondern, wie bereits Fatih Zingal und das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet haben, ein Machtkampf innerhalb der EU.


Dieser Gastbeitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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