Start Politik Ausland Verschwörungsmythen Türkei: Keine geheimen Klauseln im Lausanne-Vertrag

Verschwörungsmythen
Türkei: Keine geheimen Klauseln im Lausanne-Vertrag

Der Vertrag von Lausanne und die sogenannte geheime Vereinbarung

Der Vertrag von Lausanne wurde am 24. Juli 1923 zwischen der Türkei sowie Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen im Palais de Rumine geschlossen. Tagungsort der Verhandlungen war das Schloss Ouchy.
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von Nabi Yücel

Seit Jahren stellen gewisse Kreise in der Türkei die Behauptung auf, der Vertrag von Lausanne von 1923 beinhalte eine geheime versteckte Klausel, die es der Türkei bis 2023 verbietet, ihre Bodenschätze auszubeuten. Nun hat sich das Informationszentrum des Präsidialamts des türkischen Staatschefs dieser Frage eines Bürgers angenommen. Die Antwort war wie erwartet.

Die nächste Präsidentschaftswahl in der Türkei findet spätestens am 25. Juni 2023 statt. Zu diesem Datum, genau einen Tag und 100 Jahre davor, am 24. Juni 1923, wurde zwischen der Türkei sowie den Siegermächten des Ersten Weltkriegs der Vertrag von Lausanne geschlossen. Mit den Vertragsbedingungen konnte die Türkei, nachdem Griechisch-Türkischen Krieg von 1922, die nach dem Ersten Weltkrieg diktierten Bedingungen des Sèvres Vertrags von 1920 nach ihren eigenen Vorstellungen revidieren.

Seit Jahren geistert aber wider Willen die Vorstellung im Raum, am 25. Juni 2023, spätestens mit der Wahl des neuen Staatspräsidenten, würden die sogenannten „Fesseln des Lausanner Vertrags gesprengt“, weil der Vertrag nach 100 Jahren auslaufe. Die Türkei könne dann unter anderem ihre Bodenschätze wie Erdgas, Erdöl oder Gold ausbeuten, so die Vorstellung. Diese Mär ist aber spätestens mit den Erdgas-Funden im Schwarzmeer sowie in territorialen Gewässern der Türkei widerlegt, die allen voran der türkische Präsident Erdogan selbst seit Jahren enthusiastisch vorantreibt.

Der Vertrag von Lausanne selbst hat in seinen Artikeln keine versteckten Klauseln und auch kein Vertragsende festgelegt. Bisher hat sich auch kein Vertragsstaat aus dem Vertrag verabschiedet, kein Staat hat ihn für unwirksam oder nichtig erklärt. Dieser Vertrag gilt für alle Vertragsstaaten so lange, wie kein anderer Vertragsstaat sie für nichtig erklärt oder daraus aussteigt.

Nun hat ein türkischer Staatsbürger von seinem Recht Gebrauch gemacht, dem Informationszentrum des Präsidialamts des türkischen Staatspräsidenten (CİMER (Cumhurbaşkanlığı İletişim Merkezi) eine Frage zu stellen. Die simple Frage an CİMER lautete, ob der Vertrag von Lausanne eine versteckte oder geheime Klausel beinhalte, die die im Raum stehenden Gerüchte bestätigen.

Die Antwort darauf ist nüchtern, wie bekannt: Es gibt keine versteckte oder geheime Klausel, die verhindert, dass Bodenschätze in der Türkei ausgebeutet werden können. Zwar unterstreicht CİMER, dass das nicht die eigene Meinung des Präsidialamts widerspiegle, aber letztendlich ist es eine offizielle Bestätigung, dass die Behauptung nicht haltbar ist.

Seit Jahrzehnten werden in der Türkei kleinere Minen betrieben, wobei in überschaubaren Mengen Edelmetalle gewonnen werden. Bis vor einigen Jahren lohnte es sich aber für größere Minenbetreiber nicht, Erze und Edelmetalle, die in Gestein vorkommen, daraus herauszulösen und so zu gewinnen. Der Markt war während dieser Zeit gesättigt, die Preise für Gold und Erdgas oder Erdöl niedrig. Es lohnte sich schlicht und einfach nicht, diese gewinnbringend für den freien Markt zu gewinnen.

Gegenwärtig ziehen die Preise für Edelmetalle sowie Kohlenstoffverbindungen seit Jahren aber immer weiter an. Die Renditemöglichkeiten und der Bedarf im freien Markt steigt ebenfalls an. Das führt dazu, dass sich immer mehr Unternehmen und Konzerne der Ausbeutung von seltenen Erden, Erdgas, Erdöl oder Edelmetallen in der Türkei widmen, gerade weil diese aufgrund der Marktsituation nun Gewinne abwerfen können.