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Ahmet Ertegün: Der Türke hinter Atlantic Records

Im Alter von 9 Jahren sah er sich ein Jazzkonzert im Londoner Palladium Theatre an und mit 14 bekam er von seiner Mutter ein Album von Cootie Williams sowie einen Plattenspieler mit Aufnahmefunktion geschenkt. Schon recht früh interessierte sich Ahmet Ertegün für Musik, schrieb seine eigenen Texte und nahm diese anschließend auf.

Ahmet Ertegün (l) mit seinem Bruder Nesuhi, 1960. (Foto. Wikimedia/William P. Gottlieb )
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Der letzte Sultan der Musikindustrie

von Kemal Bölge

Im Alter von 9 Jahren sah er sich ein Jazzkonzert im Londoner Palladium Theatre an und mit 14 bekam er von seiner Mutter ein Album von Cootie Williams sowie einen Plattenspieler mit Aufnahmefunktion geschenkt. Schon recht früh interessierte sich Ahmet Ertegün für Musik, schrieb seine eigenen Texte und nahm diese anschließend auf. Mit seinem Bruder hörte er im gemeinsamen Zimmer stundenlang Lieblingssongs. Sein Großvater war einst Scheich des usbekischen Derwisch Klosters in Üsküdar/Istanbul. In der Metropole am Bosporus wurde Ertegün am 31. Juli 1923 geboren. Sein Vater war Rechtsberater von Präsident Mustafa Kemal Atatürk, bevor er als Botschafter in den verschiedenen Hauptstädten Europas arbeitete.

Ertegün besuchte fortan ausländische Schulen, was seiner späteren Entwicklung nicht schaden sollte. Als Jugendlicher hatte er schon eine gewaltige Schallplattensammlung angelegt und mit seinem Bruder freundeten sie sich in den USA mit Musikern wie Lena Horne, Duke Ellington und Jelly Roll Morton an.

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Seine Begeisterung für Musik kannte im wahrsten Sinne des Wortes keine Grenzen. Er wollte den Jazz und Blues in den Vereinigten Staaten etablieren, was damals schwierig war, weil die schwarze Musik bis dahin, ein Schattendasein fristete. Sein Studium der Philosophie brach er ab, um mit Herb Abramson 1947 das Jazz- und Soullabel Atlantic Records zu gründen.

Ein befreundeter Zahnarzt der Familie lieh Ertegün dafür 10.000 US-Dollar. Der Sitz der Plattenfirma Atlantic Records bestand aus einem spärlich eingerichteten kleinen Raum, das der Gründer einmal folgendermaßen umschrieb: „Für eine Plattenfirma ist es das kleinste Büro der Welt.“

Durch die guten Beziehungen zu afroamerikanischen Jazzmusikern unterzeichneten viele dieser Künstler einen Vertrag bei Atlantic Records. Ertegün setzte sich zeit seines Lebens gegen die Diskriminierung von schwarzen Menschen in den USA ein. Die türkische Botschaft in Washington D.C. lud schwarze Jazzmusiker zu einem Event in die diplomatische Vertretung ein. Es kam zu diplomatischen Verwicklungen und das US-Außenministerium erklärte den türkischen Diplomaten afroamerikanische Gäste nur durch den Hintereingang Zutritt zu gewähren.

Die türkische Botschaft verwies auf die Gleichberechtigung aller Gäste und lehnte das Ansinnen des State Departments ab. Die Jazzmusiker und Begleiter gelangten über den Haupteingang in die Botschaft. Das erste Album, das Atlantic Records 1947 veröffentlichte, war „Rose of the Rio Grande“ und das bis dahin erfolgreichstes Album von Stick Mcghee „Drinkin’ Wine Spo-Dee-O-Dee“ mit über einer Million verkaufter Schallplatten.

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Ertegün war nicht nur ein begeisterter Musikinteressierter, sondern hatte auch ein Gespür für Musiktalente. Er gilt als der Entdecker der britischen Rockband Led Zeppelin. Nachdem er eine Demoversion auf Kassette sich anhört, ist er voll auf begeistert. Es gibt eine lustige Anekdote zu einer zum damaligen Zeitpunkt unbekannten Musikerin: Ertegün weilt im türkischen Badeort Bodrum im Urlaub, als ein Anruf seines Stellvertreters ihn erreicht. Ein unansehnliches Mädchen sei gerade ins Büro gekommen. Sie könne nicht gut singen, aber schön tanzen. Der Musikmanager hat keine Zeit sich um die Angelegenheit zu kümmern. Das erwähnte Mädchen nimmt zu einer anderen Plattenfirma Kontakt auf und unterschreibt dort einen Vertrag. Das Mädchen sollte später zu einem großen Star der Popmusik werden und ist keine geringere als Madonna.

Es war in den sechziger Jahren, als Ahmet Ertegün in einer Bar sitzt und dort Eric Clapton sieht, der dort gerade ein Konzert gibt. Clapton unterschreibt bei Atlantic Records. Wer kennt sie nicht, The Rolling Stones. Auch bei Mick Jagger und Band erkennt der fleißige Musikmanager großes Talent und engagiert sie. Es waren große Künstler wie Ray Charles, Ruth Brown, The Drifters, John Contrane, Ben E. King, Aretha Franklin, Wilson Pickett, Bette Midler, Stevie Wonder oder Phil Collins.

Über das Leben des großen Soul-Sängers Ray Charles drehte Taylor Hackford 2004 einen Film. Charles wird ziemlich eindrucksvoll von Jamie Foxx verkörpert. Ertegün wird in dem US-Drama von Curtis Armstrong dargestellt. 2005 wurde dieser Film für den besten Hauptdarsteller und den besten Ton mit einem Oscar ausgezeichnet.

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Es gibt noch viele andere Künstler, deren Namen ich hier nicht aufführen konnte. Ahmet Ertegün war ein begnadeter Musikmanager seiner Zeit und die Musik gehörte zu seinem Leben. Am 29. Oktober 2006 gaben die Rolling Stones ein Konzert in New York. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich hinter der Bühne. Er rutschte aus und stürzte unglücklich auf den Kopf. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht und anschließend auf die Intensivstation verlegt. Am 14. Dezember erliegt Ertegün seinen schweren Verletzungen, die er sich beim Sturz zugezogen hatte. Mit seinem tragischen Tod verlor die Musikwelt einen großen Entdecker, Förderer, Macher und Organisator hinter den Kulissen.

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