Start Geschichte Historie Die sozio-kulturelle Lage der Süd-Aserbaidschaner im Iran seit 1828 bis...

Historie
Die sozio-kulturelle Lage der Süd-Aserbaidschaner im Iran seit 1828 bis heute

Seit Mitte September 2022 dauern Proteste im multiethnischen Vielvölkerstaat Iran gegen die autoritäre Regierung. In folgendem Beitrag wird die sozio-kulturelle Lage der größten Minderheit Irans – der Süd-Aserbaidschaner – erläutert.

(Foto: Screenshot/Youtube/Star)
Teilen

von Ahmad Omid Yazdani

Seit acht Monaten kämpfen die freiheitsliebenden Völker im Iran gegen das diktatorisches Molla-Regime. Sie kämpfen für Freiheit, Arbeit und Brot, Demokratie und nationale Selbstbestimmungsrecht.

An der ersten Reihe des Freiheitskampfes stehen die unterdrückten Frauen, deren elementarsten Menschenrechte seit über 40 Jahren von einem mittelalterlichen schiitischen Regime mit Füßen getreten werden.

Ich bin selbst ein Aserbaidschaner aus dem Iran und möchte mit folgendem Beitrag über die sozio-kulturelle Lage der aserbaidschanischen „Minderheit“ im Iran informieren. Das Wort Minderheit setze ich dabei in Anführungszeichen, denn der Iran ist ein multiethnischer Vielvölkerstaat in dem etwa genauso viele Aserbaidschaner wie Perser leben – also etwa jeweils ca. 30 Millionen. Weitere ca. 22 Millionen Einwohner verteilen sich auf andere ethnische Gruppen, wie Kurden, Balutschen, Araber, Turkmenen, Loren, Giläkin und andere kleine Minderheiten.

Wenn wir über Menschenrechtsverletzungen im Iran sprechen, denken wir natürlich als erstes an grundlegende Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Versammlungsfreiheit oder an die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Alle Menschen im Iran leiden unter der alltäglichen Unterdrückung dieser Rechte.

Aber wie sieht es mit den kulturellen Rechten der ethnischen Minderheiten aus?

Auch in diesem Bereich herrscht eine brutale Unterdrückung. Die Angehörige der nicht persischen ethnischen Minderheiten, die sich für die Freiheit ihrer Sprache und Kultur einsetzen, werden inhaftiert, gefoltert und gehängt. Viele Ethnien im Iran erleiden somit zusätzlich zu allgemeiner Unterdrückung, die das gesamte Land betrifft, eine zusätzliche Unterdrückung ihrer Kultur und Sprache.

So gibt es für die über 30 Millionen Aserbaidschaner im Iran nicht eine einzige muttersprachliche Schule. Literatur, Musik und andere Medien auf Aserbaidschanisch sind in der Öffentlichkeit so gut wie nicht vorhanden. Um die Frage zu beantworten, wie es zur jetzigen Situation der Aserbaidschaner im Iran kam, werde ich kurz auf die geschichtliche Entwicklung eingehen.

Süd-Aserbaidschan (1828–1925)

Das historische Aserbaidschan wurde im Jahre 1828 nach einem Krieg zwischen dem Kadscharen-Iran und dem russischen Zarenreich im Rahmen der Friedensverhandlungen geteilt. Der Nordteil wurde dabei an das russische Zarenreich angegliedert, der Südteil verblieb im Iran (siehe Karte „Kaukasisches- und Persisches Aserbaidschan“ nach 1828).

Süd-Aserbaidschan war bis zu diesem Zeitpunkt und bis ins frühe 20. Jahrhundert nicht nur ein einfaches Gebiet im Iran, sondern eine Provinz mit einer sehr starken Stellung und einem hohen Anteil an Autonomität. Der Iran war in dieser Zeit kein stark zentralistischer Staat, sondern bis zur Gründung der Pahlawi Dynastie im Jahre 1925 ein Staatsgebilde, zusammengesetzt aus verschiedenen eigenständigen Selbstverwaltungseinheiten (mämaleke Mähruseye Iran).

Karte “Kaukasisches- und Persisches Aserbaidschan” nach 1828, Baku, Nationalmuseum für Geschichte von Aserbaidschan

Das ganze System kommt nach heutigem Verständnis einer Mischform aus Bundesstaat und Staatenbund sehr nahe. Diese Selbstverwaltungseinheiten – so auch Süd-Aserbaidschan – hatten z. B. die überwiegende Hoheit im Bereich der regionalen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung. Sie führten in regelmäßigen Abständen Teile ihres Steueraufkommens an eine Zentralregierung ab … und im Falle eines Krieges stellten sie militärische Einheiten.

Nun muss man natürlich wissen, dass sich diese Selbstverwaltungseinheiten wesentlich von Bundesstaaten, wie wir sie z. B. in Deutschland kennen, unterscheiden. Denn außer dem höheren Anteil von Autonomie grenzten sie sich untereinander deutlich ab. Sie unterschieden sich meist voneinander durch ihre Ethnizität, ihre Kultur und die Sprache … auch in ihrer religiöser Konfession.

Das Leben in Süd-Aserbaidschan nahm nach den russisch-persischen Kriegen, abgesehen von dem gescheiterten Versuch von Scheich Mohammed Khiabani – im April 1920 mit seiner Demokratischen Partei in Süd-Aserbaidschan eine demokratische Republik zu gründen – seinen gewohnten Verlauf. Das heißt Aserbaidschaner, Perser und andere Ethnien lebten friedlich und gleichberechtigt neben einander. Bis zur Errichtung der Pahlawi-Dynastie im Jahre 1925 war Süd-Aserbaidschan eines der bedeutendsten Zentren wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens im Iran gewesen. Auf Grund seiner geographischen Nähe zu Europa und intensiven Kontakt zu Intellektuellen in der Türkei und Russland besaß Süd-Aserbaidschan bei der Verbreitung moderner europäischer Ideen eine herausragende Sonderstellung im Iran.

So ging beispielsweise die konstitutionelle Revolution 1906–1911 im Iran von Süd-Aserbaidschan aus. Sie richtete sich gegen die willkürliche Herrschaft und errichtete die konstitutionelle Monarchie mit einer Verfassung, die überwiegend der belgischen Verfassung nachgebildet war. Innerhalb Irans befand sich Süd-Aserbaidschan damals in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht in einem normalen Entwicklungsstadium. Dies sollte sich jedoch mit der Errichtung der Palawi-Dynastie im Jahre 1925 grundlegend ändern.

Süd-Aserbaidschan (1925–1946)

Rezah-Schah, der Begründer der Palawi-Dynastie und glühender Anhänger der arischen Rassenideologie, begründete ein Terrorregime, das parallel zur allgemeinen Unterdrückung der iranischen Bevölkerung das Ziel hatte, ein zentralistisches Regime zu erschaffen und die Kultur und Sprachen der nicht-persischen Bevölkerungsgruppen zu vernichten.

Rezah Schah ging hierbei mit einer geschichtlich gesehen beispielsloser Härte vor. Die persische Sprache wurde zur Staats- und Verwaltungssprache sowie zur einzigen Mediensprache erhoben. Die Aserbaidschaner im Iran durften ihre Muttersprache an offiziellen Stellen nicht mehr sprechen. Schüler, die von Lehrern bei einer Unterhaltung in aserbaidschanischer Sprache beobachtet wurden, mussten eine Geldstrafe zahlen oder sie wurden mit dem Schlagstock misshandelt.

Der von der Teheraner Zentralregierung ernannte Kulturverantwortliche Mohseni erklärte dabei öffentlich:

„Wer sich auf Türkisch unterhält, der muss mit einer Leine um den Hals in den Kuhstall gebracht werden.“

Die Beherrschung der persischen Sprache war von nun an Grundvoraussetzung zum sozialen Aufstieg im gesamten Iran. Wer kein Persisch sprach, hatte keine Chance eine Stelle an staatlichen Institutionen zu bekommen. Aserbaidschanische Musik, Bücher und Zeitungen wurden verboten.

Es begann eine von der Teheraner Zentral-Regierung gesteuerte Propaganda gegen aserbaidschanische Bevölkerungsteile. Selbst Aserbaidschaner, die des Persischen mächtig waren, wurden in aller Öffentlichkeit wegen ihrer Aussprache als „halbzivilisiert“ stigmatisiert.

Besonders eifrige Wissenschaftler kämpften dabei öffentlich um die wirksamsten Methoden zur Ausrottung der aserbaidschanischen Kultur und Sprache. Der „Wissenschaftler“ Dr. Mahjar Nawabi schlug dabei vor, aserbaidschanische Kinder von ihren Eltern zu trennen und in rein persischsprachige Regionen in Pflegefamilien zu geben, um so jeglichen Kontakt zur aserbaidschanischen Sprache zu verhindern.

Das ständige Verächtlichmachen, das Verbot aserbaidschanischer Kultur und diese Vorschläge führten zu einem enormen Druck auf die Aserbaidschaner im Iran. Ziel des Schah-Regimes war es offensichtlich, die uralte Kultur eines gesamten Landes komplett
auszurotten. Parallel zur kulturell-sprachlichen Unterdrückung begann die sozio-ökonomische Vernachlässigung Süd-Aserbaidschans. Investitionen in aserbaidschanischen Provinzen (West-Aserbaidschan, Ost-Aserbaidschan, Ardebil) blieben fast völlig aus.

Ziel war es offensichtlich, das aserbaidschanische Bürgertum und die Händler auf den Basaren zur Auswanderung in persische Städte zu zwingen. Doch bevor dieses Vorhaben vollständig verwirklicht werden konnte, musste Rezah Schah Pahlawi im September 1941 auf Druck der alliierten Mächte, die Iran in der Zeit des 2. Weltkrieges besetzt hatten, abdanken.

Der Grund war unter anderem: 

Rezah Schah hat auf freundlicher Basis mit dem nationalsozialistischen Deutschland und Hitler kooperiert. Nach der Besetzung Irans durch die Alliierten und der Abdankung Rezah Schahs zugunsten seines Sohnes Mohammed Rezah Schah Pahlawi begann im Iran eine kurz währende Periode der politischen Freiheit. Im aserbaidschanischen Teil des Irans wurde das Sprachverbot in der Öffentlichkeit aufgehoben und es erschienen wieder Medien in Aserbaidschanisch.

Die Unterdrückung der Aserbaidschaner zur Zeit Rezah Schahs hatte zu einer starken national-freiheitlichen Strömung in Südaserbaidschan geführt. 1945 rief der Vorsitzende der neu gegründeten „Demokratischen Partei Aserbaidschans“, Seyed Djafar Pishawari, die nationale Regierung Aserbaidschans im Iran aus. Vorrangiges Ziel der nationalen Regierung war vor allem die regionale Autonomie Aserbaidschans im Iran, sowie die Befreiung von der einseitigen persischen Kultur- und Wirtschaftspolitik.

Die aserbaidschanische Sprache wurde nun wieder als offizielle Sprache in Aserbaidschan verwendet. Die Kinder, die in der ihnen fremden persischen Sprache unterrichtet wurden, lernten nun wieder in ihrer Muttersprache. Zum ersten Mal in der Geschichte Irans wurde die geschlechtliche Gleichberechtigung offiziell zum Prinzip erhoben. Als die Alliierten den Iran im Mai 1946 verließen, wurde zwischen der Aserbaidschanischen Nationalregierung und der Teheraner Zentralregierung ein 10-Punkte Abkommen geschlossen – demnach blieb Süd-Aserbaidschan und zwar ausdrücklich unter der Gewährung von Autonomie ein Teil des Irans und die aserbaidschanische Sprache wurde als offizielle Amtssprache beibehalten.

Süd-Aserbaidschan (1946–1979) 

Die Teheraner Regierung hielt sich jedoch nicht lange an diesen staatsrechtlichen Vertrag. Bereits im November 1946, also 6 Monate später, marschierten Militäreinheiten der iranischen Zentralregierung in aserbaidschanische Provinzen ein und massakrierten tausende Aserbaidschanern und plünderten das Land.

Nachdem die kaiserliche Armee die linksgerichtete nationale Regierung Aserbaidschans schließlich stürzte, wurden die Repressalien gegen die Aserbaidschaner wieder eingeführt und sogar intensiviert. Es kam nun zu öffentlichen Bücherverbrennungen aserbaidschanischer Literatur. Alles Aserbaidschanische wurde nun noch stärker dämonisiert oder verächtlich gemacht. Gleichzeitig mit dem neuerlichen Verbot der aserbaidschanischen Kultur und Sprache in öffentlichen Institutionen begann die Periode der Assimilation und des Wirtschaftskrieges gegen das Land.

Mitte der sechziger Jahre und Anfang der siebziger Jahre war die antiaserbaidschanische Stimmung im Iran so extrem, dass bereits der Besitz eines einzigen Buches in aserbaidschanischer Sprache dazu führte, dass man von offiziellen staatlichen Organen als Sezessionist gestempelt und verhaftet wurde. Den Millionen aserbaidschanischen Bürgern im Iran wurde kein einziges Radio- oder Fernsehprogramm geboten – sie hatten keine Zeitungen und Bücher.

Die systematische Diskriminierung der Aserbaidschaner ging soweit, dass nun viele anfingen dem Druck nachzugeben und ihre eigene Nationalität zu leugnen. Aserbaidschan, das vor der Pahlawi-Dynastie aufgrund seiner geopolitischen Lage zu den wichtigsten Industrie- und Handelszentren gezählt hatte, verwandelte sich rasant in eine der unterentwickeltsten Provinzen im Iran.

Die Anzahl der Industrieanlagen und der Neuinvestitionen war im Vergleich zu anderen bevölkerungsmäßig gleichstarken persischen Provinzen drastisch geringer. Die unzumutbaren Umstände veranlassten die Aserbaidschaner massenweise zur Flucht in die persischen Großstädte. Intellektuelle, Basarhändler, also große Teile der Mittelschicht, flohen scharenweise aus Süd-Aserbaidschan. Parallel zur Bevölkerungsflucht kam es zu einer großen Kapitalflucht. Milliarden von Rial flossen mit den aserbaidschanischen Auswanderern in die persischen Städte.

Süd-Aserbaidschan nach der islamischen Revolution 1979

Die systematische Benachteiligung und Verwüstung des aserbaidschanischen Wirtschafts- und Kultursektors hat sich nach der islamischen Revolution im Jahre 1979 nicht etwa verbessert, sondern enorm verschlechtert. Die kulturellen und sprachlichen Beschränkungen der Pahlawi-Dynastie wurden von den Mullahs
aufrechterhalten. Der persische Assimilationsprozess schreitet bis heute voran. Ein schleichender Kulturmord von undenkbarem Ausmaß und mit undenkbarem Ausgang.

Die Assimilationspolitik der Zentralregierung basiert dabei vor allem auf 5 Methoden:

1. Verbot des muttersprachlichen Schulsystems sowie massive Behinderung von muttersprachlichen Medien. Hierzu muss ich ausführen: Es gibt zwar ein Fernsehprogramm, in dem aserbaidschanische Wörter benutzt werden, aber diese bewusst in einer völlig grammatikalisch falschen Weise und gemischt mit persischen Wörtern. Eine gezielte Deformation der Sprache.

2. Vernachlässigung der ökonomischen Entwicklung der aserbaidschanischen Gebiete.

3. Anwendung subtiler psychologischer Methoden zur Aufgabe der ethnischen Identität der Aserbaidschaner – z. B. rassistische Witze und Karikaturen in öffentlichen Zeitungen über Aserbaidschaner, die als „Esel-Türken“gennant werden.

4. Umbenennung historischer Stätten, Orte, Dörfer und Inseln der Aserbaidschaner ins Persische.

5. Das Verbot, neugeborenen Kindern, aserbaidschanische Namen zu geben.

Doch wozu diesen ganzen Aufwand, was ist der Zweck dieser offensichtlichen Benachteiligung Süd-Aserbaidschans? Weshalb wurden Millionen Aserbaidschanern ihre Sprache und Kultur in der Öffentlichkeit faktisch verboten? Wieso soll die Identität eines ganzen Volkes ausgelöscht werden?

Hierzu sollte man wissen, dass die ethnische Benachteiligung der Aserbaidschaner und natürlich anderer Volksgruppen im Iran ihren Ursprung, wie gesagt in der Pahlawi-Dynastie hat. Rezah Schah war ein ideologischer Anhänger Hitlers und der Idee des arischen Übermenschen. Für Rezah Schah waren die Perser, wie für Hitler die Deutschen die arische Herrenrasse. Die Kultur der anderen nicht-persischen Völker Irans galt für ihn als minderwertig und gehörten somit ausgerottet. Diese Meinung wird noch heute von vielen sogenannten persischen Intellektuellen und staatlichen Würdenträgern offen propagiert; selbst von solchen, die an sonst die Unterdrückung von Freiheitsrechten im Iran anprangern.

Wie kann die gegenwärtige Situation der Aserbaidschaner im Iran beschrieben werden:

• Aserbaidschan ist ein seit 1828 geteiltes Land. Wir haben im Iran über 30 Millionen Aserbaidschaner, die zusätzlich zur allgemeinen politischen Unterdrückung einer
kulturell-wirtschaftlichen Unterdrückung unterliegen.
• Über 30 Millionen Aserbaidschaner, die keine Möglichkeit haben in öffentlichen Schulen ihren Kindern die Muttersprache beizubringen, die keine wirkliche Möglichkeit haben
eine Zeitung in ihrer Sprache zu lesen oder einen Film in ihrer Sprache zu sehen.
• Zwar sieht Artikel 15 der islamisch-iranischen Verfassung vor, dass die verschiedenen Volksgruppen im Iran das Recht auf muttersprachliche Medien und die Erlernung ihre
Literatur in den Schulen haben. Doch liegt hier der wohl krasseste Widerspruch von Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit im Iran.

• Wir haben im Iran ein über 30 Millionen Volk, das ständiger propagandistischer Hetze seitens rassistischer persischer Kreise ausgesetzt ist, und das am Rande der Vernichtung
steht.

Es stellt sich daher die Frage, wie sich das durch Rezah Schah künstlich geschaffene Nationalitätenproblem im Iran lösen lässt? Entsteht im Iran vielleicht ein zweites Jugoslawien oder aber zweites Irak oder Syrien? Können die verschiedenen Völker im Iran gleichberechtigt und in gegenseitiger Achtung miteinander leben und wird die hauptsächlich aus Persern bestehende politische Elite im Teheran bereit sein, die nationalen und kulturellen Rechte der anderen Völker im Iran anzuerkennen?

Wird diese Elite bereit sein, bedingt durch die Partizipation anderer Volksgruppen an der Regierung, auf einen Teil ihrer Macht zu verzichten?

Hinsichtlich der Problemlösung der aserbaidschanischen Frage im Iran sind in letzter Zeit mehrere politische Untergrundorganisationen entstanden. Bei diesen politischen Organisationen werden hauptsächlich zwei Meinungen vertreten:

• Für einen Teil ist Iran ein „Gefängnis der Völker“. Die politische Führung im Iran besitze auf Grund fehlender demokratischer Tradition im Iran und auf Grund der Machtgier nicht
die Fähigkeit, einen Schritt in die Richtung Demokratie zu gehen. Folglich seien die Unterdrückung der demokratischen Rechte und die Assimilationspolitik gegenüber anderen ethnischen Gruppierungen im Iran eine logische Vorgehensweise der politischen Eliten im Iran. Der einzige Weg aus diesem Zustand sei die endgültige Abtrennung Süd-
Aserbaidschans vom Iran.

• Ein anderer Teil der politischen Richtung sieht die Zukunft Süd-Aserbaidschans zwar im Iran, jedoch ausschließlich unter der Bedingung der Gewährung von autonomer Selbstverwaltung im Rahmen eines demokratisch-föderativen Staatssystems im Iran. Ein föderativer iranischer Staat müsse als Grundlage den freiwilligen Zusammenschluss aller im Iran lebenden Völker haben. Da die Aserbaidschaner mit einer Bevölkerung von ca. 30
Millionen mindestens gleichstark wie die Perser im Iran vertreten sind, müsse ihnen – wie so vielen anderen Völkern in der Region – regionale Selbstverwaltung sowie in Fragen
der Außen- und Innenpolitik Irans ein gleichberechtigtes Mitspracherecht eingeräumt werden. Außerdem muss die aserbaidschanische Sprache auch als offizielle
Kommunikationssprache Irans proklamiert werden.

Unabhängig von der Frage, welches dieser Szenarien realistischer sein mag – eines steht fest:

Es ist für das 21. Jahrhundert unvorstellbar, dass ein 30 Millionenvolk fast vollständig seiner Identität beraubt wird. Das Recht, dass die eigenen Kindern ihre Muttersprache in der Schule lernen; das Recht, dass man Kinos, Theater und Filme in seiner Muttersprache sehen darf; das Recht, seinen Kindern muttersprachliche Namen geben zu dürfen und für seine Herkunft nicht verächtlich gemacht zu werden sind unveräußerliche Menschenrechte. Sollten den Millionen Aserbaidschanern und anderen Ethnien diese Rechte nicht gewährt werden, so könnte der Iran und die Region einer konfliktreichen Zukunft entgegensehen, denn der Widerstand unter den unterdrückten Ethnien gegen den Assimilationsprozess wird stärker.

Es ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit, bis dies Protest zu einer Massenbewegung wird.


Der Autor

Ahmad Omid Yazdani (Azəroğlu), geboren 1947 in Täbris/Iran, kam 1970 in die Bundesrepublik. Er studierte in Mainz, Trier und Berlin Politikwissenschaft, Soziologie und Volkswirtschaft. 1993
veröffentlichte er sein Buch “Geteiltes Aserbaidschan” und verschiedene Artikel zum Thema Iran und Aserbaidschan.