Der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sieht das politische System der USA im Zustand einer unversöhnlichen Polarisierung und darin auch eine Gefahr für die Demokratie.
Gabriel sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“ zum Vorwurf des Wahlbetrugs durch US-Präsident Donald Trump und dessen Weigerung, Wahlergebnisse anzuerkennen: „Das ist in einem demokratischen Land natürlich ein absolut unmöglicher Vorgang. (..) Es zeigt aber auch die tiefe Spaltung der amerikanischen Bevölkerung. Denn dort sind politische Parteien längst nicht mehr Wettbewerber, sondern Feinde.“ Tiefe politische Feindschaft in einer Demokratie sei „immer gefährlich“.
Gabriel, der heute Vorsitzender der Denkfabrik Atlantik-Brücke ist, äußerte sich aber zuversichtlich, dass die demokratischen Institutionen der USA auch nach dieser Wahl funktionieren werden.
„Die Frage ist ja eher, was wird aus der Wählerkoalition, die Donald Trump zum zweiten Mal und sogar mit mehr Zustimmung bilden konnte? Die gibt es ja auch noch nach seiner Amtszeit.“
Gabriel machte dafür indirekt auch die US-Demokraten mitverantwortlich: „Das kann ja nur an den Defiziten seiner Gegner liegen. Es gibt eben eine immer größer gewordene Anzahl an Menschen in den USA, die sich von den wirtschaftlichen und politischen Eliten in den großen Zentren des Landes vergessen fühlen. Daran muss man arbeiten und nicht an der Charakteranalyse von Donald Trump.“
Gabriel erwartet auch bei einem Wechsel im Weißen Haus Differenzen mit den USA.
„Mit Joe Biden werden die Konflikte zwischen Europa und Deutschland auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite des Atlantik nicht verschwinden. Konflikte über den Umgang mit China, mit Russland, mit der Erdgaspipeline North Stream oder in Handelsfragen. Aber Joe Biden weiß, wie wichtig auch im 21. Jahrhundert Alliierte und Partner für die USA sind. Das sieht bei Donald Trump ganz anders aus.“
Mit Biden würden Kompromisse möglich sein, etwa in der Klimapolitik. Aber Biden werde Europa auch mehr fordern. „Denn bislang bringen wir in die atlantische Partnerschaft wenig ein“, so Gabriel.