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Mittelmeer-Krise
Kommentar: Griechenland ist an keiner Deeskalation mit der Türkei interessiert

Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, ist nicht dafür bekannt, dass er Unwahrheiten ausspricht. Nach Stoltenbergs Angaben vom Donnerstagabend hatten sich die beiden NATO-Mitglieder Griechenland und die Türkei auf die Aufnahme von Gesprächen geeinigt.

(Archivfoto: MSB)
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Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge – kboelge@web.de

Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, ist nicht dafür bekannt, dass er Unwahrheiten ausspricht. Nach Stoltenbergs Angaben vom Donnerstagabend hatten sich die beiden NATO-Mitglieder Griechenland und die Türkei auf die Aufnahme von Gesprächen geeinigt.

Am Freitagmittag wurde Stoltenberg konkreter. Bei den geplanten Unterredungen handele es sich um „technische Gespräche“, die zur Deeskalation des Konflikts in militärischer Hinsicht beitragen sollten. Dann kam ein Dementi aus Athen. Die griechische Regierung erklärte, eine Gesprächsvereinbarung „entspräche nicht der Realität“ und eine Deeskalation des Konflikts könne es nur geben, wenn die Türkei ihre Schiffe aus den „griechischen Gewässern“ abziehe.

Mit diesem Statement hat Griechenland versucht den NATO-Generalsekretär bloßzustellen, obwohl es in Brüssel einer Gesprächsvereinbarung zunächst zugestimmt hatte. Diese Vorgehensweise ist unseriös und zeigt den Unwillen Athens den Konflikt mit der Türkei zu entschärfen. Das wird auch in den Streitpunkten selbst deutlich, weil Griechenland für seine kleinen Inseln in der Ägäis einen eigenen Festlandssockel beansprucht, obwohl das internationale Seerecht Küstenstaaten über den Festlandssockel eine Ausschließliche Wirtschaftszone zugesteht.

Exemplarisch sei hier die zwei Kilometer vom türkischen Festland entfernte Insel Kastellorizo (Meis) erwähnt, die mit einer Fläche von 10 km2 nach griechischer Auffassung eine Wirtschaftszone von 40.000 km2 beansprucht. Durch die fragwürdige Haltung Griechenlands wird der rechtliche Anspruch der Türkei auf eine Ausschließliche Wirtschaftszone, die in diesem Gebiet eine Küste von über 1.800 km hat, durch die griechische Regierung missachtet. Die Türkei ihrerseits beruft sich auf das internationale Seerecht und hat ihren Rechtsanspruch auf eine Ausschließliche Wirtschaftszone unterstrichen.

Zur Erinnerung: Griechenland begeht seit Jahrzehnten Vertragsbruch, weil es entgegen der Verträge von Paris (1947) und Lausanne (1923) die Dodekannes-Inselgruppe (12 Inseln) und die nördlichen ägäischen Inseln remilitarisiert hat. Es beansprucht über dem Luftraum der Ägäis ein Hoheitsgebiet von 10 Seemeilen, obwohl dieser Anspruch gegen das Luftverkehrsabkommen der Chicagoer Konvention verstößt. Nach der Chicagoer Vereinbarung muss das Hoheitsgebiet des Luftraums, dem der Territorialgewässer entsprechen und das sind in der Ägäis 6 Seemeilen.

Letzte Woche hatte Griechenland angekündigt seine Hoheitsgewässer im ionischen Meer auf 12 Seemeilen auszuweiten und diesen Schritt auch in der Ägäis durchführen zu wollen. Obwohl zwischen beiden Staaten in der Ägäis die Hoheitsgewässer 6 Seemeilen betragen, haben griechische Regierungen immer wieder ihren Rechtsanspruch auf 12 Seemeilen unterstrichen.

Durch die vielen Inseln in der Ägäis, besteht dort eine besondere Situation, weil eine Ausweitung der Territorialgewässer durch Griechenland auf 12 Seemeilen das ägäische Meer zu einem rein griechischen Binnenmeer machen würde. Das hätte für die Türkei und die internationale Schifffahrt große Nachteile. Im Falle einer Ausweitung der Hoheitsgewässer auf 12 Seemeilen, betrachtet Ankara dies als Kriegsgrund.

Griechenland ist an keiner Deeskalation des Konflikts mit der Türkei interessiert. Es missachtet das internationale Seerecht und versucht durch provokative Aktionen einen Krieg mit der Türkei anzuzetteln. Ein mögliches Szenario besteht darin die Türkei in einen Krieg zu verwickeln, um im Gegenzug über die EU, Sanktionen gegen die Türkei verhängen zu lassen und mit diesem Schritt die Türkei zu schwächen.

Allerdings wäre es zu einfach, wenn bei diesem Streit nur Griechenland als Konfliktpartei gegenüber der Türkei betrachtet wird. Ich meine damit nicht, dass Griechenland keine eigenständige Politik betreibt. In der Ägäis und im östlichen Mittelmeer hat es die Türkei auf der Akteursebene mit Deutschland, Frankreich und auch mit den USA zu tun. Insbesondere Deutschland und Frankreich unterstützen Griechenland über die EU finanziell als auch politisch. Wie ich bereits in einem anderen Beitrag geschrieben hatte, haben die EU-Außenminister bei einem Treffen in Berlin angekündigt möglicherweise Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen, um Ankara dazu zu bringen auf seine Ansprüche aus dem internationalen Seerecht zu verzichten.

Sanktionen der EU gegen die Türkei würden gegen internationales Recht verstoßen, weil die Türkei im östlichen Mittelmeer in ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone rechtmäßig nach Öl und Gas sucht. Der Konflikt mit Griechenland ist mit diplomatischen Mitteln nicht zu lösen, weil sowohl Griechenland selbst als auch die erwähnten Akteure hinter Athen kein Interesse an einer Lösung des Streits haben und die Energievorkommnisse in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Türkei im östlichen Mittelmeer unrechtmäßig für sich beanspruchen.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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