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Antisemitismus
Zur judenfeindlichen Attacke: „Muslime kennen solche Ansprachen seit vielen Jahren“

" ... wütete ein junger Mann, halb auf Arabisch und halb auf Deutsch: "Ich ficke Israel wie eine Frau!" " Ja. Das kommt vor, ist bedauerlich und eine Schande für dies Land. Muslime allerdings kennen solche "Ansprachen" alle, seit vielen Jahren und in stetig steigender Anzahl und Schwere. Ein Kommentar.

(Symbolfoto:: Flickr/ B. Rankin CC BY-SA 2.0)
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Gastkommentar von Michael Thomas

Die Gedanken des Chefredakteurs der ZEIT, Giovanni di Lorenzo, können nicht unkommentiert bleiben, wenn man sich das Spektrum der Ereignisse in Bezug auf Islam und Judentum in den letzten Monaten in Deutschland ansieht. Sie offenbaren insgeheim eine enorme Schieflage in der Wahrnehmung und zeigen die Befrachtung der Religionen aus politischen Gründen.

Erschreckend, wie leicht die Installation von „alternativen Fakten“ doch ist! Wir sollen uns also nun tagesaktuell auf Befehl aus Berlin und Tel Aviv für Antisemitismus schämen – und möglichst in Gedenken an all die gejagten, beleidigten und verprügelten Juden in Deutschland alle Kippa tragen. Unter normalen Umständen wäre das eine Selbstverständlichkeit.

Unter den heute herrschenden Verhältnissen nicht. Ganz abgesehen davon, dass sich Deutschland für seine angebliche Vergangenheitsbewältigung international feiern lässt, obschon es dafür gar nichts unternommen hatte, wenn man mal von der Errichtung von ein paar Denkmälern und einer Reihe toller Fotos unserer Spitzenpolitiker bei jüdischen Festen absieht. Man kann DEM Deutschen eine ganze Menge einreden, das hat schon immer gut funktioniert.

Der „christlich-jüdische“ oder gern auch „abendländische“ Kulturansatz hat die Beeinflussung der Mehrheit im Prinzip ja eingebaut. Die Kirchenfürsten und die profanen Herrscher hatten in den zurückliegenden Jahrhunderten schon immer die Hoheit darüber, wer wieviel und wann Juden massakrieren darf oder soll.

Und wenn dies denn so befohlen war, ging der gute Deutsche halt auf Juden los. Damit hat er auch nach der Kapitulation natürlich nie aufgehört. Mit mir funktioniert das leider nicht so gut. Denn ich kann mich noch sehr gut an all die Diskussionen in den letzten vierzig Jahren erinnern, die immer wieder mal Antisemitismus zum Inhalt hatten und regelmäßig sehr schnell ausgetreten wurden.

Das war unangenehm. Das war peinlich. Das ging ja gar nicht. Wir haben doch heute unsere Juden lieb. Aber heute wird die „Wahrheit“ installiert, dass der heutige Antisemitismus keineswegs schwerpunktmäßig von den christlich-jüdisch geprägten Deutschen, sondern bloß von den bösartigen Migranten ins Land getragen wird, die ohnehin nur zum Vergewaltigen, Stehlen, Faulenzen und Judenbeleidigen zu uns kommen.

“ … wütete ein junger Mann, halb auf Arabisch und halb auf Deutsch: „Ich ficke Israel wie eine Frau!“ “ Ja. Das kommt vor, ist bedauerlich und eine Schande für dies Land. Muslime allerdings kennen solche „Ansprachen“ alle, seit vielen Jahren und in stetig steigender Anzahl und Schwere.

Mordversuche, Brandanschläge, Prügeleien, gekreischte Beleidigungen und die Versuche, Frauen mit roher Gewalt das Kopftuch vom Kopf zu reißen, geschehen seit vielen Jahren täglich.

„Auf ihrem Tablet zeigte die Reporterin ein sieben Jahre altes Foto: Am Zaun des Gartens jener Schule prangten die Worte „Hr. Lewi du Jude“ und ein Hakenkreuz.“ Schrecklich. Der Täter ist ein Idiot – und ebenfalls eine Schande. Die Zahl der Schmierereien und dinglichen Angriffe gegen Moscheen und sonstige, islamische Einrichtungen ist jedoch kaum zählbar; im Gegensatz zum „Antisemitismusbeauftragten“ existiert etwas Vergleichbares nicht.

All die inzwischen gut tausend (!) Übergriffe und Schmierereien in den letzten zwei Jahren verkommen zu kleinen Randnotizen und werden insgesamt nur zu gern nicht zur Kenntnis genommen.

Und was ich ausgerechnet von einem Giovanni di Lorzenzo nie erwartet hätte, geschieht dann doch aus seiner eigenen Feder:

„s ist eine Binse, dass der Antijudaismus 2.000 Jahre alt ist und kein Sofortprogramm der Welt ihn vermutlich jemals tilgen wird. Er verändert sich stetig, wie Josef Joffe in der ZEIT darstellt, und insbesondere Muslime nehmen dafür heute die israelische Siedlungspolitik zum Vorwand.“

Entsetzt muss ich registrieren, dass di Lorenzo die Wut muslimischer Migranten auf den Staat Israel zu einem „Vorwand“ erklärt, Synagogen und Juden in Deutschland anzugreifen. Nicht nur, dass er den massiven Antisemitismus Europas, der sich in dutzenden von Millionen Köpfen hier manifestiert, im direkten Vergleich zum Antisemitismus von Migranten kleinredet.

Seine Bemerkung liest sich, als wären von insgesamt tausend Antisemiten in Europa mindestens neunhundert Migranten. Zudem schwenkt auch di Lorenzo in die Schieflage mit ein, berechtigte Israelkritik zu „Antisemitismus“ zu erklären und aus jeder Kritik gegen Israel einen Zählpunkt zu antisemitischen Ausschreitungen hinzu zu addieren.

Und schon im nächsten Satz klittert di Lorenzo die Geschichte wieder: „Nach derselben Logik könnte man einen Libanesen in Neukölln traktieren, weil zum Beispiel in einem arabischen Staat wie dem Jemen oder Saudi-Arabien Ehebrecherinnen gesteinigt oder Regimegegner ausgepeitscht werden – was glücklicherweise niemand tut.“

Ach nein? Das tut hier niemand? Herr di Lorenzo, in welchen Elfenbeinturm haben Sie sich eingeschlossen? Mit welchen Stoffen kleistern Sie Ihren Kopf so hermetisch zu, dass Fakten nicht mehr durchdringen?

Was, glauben Sie, treibt denn ganze Rotten „besorgter“ Bürger dazu, an einlaufenden Bussen mit Migranten Spalier zu stehen und widerliche Beleidigungen gegen Muslime und Islam zu skandieren? Erahnen Sie auch nur ansatzweise (!), wieviel Migranten schon (z.T. lebensgefährlich) wegen irgendwelcher Verbrechen anderer verletzt worden sind?

„Oder müssen erst Juden sterben, bevor sich die Mehrheitsgesellschaft verantwortlich fühlt?“ Das war für mich ein persönlicher Schlag in die Magengrube. Das ist Agitation übelsten Ausmaßes, ein dreister Manipulationsversuch, eine schreckliche Wahrheitsverdrängung. Recherchieren Sie mal, Herr di Lorenzo, unter dem Namen Marwa al-Sherbini. Für den Anfang.

Ich nenne Ihnen gern noch ein paar hundert Namen zusätzlich. Anschließend zählen Sie mir bitte die Juden auf, die im Nachkriegsdeutschland durch Antisemitismus zu körperlichem Schaden kamen.

„Denn es ist zu befürchten, dass die Begleiterscheinungen mangelnder Integration eher noch zunehmen.“ Natürlich. Und die Schuld daran tragen Autoren wie Giovanni di Lorenzo, die ihren Lesern das gute und unverdiente Gefühl geben, zu den „Guten“ zu gehören und aus ihrem Publikum wandelnde Integrationshindernisse zu machen.

Denn soviel ist doch klar: je mehr ich Migranten mit Verdächtigungen, unzulässigen Pauschalisierungen und Unterstellungen befrachte, desto wütender wird der bisher nur latent und gering vom Rassismus verseuchte Bodensatz der Gesellschaft.

Und auch soviel ist ja wohl klar: Deutschland hat sich in der gesamten Nachrkriegszeit mit Ausnahme fotogener Aktionen vor Wahlkämpfen NIE substanziell mit dem Antisemitismus seiner Bürger auseinandergesetzt.

„Nur wenn aus dem Bekanntenkreis, von den Bezugspersonen an Schulen oder im Job und von der großen Mehrheit der Menschen im Land das Zeichen kommt, dass man so etwas nicht will, kann man Dummheit, Vorurteil und Aggression eindämmen – wenn man sie schon nicht besiegen kann“, so di Lorenzo weiter.

Die Tränen der Rührung möchten einem kommen! Wo waren denn diese „Zeichen“, wenn brennende Migrantenheime oder türkische Häuser in Deutschland die Nacht erhellt hatten? Wo war denn das Zeichen eines Giovanni di Lorenzo, als in Hünxe zahllose Molotowcocktails auf ein Migrantenheim flogen?

Und wo ist sie denn, die deutsche Bildungselite, die ein solches Zeichen seit vielen Jahrzehnten hätte kultivieren müssen?

 


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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