ein Gastkommentar von Nabi Yücel
Wenn die anerkannten Spielregeln nach eigenen Gutdünken um modelliert werden, weil man davon keine eigenen Vorteile erzielen kann, wird z. B. die moralische Keule zu einem Boomerang. In der Türkei wird derzeit hitzig darüber debattiert, ob die palästinensische Organisation Hamas im Gazastreifen eine Terrororganisation ist oder nicht. Angestoßen hatte die Debatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der bei einer Rede von einer Befreiungsorganisation sprach, die ihr Volk und das Land verteidige.
Nun, in dieser Frage entscheidet die türkische Gesellschaft, was moralisch erwünscht ist oder nicht. Was die Gesellschaft dazu braucht, sind Spielregeln, womit sie in der Lage wären, die Entscheidungssituation scharf herauszuarbeiten.
Heißt das moralische Gebot „Verhältnismäßigkeit“, muss man bei Konflikten die Tötung von Zivilisten, die Zerstörung von zivilen Infrastrukturen oder Krankenhäusern sanktionieren. Wer noch bei Verstand ist, zerbombt nicht eine Fläche von rund 340 km², in der 2,3 Millionen Menschen leben, um danach dafür belangt zu werden. Das heißt, unerwünschte, von Spielregeln erfasste Handlungen werden nicht belohnt, sondern sanktioniert.
Die Spielregel der Erde heißt Völkerrecht. Es legt die rechtlichen Verpflichtungen der Staaten in ihrem Verhalten untereinander und in ihrer Behandlung von Einzelpersonen innerhalb der Staatsgrenzen fest. Nun kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die israelische Regierung sich derzeit an keines der aufgestellten Regeln des Völkerrechts hält; sich im Grunde auf die Stufe von „Schurkenstaaten“ oder „Achse des Bösen“ begeben hat.
Interessanterweise haben die USA und einige europäische Staaten diese Regeln ebenfalls quasi für null und nichtig erklärt und unterstützen die israelische Regierung bei ihren Regelbrüchen, und verteidigen das auch noch. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der sich zuvor als Linienrichter feilgeboten hatte, um eine gemeinsame Einigung zu erreichen, scheint die Faxen dicke zu haben und dreht den Spieß um. Erdoğan erkennt die Hamas nicht als Terrororganisation an.
Vor dieser Entscheidung hatten die westlichen Spielverderber sich sogar darüber echauffiert, dass der Schiedsrichter António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, sich über die Fouls Israels aufgeregt hatte. Kompliziert, oder?
Nein! Wie gesagt gibt es Spielregeln, womit die Gesellschaften der Erde in der Lage sind, die Entscheidungssituation scharf herauszuarbeiten und Stellung zu beziehen. In der Türkei wird das derzeit in sozialen Medien herausgearbeitet, und zwar in Zusammenhang mit der türkischen Doppelmoral innerhalb der Opposition bzw. Oppositionellen.
Gestartet hatte diese Debatte darüber der türkische Journalist Emre Efser, der auf X (vormals Twitter) eine Gleichung aufstellte, die nun von weiteren Nutzern in abgewandelter Form weitergeführt wird.
Die Gleichung lautet: „Hamas terör örgütü değildir. Olsaydı İsmail Saymaz desteklerdi.“ was soviel heißt wie „Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätte İsmail Saymaz [Journalist] diese unterstützt.“
Und wie lauten die abgewandelten Form davon, die Nutzer derzeit teilen?
„Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätte Kemal Kılıçdaroğlu diese beim Namen genannt.“
„Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätten die USA und Israel diese unterstützt.“
„Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätte Pervin Buldan sich an ihr angelehnt.“
„Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätte Washington ein Preis verliehen und der Führer im Élysée Palace empfangen worden.“
„Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätte Ayşenur Arslan in der Halk TV den Terroristen Tipps und Tricks verraten.“
„Hamas ist keine Terrororganisation. Wenn, dann hätte die Initiative Akademiker für den Frieden eine Petition verfasst.“
Wie gesagt, wer sich nicht an die Spielregeln hält – ob in der Türkei oder in Deutschland, die er selbst zuvor hochgehalten hat, dem fällt früher oder später alles auf die eigenen Füße.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.