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Aserbaidschan und Israel: Außenpolitik ist neorealistisch geprägt

Der geplante offizielle Besuch von Premierminister Israels Netanjahu in Baku hat bereits im Vorfeld große öffentliche Aufmerksamkeit ausgelöst – auch wenn der Besuch inzwischen verschoben wurde

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Ein Gastbeitrag Adil Shamiyev und Fidan Damer

Der geplante offizielle Besuch von Premierminister Israels Benjamin Netanjahu in Baku hat bereits im Vorfeld große öffentliche Aufmerksamkeit ausgelöst – auch wenn der Besuch inzwischen verschoben wurde.

Immer wenn die Namen dieser beiden Staaten in einem Atemzug genannt werden, folgen Fragen und Spekulationen fast automatisch: was spielt sich hinter den Kulissen ab? geht es um strategische Interessen, wirtschaftliche Vorteile oder steckt noch mehr dahinter?

Nicht in weiter Vergangenheit liegt der Besuch des israelischen Präsidenten Isaac Herzog in den Südkaukasus. Eine genauere Analyse der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Staaten zeigt, dass diese von einer bemerkenswert engen Zusammenarbeit geprägt sind – ein Umstand, der für Außenstehende mitunter überraschend wirkt.

Zwischen Davidstern und Halbmond: Strategien im Takt geopolitischer Nähe

Diese Beziehungen müssen auf mindestens vier Ebenen untersucht werden: die historische Bindung und dessen Auswirkung auf die gegenwärtigen Beziehungen sowie die Zusammenarbeit auf der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen aber auch auf der politischen Ebene.

Die israelisch-aserbaidschanischen Beziehungen werden häufig als strategische Partnerschaft beschrieben, die auf gegenseitigem Nutzen beruht, ohne dass sich eine der beiden Seiten dauerhaft verpflichten muss.

Diese Sichtweise spiegelt jedoch nur einen Teil des Gesamtbildes wider – hinter der strategischen Ebene verbirgt sich ein komplexeres Geflecht politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verbindungen. Die robuste Beziehungen zwischen Staaten wachsen meist aus einer gemeinsamen Geschichte heraus – als Fundament für eine vertrauensvolle und tragfähige Zukunft.

Kurze Reise in die Geschichte

Die Geschichte des Judentums auf dem jetzigen aserbaidschanischen Gebiet führt ins Mittelalter zurück, wobei einige Quellen die Geschichte des Judentums weitaus früher datieren.

Heutige Territorien von Aserbaidschan gehörten im Mittelalter dem Khazar Khaganat an (Aut. Khaganat bedeutete Vereinigung der türkischstämmigen Völker). Dieses Staatsgebilde erklärte trotz seiner türkischen Abstammung das Judentum zur Staatsreligion. Folglich wurde das Judentum in dieser Region auf die staatliche Ebene erhoben.

Später, im 18. Jahrhundert, lud der Khan von Kuba Khanat, Huseyn Ali, die Bergjuden, in sein Khanat ein. So entstand die größte Gemeinde der Bergjuden auf dem jetzigen Territorien Aserbaidschans. Der Nachfolger Huseyn Ali Khans, sein Sohn Fatali Khan, trat in seine Fußstapfen.

Später ließen sich auch aschkenasische Juden, häufig als „europäische Juden“ bezeichnet, in Aserbaidschan nieder. Dadurch bildeten sich im Land drei jüdische Bevölkerungsgruppen heraus: die Bergjuden, die aschkenasischen Juden sowie georgische Juden, die aus dem benachbarten Georgien eingewandert waren.

Aserbaidschan war eines der wenigen Länder, in denen jüdische Bürger aktiv am öffentlichen Leben teilhaben und Schlüsselrollen im staatlichen System übernehmen konnten. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Aserbaidschan bereits früh eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben spielten.

So war beispielsweise Dr. Yevsey Gindes, Mediziner jüdischer Herkunft, von 1918 bis 1920 Gesundheitsminister der Demokratischen Republik Aserbaidschan. Auch waren Vertreter jüdischer Gruppen im damaligen Parlament vertreten. Während der kurzen Zeitspanne der Demokratischen Republik erschienen in Aserbaidschan mehrere jüdische Publikationen, darunter das „Kaukasisch-Jüdische Bulletin“, die Zeitung „Palestine“ sowie die zweiwöchentliche Zeitschrift „Youth of Zion“.

Auch in der Sowjetzeit war die jüdische Bevölkerung in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent, darunter in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Die jüdische Minderheit pflegte enge Beziehungen zur muslimischen Nachbarschaft. Beide Gemeinschaften waren von den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen ihrer Zeit betroffen. Im Herbst 1918 kam es in mehreren aserbaidschanischen Städten, darunter Baku, Guba und Schamakhi, zu gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben kamen.

Diese Ereignisse werden mit militärischen Einheiten in Verbindung gebracht, die unter bolschewistisch-daschnakischer Führung standen. Schätzungen zufolge verloren dabei etwa 12.000 Menschen ihr Leben. Die Opfer umfassten sowohl muslimische als auch jüdische Einwohner, die sich einer Zusammenarbeit mit den Bolschewiki verweigert hatten.

Doch der Demokratischen Republik Aserbaidschan war ein kurzes Leben zugeschnitten. Zwei Jahre später marschierte die Rote Armee in Aserbaidschan ein und beendete damit die Existenz der Demokratischen Republik Aserbaidschan, die weniger als zwei Jahre bestand.

Die sowjetische Kontrolle über das Gebiet hatte tiefgreifende Auswirkungen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen – darunter auch die jüdische Gemeinschaft. In diesem Zuge wurden nicht nur Moscheen, sondern auch Synagogen geschlossen.

Unter den Bedingungen des sowjetischen Regimes sahen sich viele Jüdinnen und Juden mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert. Es kam vor, dass sie sich als Angehörige anderer ethnischer Gruppen ausgaben, um Zugang zu Arbeits- und Bildungschancen zu erhalten.

Wandel und Kontinuität in den bilateralen Beziehungen

Aserbaidschan, ein sich dynamisch entwickelndes Land im Südkaukasus, war rund siebzig Jahre Teil der Sowjetunion. Deren Auflösung veränderte die geopolitische Lage und Machtverhältnisse in der Region grundlegend.

Trotz innenpolitischer Instabilität, separatistischer Tendenzen und einer stark zentralistisch ausgerichteten Wirtschaft, die an den Rand des Zusammenbruchs geriet, eröffneten sich mit dem Ende des Eisernen Vorhangs neue Entwicklungschancen für das Land.

Vor 30 Jahren nahm die Entwicklung seinen Anfang mit einem Treffen in New York zwischen dem damaligen israelischen Premierminister Yitzhak Rabin und dem damaligen Präsidenten Aserbaidschans, Heydar Aliyev.

Bei diesem Treffen sprachen die beiden Staatsoberhäupter unter vier Augen, ohne Dolmetscher oder Berater, und erörterten, was jedes Land vom anderen benötigte – Israel suchte nach einer stabilen und verlässlichen Ölquelle, während Aserbaidschan an israelischen Verteidigungssystemen interessiert war. Seit jenem Tag hat sich die Allianz zwischen Israel und Aserbaidschan zu einer der stabilsten und zuverlässigsten Partnerschaften Israels entwickelt.

Aserbaidschan zählt heute zu denjenigen Ländern in Eurasien, die enge diplomatische und wirtschaftliche Kontakte zu Israel pflegen. Diese Entwicklung ist insofern bemerkenswert, als Aserbaidschan mehrheitlich muslimisch geprägt ist.

Israel hat Aserbaidschan im Jahr 1992, wenige Monate nach der Unabhängigkeitserklärung Aserbaidschans anerkannt. Die Eröffnung der israelischen Botschaft in Baku 1993 war Teil einer strategischen Neuausrichtung der israelischen Außenpolitik nach dem Kalten Krieg.

Angesichts des wachsenden Einflusses islamistischen Gedankenguts durch Iran und Saudi- Arabien sowie diplomatischer Aktivitäten der PLO in Zentralasien suchte Israel gezielt den Schulterschluss mit säkular geprägten, mehrheitlich muslimischen postsowjetischen Staaten wie Aserbaidschan.

Ziel war es, politischen Einfluss zu gewinnen, arabische Präsenz einzudämmen, UN-Unterstützung zu sichern und jüdische Migration aus der Region zu fördern. Die jüdische Gemeinde Aserbaidschans spielte dabei eine zentrale Rolle. Trotz strategischer Interessen hielt Israel seine Beziehungen zu Aserbaidschan in den 1990er Jahren zunächst diskret.

Angesichts wirtschaftlicher Schwäche, politischer Instabilität und militärischer Unterlegenheit Aserbaidschans wandte sich Baku an Israel als Gegengewicht zu Iran und Armenien. Vor dem Hintergrund enger israelisch-türkischer Beziehungen war eine Unterstützung Aserbaidschans auch als Zeichen der Solidarität mit Ankara zu verstehen.

Die diplomatische Zurückhaltung Jerusalems zeigte sich jedoch in der späten und zögerlichen Besetzung der Botschaft in Baku. Der erste Botschafter, Benny Haddad, war jung und sollte vor allem jüdische Auswanderung fördern. Während des ersten Karabach-Kriegs belieferten Israel und die Türkei Aserbaidschan mit Stinger-Raketen.

Nach dem Waffenstillstand 1994 intensivierte Israel die bilateralen Beziehungen stillschweigend weiter. Ein Meilenstein war der Besuch von Premierminister Netanyahu 1997 in Baku. Ab Ende der 1990er wurde Aserbaidschan zunehmend als strategischer Partner im Kontext von Israels Sicherheitsinteressen gegenüber dem iranischen Atomprogramm betrachtet.

Im Zuge der verstärkten Bemühungen Israels, dem iranischen Nuklearprogramm entgegenzuwirken, intensivierte Jerusalem ab den frühen 2000er Jahren seine sicherheits- und außenpolitische Kooperation mit Aserbaidschan.

Ab 2011 stellte es unbemannte Luftfahrzeuge zur Grenzüberwachung bereit. Vor dem Hintergrund gemeinsamer Bedrohungswahrnehmungen durch den Iran entwickelte sich eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, darunter Verteidigungsindustrie, Tourismus und militärische Ausrüstung.

Ein durch WikiLeaks veröffentlichtes US-Diplomatentelegramm von 2009 dokumentiert die besondere Rolle Israels als Waffenlieferant: Aserbaidschan verschaffe sich durch die Kooperation Zugang zu hochwertigen Waffensystemen, die es aufgrund rechtlicher Restriktionen nicht aus westlichen Staaten und auch nicht mehr verlässlich aus ehemaligen sowjetischen Quellen beziehen könne.

Alleine im Jahr 2012 schloss die israelische Flugzeug- und Raketenbaufirma Aerospace Industries einen Vertrag mit Aserbaidschan über den Verkauf von Abwehrsystemen und Drohnen in Höhe von mehr als 1,5 Mrd. US-Dollar. Vier Jahre später erklärte Staatspräsident Aliyev, dass diese Summe nun auf knapp fünf Mrd. US-Dollar erhöht wurde.

Während andere Staaten aus Sorge vor einer Eskalation im Karabach-Konflikt auf Rüstungsexporte verzichteten, füllte Israel diese Lücke und nutzte sie sowohl zur finanziellen als auch zur diplomatischen Einflussnahme. Diese Waffenlieferungen trugen dazu bei, dass Aserbaidschan im Jahr 2020 über die militärischen Mittel verfügte, um die Kontrolle über Karabach zurückzuerlangen.

Im Rahmen der ADEX24-Rüstungsmesse präsentierten israelische Unternehmen erfolgreich ihre neuesten Entwicklungen, was auf positive Resonanz stieß. Im Anschluss daran gewährte die Republik Aserbaidschan israelischen Technologieunternehmen erstmals Steuererleichterungen – ein bisher einmaliger Schritt gegenüber einem ausländischen Staat.

Diese Maßnahme begünstigt israelische Firmen, indem sie Produktionskosten durch günstigere Arbeitskräfte sowie niedrigere Steuer- und Energiekosten senken können, während Aserbaidschan davon profitiert, seine nicht-ölbasierte Wirtschaft weiter zu diversifizieren.

Die Außenpolitik von beiden Staaten ist neorealistisch geprägt und legt viel Wert auf Verteidigung, da ohne Verteidigung die Existenz dieser Staaten fortwährend ernsthaft bedroht ist. Der aserbaidschanischen Führung ist bewusst, dass nicht zuletzt aufgrund der schlecht ausgerüsteten Armee Aserbaidschan im Krieg mit seinem Nachbarland die Kontrolle über seine souveränen Territorien in und um Berg-Karabach verlor.

Diese bittere Erfahrung rückte den akuten Bedarf an Verbesserung der Armee und Beschaffung zusätzlicher Militärausrüstung in den Vordergrund. So wurden die Gelder, die in erster Linie durch den Energieressourcenexport in die Staatskasse flossen, in die Verteidigung, Ausbildung des Militärpersonals und Modernisierung der Armee investiert.

Heutzutage deckt das Land rund 40 Prozent des Erdölbedarfs von Israel ab. Abgesehen davon, dass Israel in naher Vergangenheit seine Beziehungen zu den erdölreichen arabischen Ländern verbesserte, verlor Baku nach wie vor seine Aktualität als Energieträger nicht.

Aserbaidschan hat sich für Israel nicht nur als verlässlicher Energie- und Sicherheitspartner erwiesen, sondern auch als bedeutender Vermittler in den Beziehungen zwischen Israel und der Türkei. Der amtierende Präsident Aserbaidschans, Ilham Aliyev, hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach als diplomatische Brücke zwischen Ankara und Jerusalem fungiert.

So bemühte er sich in den Jahren 2008 bis 2010 aktiv um eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen beiden Staaten. Weitere Vermittlungsversuche erfolgten 2018 sowie erneut nach dem Karabachkrieg 2020, in dem sowohl Israel als auch die Türkei Aserbaidschan unterstützten.

Insbesondere vor dem Hintergrund geopolitischer Veränderungen in Syrien – etwa einem möglichen Machtwechsel nach dem Fall des Assad-Regimes und dem Erstarken islamistischer Akteure wie Ahmad al-Shara’a (Abu Mohammad al-Jolani), einem Türkei-nahen Milizenführer – könnte Aserbaidschans Vermittlungsrolle erneut an Bedeutung gewinnen.

Die Eröffnung der aserbaidschanischen Botschaft in Israel stellt zweifellos einen bedeutenden Wendepunkt in den bilateralen Beziehungen dar. Aserbaidschan wurde damit zum ersten schiitisch geprägten Land, das eine diplomatische Vertretung im jüdischen Staat einrichtete – ein Schritt, der das gestiegene gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft zur vertieften Zusammenarbeit zwischen Baku und Tel Aviv (Jerusalem) offiziell bekräftigt.

Die Reaktionen auf diesen Schritt waren unterschiedlich. Insbesondere das American Jewish Committee (AJC), das seit 1993 enge Beziehungen zur säkular orientierten Regierung Aserbaidschans pflegt, begrüßte die Entscheidung ausdrücklich. Das AJC setzte sich im Rahmen seiner Lobbyarbeit regelmäßig für Aserbaidschans Positionen ein, unter anderem im Zusammenhang mit der territorialen Integrität in der Karabach-Frage.

Die amerikanisch-jüdische Gemeinschaft hat sich darüber hinaus wiederholt bemüht, Aserbaidschan vor internationalen Sanktionen und kritischen Resolutionen zu schützen, was die strategische Nähe zwischen beiden Seiten unterstreicht. Israel zählt seit dem Zerfall der Sowjetunion zu den wichtigsten Handelspartnern Aserbaidschans, insbesondere im Energiesektor. Aserbaidschan liefert jährlich etwa 30–40 % des israelischen Ölbedarfs und ist damit Israels wichtigster Öllieferant.

Der Handel erfolgt direkt über SOCAR und europäische Zwischenhändler, wodurch offizielle Handelsdaten den tatsächlichen Umfang nicht vollständig abbilden. Das Öl wird über die Baku-Tiflis-Ceyhan- Pipeline und Tankertransporte nach Haifa und Ashdod geliefert – bislang ohne Unterbrechung, selbst bei angespannten türkisch-israelischen Beziehungen.

2012/13 führte SOCAR erstmals außerhalb des Kaspischen Raums Explorationsarbeiten vor der israelischen Küste durch, die jedoch keine wirtschaftlich nutzbaren Funde erbrachten.

Aserbaidschans nationale Fluggesellschaft AZAL bietet seit 1993 regelmäßige Flüge nach Tel Aviv an und setzte diese selbst während des Gaza-Konflikts 2014 fort, als viele andere Fluglinien ihren Betrieb einstellten. In Aserbaidschan lebt seit über 2.500 Jahren eine jüdische Gemeinde, heute hauptsächlich in Baku und Quba, mit rund 30.000 Mitgliedern – der größten jüdischen Gemeinschaft in der muslimischen Welt.

Sie umfasst Bergjuden, georgische und aschkenasische Juden. Die jüdische Gemeinde genießt Religionsfreiheit und kann eigene Schulen betreiben. Präsident Aliyev pflegt regelmäßige Kontakte zur jüdischen Gemeinschaft, insbesondere in Quba.

Jährlich versammeln sich dort Mountain Jews aus aller Welt zum kulturellen Austausch. Zudem wird der Holocaust in aserbaidschanischen Schulen thematisiert, und die Universität für Fremdsprachen in Baku unterhält ein eigenes Israel- Studienprogramm.

Zweiter Karabachkrieg (2020) als Wendepunkt

Die Verteidigungsbeziehung zwischen Aserbaidschan und Israel geht weit über bloße Waffenverkäufe und Technologietransfer hinaus. Sie basiert auf einer engen strategischen Partnerschaft, die Regierungskontakte, gemeinsame Bedrohungsanalysen, Geheimdienstzusammenarbeit und militärische Koordination umfasst.

Bereits im Februar 2012 unterzeichneten beide Länder ein Waffenabkommen im Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar, das Drohnen, Luftabwehr- und Raketensysteme umfasste. Ein weiterer Meilenstein war Netanyahus Besuch in Baku im Dezember 2016, bei dem Präsident Aliyev ein neues Rüstungsabkommen im Wert von rund 5 Milliarden US-Dollar ankündigte.

Der militärische Nutzen israelischer Waffen zeigte sich schon im Vier-Tage-Krieg im April 2016, als erstmals „Harop“-Drohnen von Israel im Kaukasus eingesetzt wurden. Ein zentrales Ergebnis der Kooperation ist zudem der Aufbau einer eigenen aserbaidschanischen Rüstungsindustrie.

Durch die Zusammenarbeit mit israelischen Firmen wie Aeronautics konnte Aserbaidschan etwa über Azad Systems eigene Drohnen herstellen, was die Abhängigkeit von Importen im Kriegsfall reduziert. Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan 2020 verlief in zwei Phasen.

Die erste begann am 12. Juli mit armenischen Angriffen in der Grenzregion Tovuz, die offenbar darauf abzielten, die Sicherheit des Ost-West-Energie- und Transitkorridors zu stören, der durch dieses Gebiet verläuft. In dieser Phase spielten israelische Waffen, insbesondere die Harop-Drohnen, eine entscheidende Rolle bei der Abwehr der armenischen Vorstöße.

Die zweite Phase begann am 27. September mit einem großangelegten Vormarsch Aserbaidschans. Auch hier waren israelische Waffen sowie in Aserbaidschan produzierte Systeme auf Basis israelischer Technologie zentral für den Kriegsverlauf. Außenminister Jeyhun Bayramov betonte in einem Interview im April 2021, dass der „geschickte Einsatz von Hochtechnologie und Präzisionswaffen – insbesondere unbemannter Fluggeräte aus israelischer Produktion – eine außergewöhnliche Rolle beim Sieg Aserbaidschans gespielt“ habe.

Die strategische Partnerschaft basiert auf gemeinsamen Interessen und sicherheitspolitischen Zielen – nicht auf einem simplen „Waffen gegen Öl“-Geschäft. Sie erstreckt sich über militärische Zusammenarbeit hinaus auch auf Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft.

Ein zentraler Faktor für Aserbaidschans militärischen Erfolg im Krieg 2020 war die effektive Integration israelischer und türkischer Waffensysteme. UAVs (Drohnen) wurden nicht nur für Einzelmissionen wie Aufklärung oder gezielte Angriffe genutzt, sondern in komplexe Einsatzpläne eingebunden und führten mehrere Aufgaben in einem einzigen Flug durch. Besonders bemerkenswert war der kombinierte Einsatz dieser Systeme zur Ausschaltung armenischer Luftabwehrsysteme vom Typ S-300, die Russland geliefert hatte.

Diese strategisch-technologische Integration deutet auf eine intensive Vorplanung hin, vermutlich in Zusammenarbeit mit israelischen und türkischen Militärexperten. Neben der Lieferung von Waffen vor Kriegsbeginn gab es Hinweise auf laufende Nachschublieferungen Israels während der Kämpfe – unter anderem durch mehrere Frachtflüge der aserbaidschanischen Fluggesellschaft Silk Way Cargo von Israel nach Baku.

Ein herausragender Moment israelischer Waffenhilfe war der Einsatz des Barak-8-Luftabwehrsystems gegen russische Iskander-M-Raketen, die Armenien in den letzten Kriegstagen auf Baku abgefeuert hatte – eine Eskalation, da diese Raketen über längere Reichweite verfügen und ihre Lieferung an Armenien eine Verletzung des internationalen MTCR-Rüstungskontrollabkommens darstellen könnte.

Die effektive Abwehr dieser Raketen unterstreicht das hohe Maß an operativer und technischer Zusammenarbeit zwischen Israel und Aserbaidschan, insbesondere beim Training im Umgang mit hochentwickelter Luftabwehr.

Auch die USA verfolgten diese enge Kooperation aufmerksam – und versuchten sie sogar zu beeinflussen. Ein hochrangiger Beamter des Weißen Hauses forderte Israel laut Berichten auf, Waffenlieferungen zu verlangsamen, um einen Waffenstillstand zu erleichtern. Israel lehnte dies ab mit der Begründung, dass man „Verbündete nicht mitten im Krieg im Stich lässt“. Dieser Vorfall unterstreicht die strategische Tiefe der israelisch-aserbaidschanischen Allianz.

Die unsichtbare Hand: Iran auf dem Schachbrett von Karabach

„Nicht als Wächter, sondern als Spieler mit brennender Absicht trat Iran auf das Schachbrett des Kaukasus – nicht im Schatten, sondern als kalter Stratege im Rauch des Krieges. Es waren keine Nebelzüge, sondern kalkulierte Grenzbrüche, keine stillen Schritte, sondern verdeckte Manöver, um den Lauf der Schlacht zu beugen und das Feuer dorthin zu tragen, wo es nützt – nicht dem Frieden, sondern dem eigenen Spiel.“

Aserbaidschan und Iran teilen eine knapp 500 km lange Grenze. Sie verfügen über eine enge historische und kulturelle Bindung. Nichtsdestoweniger gelten die Verhältnisse zwischen beiden Nachbarstaaten als angespannt.

Zuletzt trugen diesen Spannungen die Militärübungen, die der Iran an seiner nördlichen Grenze durchführte, aber auch Aserbaidschans zunehmend intensivierte Beziehungen und enge Zusammenarbeit mit Israel, bei. Zu weiteren Spannungen führte die Abstimmung des Parlaments der Republik Aserbaidschan für die Eröffnung der diplomatischen Vertretung in Israel.

Das Entsenden des ersten Botschafters nach Israel fiel knapp mit dem 31. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Israel zusammen. Obwohl Israel bereits im Februar 1993 seine diplomatische Vertretung in Aserbaidschan eröffnete, zögerte Aserbaidschan, den gleichen Schritt zu tun, um vermutlich keine weiteren Spannungen in den iranisch-aserbaidschanischen Beziehungen zu verursachen.

Zeitlich überschnitt diese Entscheidung sich mit dem Anschlag auf die diplomatische Vertretung von Aserbaidschan in Teheran. Es kam es zu einem tödlichen Anschlag auf die Botschaft der Republik Aserbaidschan in der iranischen Hauptstadt. Dabei wurde der 41- jährige Sicherheitschef getötet und zwei weitere Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung wurden verletzt.

Die aserbaidschanische Seite stufte den Fall als Terroranschlag ein und evakuierte die Botschaftsmitarbeiter sowie deren Familienangehörige. Es erfolgten vage Untersuchungen, die zwar einen Beschuldigten findig machten, jedoch viele Fragen offenließen.

Nach diesem Ereignis wurden die engen, freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Aserbaidschan und jüdischen Staat erneut unter die Lupe genommen.

Insbesondere zwei Schwerpunkte sind in den israel-aserbaidschanischen Beziehungen für den Iran besorgniserregend; erstens die Vermutung, dass aserbaidschanische Sicherheitsbehörden mit den israelischen eng zusammenarbeiten und Israel dadurch eine breite Palette an Überwachungsmöglichkeiten erlangt.

Zweitens sieht die iranische Regierung die Gefahr, dass Aserbaidschan die separatistische Stimmung im Iran anheizen und die größte aserbaidschanische Minderheit im Iran, deren Zahl sich auf knapp 30 Mio. Einwohner beläuft, gegen das Mullah-Regime anstiften könnte.

Für Aserbaidschan, das mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, ist die religiöse Bindung zwischen Aserbaidschan und dem Iran nicht erstrangig. Auch Teheran orientiert sich in seiner Außenpolitik stärker an Jerewan als an Baku. Dies wurde durch den im Jahr 2020 erneut ausgebrochenen Krieg einmal mehr deutlich.

Im Gegensatz zu seiner üblichen Strategie der indirekten Einflussnahme über Stellvertretertruppen griff der Iran im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien 2020 direkt in die Kampfhandlungen ein.

Als aserbaidschanische Truppen im Oktober 2020 die an Iran grenzende Provinz Zangilan erreichten, überquerten iranische Streitkräfte am 17. Oktober die Grenze und errichteten im Bezirk Jabrayil Straßensperren mit Betonblöcken. Diese schnitten die in Zangilan kämpfenden aserbaidschanischen Truppen von Nachschub und Verstärkung ab.

Die iranischen Kräfte behaupteten, sie wollten das gemeinsam mit den armenischen Besatzern errichtete Khudafarin-Wasserkraftwerk schützen, weigerten sich jedoch zunächst trotz diplomatischer Bemühungen zu gehen. Erst als Baku drohte, das Eingreifen öffentlich zu machen, zogen sie sich zurück.

Diese Intervention verzögerte der Vorstoß Aserbaidschans erheblich, zwang das Militär zu Umwegen und ermöglichte es den armenischen Kräften, sich neu zu organisieren – was zusätzliche Verluste auf aserbaidschanischer Seite zur Folge hatte. Zudem kam es zu mehreren Grenzverletzungen iranischer Truppen in die autonome Republik Nachitschewan.

Iran übermittelte Armenien Informationen über Truppenbewegungen Aserbaidschans an der Grenze, überwachte deren Kommunikation und blockierte sie zeitweise aktiv. Darüber hinaus wird vermutet, dass der Iran auch an der Entwicklung der armenischen Tunnelkriegsführung beteiligt war.

Diese war Teil einer neuen armenischen Militärdoktrin, die etwa zwei Jahre vor dem Krieg eingeführt wurde und offensive Taktiken zur Abschreckung setzte – insbesondere durch die Eröffnung neuer Fronten zur Verteidigung besetzter Gebiete.

Diese sicherheitspolitischen Entwicklungen in der Region verdeutlichen die Komplexität der Bedrohungslage, mit der sich Aserbaidschan konfrontiert sieht – sowohl an den Grenzen als auch im Inneren. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Stabilität der eigenen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Aserbaidschan ein säkularer Staat ist, der religiöse Strömungen, die das innenpolitische Gleichgewicht gefährden könnten, entschieden unterbindet. Im Vordergrund steht das Bestreben des Staates, ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen zu fördern und zu sichern.

Die friedliche Koexistenz der jüdischen und muslimischen Siedlungen über Jahrhunderte hinweg ist eine Seltenheit. In diesem Sinne war Aserbaidschan stets eine Ausnahme – kein Abschnitt seiner Geschichte war es von antisemitischen Zügen gekennzeichnet und das ist den Entscheidungsträgern in Israel wohl bewusst.

Ohne Zweifel sind die Energieressourcen, die geographische Lage und zahlreiche andere Faktoren für Israel von Bedeutung. Die Begründung dieser robusten Beziehungen ausschließlich mit Strategie oder wirtschaftliche Beziehungen scheint dennoch unzureichend zu sein, da bei Staaten eine solide historische Basis haben. Diese wird durch sich von Tag zu Tag verbessernde zwischengesellschaftliche Beziehungen ergänzt.

In der jüdischen Siedlung in Guba leben bis zu 4.000 aserbaidschanische Staatsangehörige jüdischen Glaubens. Insgesamt beläuft sich deren Zahl nach offiziellen Angaben auf 30.000. Sie pflegen gute Beziehungen zur jüdischen Gemeinde in Russland, Israel, in den USA sowie anderen Staaten und vertreten die Interessen von Aserbaidschan.

Gleichzeitig steht die große Community aserbaidschanischer Juden in Israel ihrer Heimat nahe und fungiert als eine langlebige Brücke zwischen Israel und Aserbaidschan. Die jüdische Kultur und Tradition erfahren sowohl durch die aserbaidschanisch-jüdische Gemeinschaft als auch durch staatliche Stellen in Baku aktive Unterstützung.

Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist die Eröffnung des Museums der Bergjuden im Jahr 2020, das in einem ehemaligen Synagogengebäude in Guba untergebracht ist. In dieser Form ist das Museum weltweit einzigartig. Heute zählt es zu den kulturellen Anziehungspunkten des Landes und wird von Touristen aus aller Welt besucht – besonders für Gäste aus Israel ist es von großem Interesse. Allein im Jahr 2019 reisten rund 50.000 israelische Besucher nach Aserbaidschan.

In diesem Kontext muss jedoch erwähnt werden, dass die zwischengesellschaftlichen Beziehungen sich nicht nur auf einen gegenseitigen Tourismus erstrecken, sondern zugleich auf den Austausch von Know-how, Wissensvermittlungen und humanitäre Zusammenarbeit. Besonders ist die Bereitschaft von israelischen Ärzten, in Aserbaidschan unentgeltlich Diagnostiken und Behandlungen durchzuführen, hervorzuheben.

2016 wurden Frauen vom hochqualifizierten Ärzteteam in Großstädten, wie Baku, Mingetschavir und Gandscha, untersucht. Darüber hinaus besuchte nach dem 44-tägigen Krieg eine Delegation von Augenärzten die Hauptstadt Baku und behandelte hunderte von Veteranen.

Eine Frau spendete dabei die Augen ihres verstorbenen Ehemannes an den Kriegsüberlebenden Arif Hajiyev, was ihm half, sein Sehvermögen wiederherzustellen. Solche humanitären Aktionen werden von der aserbaidschanischen Presse engmaschig ausgeleuchtet, was wiederum dem Aufbau der positiven Reputation des Staates Israels dient.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


Fidan Damer ist Politik- und Sozialwissenschaftlerin, freiberufliche Autorin mit dem Schwerpunkt Südkaukasus. Zu den Forschungsthemen gehören insbesondere Außenpolitik der südkaukasischen Staaten, wirtschaftliche Beziehungen und Sezessionskonflikte.

Adil Shamiyev hat an der Aserbaidschanischen Sprachenuniversität Dolmetschen studiert und arbeitet seit 2015 als freiberuflicher Autor. In den Jahren 2020 und 2021 war er jeweils Stipendiat des Deutschen Bundestages. Zwischen 2015 bis 2018 arbeitete Shamiyev bei der Aserbaidschanischen Nachrichtenagentur Azvision und war dort als Nachrichtensprecher in deutscher Sprache tätig.