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"Timber Sycamore"
Kommentar: „Syrische Opposition fordert Abtretung der Kontrolle an die Türkei“

"Diese Forderung wird immer lauter und nachdrücklicher, was man u.a. in ar-Raqqa beobachten kann. Hier rebelliert die Bevölkerung gegen die YPG-Bevormundung und es kommt immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen, die mit Waffengewalt von der YPG niedergeschlagen werden." Ein Kommentar.

Antiterror-Militäroffensive "Olivenzweig 2018 auf Afrin (Foto: TSK)
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Von Nabi Yücel

Kaum eine Oppositionskraft in Syrien ist auf die USA gut zu sprechen, außer vielleicht noch der syrisch-kurdischen YPG, die unter dem Banner der Terrororganisation PKK bestrebt ist, in Nordsyrien eine sogenannte „Kurdenautonomie“ zu errichten. In diesem Lichte betrachtet ist es auch nicht verwunderlich, wenn die YPG, je nach geopolitischer Großwetterlage, mal die US-Flagge und die Israel-Flagge schwenkt, aber auch kein Problem damit hat, mit einem syrischen Diktator oder Russland zu verhandeln, wenn die Unterstützung aus dem Westen ausbleibt.

Die Unterstützung der YPG schwindet jedoch, seitdem US-Präsident Trump mit dem Gedanken experimentiert, als Oberbefehlshaber seine US-Bodentruppen aus Nordsyrien abzuziehen. Vor Jahren hatte sein Amtsvorgänger Obama ein Programm der CIA namens „Timber Sycamore“ initiiert, mit der syrische Oppositionsmilizen ausgebildet und bewaffnet werden sollten, um im syrischen Bürgerkrieg gegen syrische Regimetruppen zu kämpfen und Assad zu stürzen. Mit Beginn des Bürgerkrieges begann die CIA 2013 oppositionelle Milizen an Waffen zu trainieren und mit Waffen auszustatten, die allen voran aus Saudi-Arabien und Katar, aber auch aus den USA über Ramstein nach Syrien verfrachtet wurden.

Ausgebildet an Waffen, aufmunitioniert mit russischen oder osteuropäischen Waffen und gut besoldet, kämpften diese Milizen gegen den syrischen Diktator, während sich die YPG als Handlanger der Terrororganisation PKK überwiegend im Norden des Landes niederließ, das Machtvakuum ausnutzte und es dabei konsequent vermied, sich direkt mit dem Diktator anzulegen. Die YPG spielte dabei ein doppeltes Spiel. Einerseits ließ sich die YPG im Laufe des syrischen Bürgerkrieges als einzige noch demokratisch gesinnte Miliz verklären, in der sie sich den USA als Koalitionskraft anbot und deren Idee aufschnappte, sich ab diesem Zeitpunkt als „Syrische Demokratische Kräfte“ (SDF) zu bezeichnen und somit dem Westen die Möglichkeit zu bieten, eine zweite Front aufzubauen. Andererseits sicherte sich die YPG aber auch das Wohlwollen des syrischen Diktators, in dem sie dabei mitwirkte, Städte miteinzunehmen, die von Oppositionskräften gehalten wurden. Die nordsyrische Metropole Aleppo ist so ein Fall, das gemeinsam mit diktatorischen Kräften in die Zange genommen wurde, schließlich nach langen Bombardements und blutigen Kämpfen eingenommen werden konnte.

Den Preis wiederum zahlt die Türkei, Jordanien, Libanon und Europa bis heute, in dem sie Millionen von syrischen Flüchtlingen aus dem Gouvernement Aleppo aufnahmen. Was mit „Timber Sycamore“ begann, endete also im Chaos. Das doppelte Spiel der YPG wie auch der Anti-IS-Koalition konnte nicht mehr aufrechterhalten werden, immer mehr Milizen der syrischen Opposition entwickelten eine eigene Dynamik, die gegenwärtig kaum mehr einer beherrscht – schon gar nicht die Flüchtlingswellen. Die ehemaligen Oppositionskräfte wurden deshalb im Laufe der Zeit zu „islamischen“ wie „islamistischen“ Milizen verklärt, die zuvor noch von den USA, mehreren europäischen Staaten, Saudi-Arabien und Katar gefördert wurden. Letzterer scheint ebenfalls auf der Abschussliste zu stehen, denn seit 2017 wird Katar von den Golfstaaten massiv bedrängt.

Nun steht die YPG vor der Qual der Wahl, oder sollten wir sagen, vor der endgültigen Entscheidung, sich auf eine „Seite“ zu schlagen. Mittlerweile verhandelt man ganz offen mit Assad wie auch Russland, während man noch großer Hoffnung ist, dass die Ankündigung von Trump erst gar nicht umgesetzt wird.

Die USA und der Westen hatten in ihren geostrategischen Planspielen mit Syrien nicht mitberücksichtigt, dass die „Verbündeten“ die mit „Timber Sycamore“ aufgezogen wurden, sich langsam verselbstständigen, wie einst in Afghanistan oder im Irak. Auch als Berichte durchkamen, dass einige oppositionelle syrische Milizen sich der Terrormiliz IS anschlossen, hielt Obama am Plan fest. Erst mit Trump endete die Operation „Timber Sycamore“ und begann der eigentliche Kampf gegen die IS – oder sollten wir sagen, fehlte es der IS an Geldmitteln und Waffen, weshalb diese langsam in sich zerfiel.

Im Juli 2017, noch vor dem G-20 Gipfel, beschloss Trump in Absprache mit dem nationalen Sicherheitsberater H. R. McMaster und CIA-Direktor Mike Pompeo, das Programm auslaufen zu lassen und die Ressourcen unter dem selben Programmnamen nun für den Kampf gegen die Terrormiliz IS einzusetzen. Schon damals hielten ranghohe Beamte im Pentagon wie auch Washington von diesem Auslauf-Plan nichts, da man offenbar davon ausging, dass Trump damit Wladimir Putin entgegengekommen sei. Die Entscheidung von Trump wurde als „großes Zugeständnis“ an Russland bezeichnet, es hieß gar in den Schaltzentralen der US-Schaltzentralen, Putin habe in Syrien gewonnen.

Der zweite Gewinner scheint die Türkei zu sein, die nach 2015 immer wieder heftig in der Kritik des Westens stand, sogenannte „islamistische“ Milizen zu unterstützen. Vor allem die Berichterstattung über mutmaßliche Waffenlieferungen der türkischen Regierung an den IS durch den türkischen Journalisten Can Dündar, markiert hier einen Wendepunkt – letztendlich verleugnete Dündar zwar im Nachhinein im Exil, es habe sich um die IS gehandelt, aber offenbar hatte er damit seinen Auftrag erfüllt, denn so recht will das in Europa nicht durchklingen.

Bis zu diesem Zeitpunkt lief der Plan „Timber Sycamore“ mehr oder weniger perfekt, konnten die Waffenlieferungen bis weit ins Jahr 2016 hinein geheim gehalten werden, aber dann änderte sich die Situation, florierte der Waffenschmuggel über Jordanien oder über den Libanon und es gelangten so derart Unmengen von Waffen in die Hände der IS, dass das kaum zu verhehlen war. Es muss also bereits zuvor zu einem Interessenskonflikt zwischen der Türkei und den USA bzw. dem Westen gekommen sein, weshalb dann die Türkei als alleiniger „Waffenlieferant“ der IS medial an die Wand gestellt wurde, während laut Angaben der australischen Tageszeitung „The Canberra Times“ sogar noch im April 2016 rund zweitausend Tonnen russische oder osteuropäische Waffen im jordanischen Hafen Akaba angelandet wurden – eingefädelt und finanziert von der CIA.

Gegenwärtig hält die Türkei weite Teile des westlichen Nordsyriens bis zum Euphrat, der Nordsyrien zerteilt. Um die Sicherheitspolitik fortzusetzen, die mit den Operationen “Schutzschild Euphrat“ (2016/2017) und “Olivenzweig“ (2018) begann, droht die Türkei damit, auch östlich des Euphrats einzumarschieren und die Sicherheit der Region in die eigene Hand zu nehmen. Das hat mehrere Gründe. Einerseits will man vor allem das Durchsickern von Terroristen der PKK verhindern, die hier seit rund 5 Jahren in der Region wirken, zum anderen will man die syrischen Flüchtlinge in der Türkei wieder in ihre angestammten Gebiete entlassen, aus der sie zuvor geflohen sind.

So lange die US-Bodentruppen östlich des Euphrats stationiert bleiben, so lange wird auch die YPG versuchen ihre Macht in der Region stetig ausbauen, in der sie bereits die syrisch-kurdische wie syrisch-arabische Opposition ausgemerzt hat. Das scheint auch Washington nicht zu schmecken, die darum bemüht ist, dass die YPG bzw. PKK irgendwie noch die dahingeraffte Opposition davon überzeugt, sich wieder im kontrollierten Gebiet niederzulassen. Die syrische Opposition, ob in Istanbul oder Berlin, verweigert aber die Rückkehr und fordert eine Abtretung der Kontrolle an die Türkei. Diese Forderung wird immer lauter und nachdrücklicher, was man u.a. in ar-Raqqa beobachten kann. Hier rebelliert die Bevölkerung gegen die YPG-Bevormundung und es kommt immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen, die mit Waffengewalt von der YPG niedergeschlagen werden.

Im Ergebnis bleibt den USA nur die Option, eine Pufferzone zuzulassen, die nach dem Willen der Türkei von ihr selbst kontrolliert wird. Russland wird diese Forderung unterstützen und im Gegenzug den Rückzug türkischer Bodentruppen aus der Region Idlib fordern. Für die Türkei eine Win-win-Situation, mit der keiner gerechnet hat und deshalb im Westen medial wie politisch vorgegangen wird. Das ist aber vergebliche Liebesmüh.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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