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Muezzin-Ruf
Kommentar: 99 Prozent der Moscheegemeinden verzichten aus Rücksicht auf Gebetsruf

Die Entscheidung der Stadt Köln zum zweijährigen Modellprojekt „Öffentlichen Gebetsruf“ wird von Muslimen und den islamischen Dachverbänden begrüßt.

(Symbolfoto: nex24)
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99 Muezzin-Rufe und nur einmal kommt Allah vor

Ein Gastbitrag von Nabi Yücel

Die Entscheidung der Stadt Köln zum zweijährigen Modellprojekt „Öffentlichen Gebetsruf“ wird von Muslimen und den islamischen Dachverbänden begrüßt. Das ist eine Geste des eigenen Selbstverständnisses dieser Muslime und Dachverbände, die sich bislang in der Ausübung des Muezzin-Rufes trotz ihrer Religionsfreiheit überaus geduldig gezeigt und entsprechend zurückgehalten haben.

Wir sollten aber bei all der aufkommenden dramatisierten Kritik um den Muezzin-Ruf nicht vergessen, dass 99 Prozent der Moscheegemeinden aus Rücksicht auf die benachbarte Bevölkerung auf den Muezzin-Ruf und somit auf das elementarste Recht – dass ihnen auch ohne Sonderregelung oder sonstigen Zugeständnissen seitens der Behörden oder PolitikerInnen zusteht – verzichten. Selbstverständlich schätzen Muslime ein entsprechendes Entgegenkommen von Großstädten wie Köln, weil sie sich dabei nicht als Bittsteller betrachten müssen. Die Reaktion auf die Entscheidung der Stadt Köln kam bei den Muslimen dennoch vernichtend und dementsprechend grotesk an, nach dem Necla Kelek, die sogenannte Islam-Expertin, sich zu Wort meldete:

„Eigentlich gehört der Ruf ‚Allahu Akbar‘ mittlerweile in unserem Wortschatz verboten. Sie dürfen das überhaupt nicht mehr benutzen, weil es von Attentätern, Islamisten und Terroristen benutzt wird.“

Die Ex-Muslimin Shammi Haque erklärte:

„Der Muezzin-Ruf sagt: „Allah ist groß, es gibt keinen anderen Gott außer Allah“. Dieser Ruf steht für mich dafür, dass Vielfalt gerade NICHT toleriert wird, dass Andersgläubige NICHT respektiert werden.“

Eren Güvercin von der Alhambra Gesellschaft brillierte über Twitter, in dem er gleich alle politisch-motivierten Debatten aus der Türkei nach Köln trug und breittrat:

„Wo war eigentlich dieser Ausdruck der Beheimatung der Muslime, die gegenseitige Toleranz und Akzeptanz bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee in Köln, als man daraus eine One-Man-Show für Erdogan gemacht hat, und niemand aus der Kölner Zivilgesellschaft, die den Bau von Anfang an unterstützt haben, nicht reden durften? Was sagt es über DITIB aus, dass man diese Floskeln immer nur dann verwendet, wenn es einem in den Kram passt, aber ansonsten anders agiert? Unter dieser mangelnden Aufrichtigkeit leiden in aller erster Linie deutsche Muslime.“

Zuallererst zitiere ich für all jene, die in einer christlich-jüdischen Wertegemeinschaftsblase schwelgen, aus dem Alten Testament:

„1. Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

Zum anderen gibt es nicht „euren“ Gott, „unseren“ Gott, sondern sie sind nach dem Koran ein und derselbe Gott, der die Gebote den Erdenmenschen zukommen ließ. Gott hat im Islam sogar 99 Namen, davon heißt einer „Allah“. Wenn der Muezzin ein ganz lustiger wäre und hiesigen Werteverteidigern einen Streich spielen würde, ließe er 98 unterschiedliche Namen Gottes vom Minarett erklingen lassen und kein Hahn würde danach krähen, weil niemand die Bedeutung des Rufes einordnen könnte.

Aber nun ist im Sprachgebrauch der Muslime „Allah“ allgegenwärtig, weshalb sich diese sogenannten Islam-Experten und Ex-Experten im skandalisieren von Trivialitäten üben, sobald dieser Begriff fällt. Sie verteidigen u.a. die weltbewegende Erkenntnis, dass eine monotheistische Religion und ihre Repräsentanten und Institutionen nicht dem Gebot der weltanschaulichen Neutralität verpflichtet sind.

Ähm, ja, sicher doch, die [Muslime] dürfen das. Das ist sozusagen ihr Job. Jeder, der glaubt, die Wahrheit gepachtet zu haben, hat auch das Recht, dies kundzutun und für sich zu werben. Dafür stehen mehrere elementare Grund- und Menschenrechte, die unter anderem Shammi Haque immer wieder gerade mit Blick auf Muslime über die BILD zu unterminieren sucht. Schade, dass Sie sich als Alibi-Migrantin auch noch für ein Hetzblatt wie die BILD verdingt. Diese Worte von ihr hat die BILD nicht wiedergegeben, weil man ihr Intellekt und Ihre Meinung schätzt, sondern weil sie in ihrer Erscheinung der krasse Gegensatz zum dieser Tage viel gescholtenen alten weißen Mann ist.

Ein anderer, der im nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs gearbeitet haben will, hat offenbar seinen Job nicht gemacht – oder weshalb sollte er sich nun bloßstellen und behaupten, er wisse nicht, was in DITIB-Moscheen gepredigt werde oder was da überhaupt passiere. Das ist schon peinlich, wenn nicht einmal mehr Verfassungsschutzorgane eines Bundeslandes imstande sind, bei den Moscheegemeinden während der Tage der offenen Moschee nachzufragen, ob es die Predigt oder den Muezzin-Ruf vorab auch in deutscher Sprache gibt.

Und der Letztere, der sich als Aussteiger rehabilitiert haben will, der vor langer Zeit meinte, vor allem mit türkisch-islamischen Verbänden im Dialog ein neues eurozentrisches Islamverständnis etablieren zu wollen, hat sich zum Ziel gesetzt, gleich alles aus der Türkei nach Deutschland zu transferieren – nun, darauf komme ich später noch zurück.

Wenn wir in die deutsche Geschichte zurückblicken, stoßen wir recht schnell auf die selben Argumentationsketten, die auch 1866 wegen dem Bau der Großen Synagoge in der Oranienburgerstraße in Berlin aufgegriffen wurden. Damals ging es nicht um Minarette und Moscheen, sondern darum, dass die Juden Berlins, ihrer steigenden Zahl und Präsenz entsprechend, ein repräsentatives Gotteshaus bauen wollten. Antisemiten empfanden den Prachtbau mit der goldglänzenden Kuppel als Provokation, gar als Schandfleck und Protzbau. Einige Jahrzehnte später waren sie wohl die ersten, die den Prachtbau auch wieder loswerden wollten und sich zum letzten Akt – dem Abfackeln – hinter dem Mob anstellten. Da standen dann auch die einstigen jüdischen Mitstreiter im Weg, die ebenfalls vorsorglich entfernt wurden.

Diese Synagoge löste schon während der Planung und des Baus auch heftige Diskussionen innerhalb der jüdischen Gemeinde aus. Sogenannte liberal Denkende Juden äußerten den Einwand, der ungewohnte maurische Baustil betone die Fremdartigkeit der jüdischen Religion und behindere so den angestrebten Integrationsprozess. Man müsse sich sozusagen anpassen, sich selbst kritisch hinterfragen, mit der hiesigen Kultur verschmelzen, hieß es.

Da wären wir auch wieder bei unserem „liberalen“ Burschen Eren Güvercin und seiner Truppe, der Alhambra Gesellschaft, die die Fremdartigkeit der DITIB und anderer türkisch-islamischen Verbände oft genug betont haben und sich dabei stets zum Besten geben; weil vor allem Necla Kelek und der ehem. Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs Michael Bertrams das zuallererst aufgegriffen und medial breitgetreten haben. Wobei, was hat eigentlich die Türkei mit dem Muezzin-Ruf in Deutschland zu tun? Klingt der irgendwie anders als der Muezzin-Ruf der bosnischen Moscheegemeinde? Werden mit den Ruf geheime Botschaften getragen, Schläferzellen der DIYANET aktiviert?

Jedenfalls, das Ergebnis von damals in Berlin war, dass die Große „Alte“ Synagoge dann trotz der heftigen Kritik und Einwände gebaut werden konnte und die Berliner zumindest bis zur Reichskristallnacht vom maurischen Stil entzückt waren. Was danach geschah, was nie wieder geschehen sollte, erleben wir heute immer wieder aufs neueste.

Man muss also das Rad nicht neu erfinden, aber man weiß – aufgrund der Geschichte – um seine Beschaffenheit. Die steigende Zahl und Präsenz der Muslime wird wie bei den Juden nach 1866 ihren Tribut fordern – das ist so sicher wie das Amen [Amin]. Necla Kelek wird mit „Allah ist Groß“ Rufen zu Grabe getragen; Shammi Haque wird – während Sie für für Deutschkenntnisse Niveau A2 paukt – 5-mal am Tage Migräne-Tabletten einnehmen und Eren Güvercin wird sich im Midlife-Crisis wiederfinden, weil er in keinem der türkisch-islamischen Moscheegemeinden den Muezzin-Ruf tätigen kann.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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