Düsseldorf (nex) – Die Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, hat in der Debatte um das türkische Verfassungsreferendum zur Mäßigung aufgerufen.
„Gerade jetzt sollten Deutsche und türkischstämmige Bürgerinnen und Bürger nicht in Polemik abdriften oder pauschale Urteile übereinander fällen“, sagte Cordt der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“.
Sie verwies auch darauf, dass das BAMF Integration unterstütze, unter anderem durch Strukturförderungen von Migrantendachorganisationen, um diese als Ansprechpartner zu festigen.
„Wir unterstützen aber auch Ehrenamtliche, die im Integrationsprozess wichtige Aufgaben wahrnehmen – zum Beispiel durch die bundesweiten „Houses for Ressources“.
Die Grünen hatten eine Auseinandersetzung über die Hintergründe des Wahlverhaltens von Deutsch-Türken gefordert.
“In Deutschland brauchen wir jetzt eine Debatte darüber, warum ein Teil der Deutsch-Türken, die hier Demokratie und Rechtsstaatlichkeit genießen, diese in der Türkei abgewählt haben”, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der “Rheinischen Post”.
Er sprach sich für eine “klare Ansage” aus, wonach in Deutschland nur glücklich werde, wer mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und “nicht nur auf Zehenspitzen”.
Das Ergebnis bescheinige zudem Versäumnisse in der Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte. “Wir Grüne werden Integration in der nächsten Regierung zur Chefsache machen”, erklärte Özdemir.
Grünen-Politikerin Claudia Roth zufolge müssten die Menschen, die mit Ja gestimmt haben, sich mal fragen, warum die Zahl der Asylbewerber aus der Türkei seit Monaten massiv zunimmt. Zigtausende Diplomaten, Wissenschaftler, Militärangehörige, Intellektuelle, Künstler und Journalisten würden nach Europa und nach Deutschland kommen und hier Asyl beantragen. Die Ja-Wähler unterstützten ein System, das in der Türkei zu neuen Fluchtursachen führe.
Im Umgang mit türkeistämmigen Mitbürgern seien in den vergangenen Jahrzehnten aber auch viele Fehler gemacht worden, die Verletzungen hinterlassen hätten. Ein türkischer Nachname sei auch heute noch eine Hürde beim Zugang zu Wohnung oder Ausbildungsplatz, so Roth in einem Interview mit der Tageszeitung “die Welt”. Roth führt Erdogans Wahlerfolg unter Deutsch-Türken auf Integrationsprobleme zurück. Deutschland habe sich sehr lange „nicht offen gezeigt“. Sie will das kommunale Wahlrecht für Türken hierzulande.
Integrations-Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) warnte davor , die in Deutschland lebenden Türken wegen ihres Abstimmungsverhaltens beim Referendum pauschal zu kritisieren. Das Auftreten von Nationalisten unter den Migranten sei “keine Besonderheit der Deutsch-Türken, so wenig es uns gefallen kann”, sagte Özoguz gegenüber der “Saarbrücker Zeitung”.
Das gebe es unter allen Migrantengruppen auch in anderen Ländern. Die Staatsministerin rief zur “Mäßigung” in der Debatte darüber auf.
“Man kann das kritisieren, auch hart, aber man darf nicht immer wieder so tun, als kämen diese Menschen von einem anderen Stern.” Forderungen aus der Union, die EU-Beitrittsgespräche zu stoppen, lehnte Özoguz ab. “Noch bevor ein amtliches Ergebnis vorliegt, ist jede derartige Forderung überzogen und verfrüht.” Zudem müsse abgewartet werden, “was Erdogan mit der neuen Machtfülle macht”.