Von Peter Z. Ziegler
Basel (nex) – Ist die Empörung der besorgten Bürgerinnen gross genug, dann ist das Verbot von Burkinis gerechtfertigt. So sind zwei Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Nizza zu interpretieren, die jetzt ergangen sind. Sie sind die letzten in einer Reihe von juristischen Auseinandersetzungen um den islamischen Schwimmanzug für Frauen, die weltweit beachtet worden sind. Jetzt wird das Thema erneut aktuell.
Der Anwalt der CFIC (Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich) kündigte auf Twitter an, dass er das Burkiniverbot erneut vor den Staatsrat bringen werde. „Es war die Kontroverse des Sommers, wir dachten, sie hat sich erschöpft, stattdessen fährt sie fort“ kommentiert die Regionalzeitung „Nice Matin“.
Am 26. August hatte das Verfassungsgericht Frankreichs, der Staatsgerichtshof in Paris, das Burkiniverbot einer bestimmten Gemeinde an der Cõte d´Azur aufgehoben. Während in der Folge überall sonst in Frankreich die Gemeinden ihr Verbot entweder freiwillig annullierten oder die örtlichen Verwaltungsgerichte – dem Urteil des Staatsgerichtshofs folgend – das Verbot aufhoben, blieben Politiker und Richter des Bezirks Nizza beratungsresistent.
Gerade dort sind die Bürgermeister und Parlamente von der rechtsradikalen Front National (FN) oder von konservativen Republikanern bestimmt. Beide wollen unisono mit den Ängsten der Bürger als Folge der Terrorattacke vom 14. Juli Stimmen sammeln. Die Zahl der Leserkommentare in den Medien an der Rivièra gibt ihnen scheinbar Recht. Diese zeigen deutlich, dass die Entscheidung aus Paris bei „Volkes Stimme“ nicht gut ankommt.
Das Verwaltungsgericht Nizza hat jetzt das Burkiniverbot der beiden Badeorte Cagnes-sur-Mer und Vallauris Golfe-Juan aufgrund offensichtlich fabrizierter Beweise der verklagten Gemeinden für gültig erklärt. Zuvor waren am 9. September 2016 in einem „letzten Paket“ die Verbote dieser beiden Gemeinden sowie jene von Saint-Jean-Cap-Ferrat, Théoule-sur-Mer und Saint-Laurent-du-Var öffentlich erörtert worden. Zwei Gemeinden zogen ihr Verbot noch vor einem Urteil zurück.
Im Fall von Saint-Laurent-du-Var folgten die Verwaltungsrichter dem Staatsgerichtshof und hoben das Burkiniverbot auf. Die allgemeinen Sorgen und Ängste vor Terroranschlägen rechtfertigten ein solches Verbot nicht. Da müssten schon konkrete Gründe genannt werden.
Anders entschieden die Richter in den zwei verbliebenen Fällen. Sie bezogen sich auf die Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof wo wiederholt gefragt worden war, ob „Störungen der öffentlichen Ordnung“ durch das tragen religiöser Kleidung an den Stränden verursacht worden sei. Dies war nicht der Fall, und deshalb – so die höchsten Richter – sei eine „schwerwiegende Verletzung einer Grundfreiheit“ nicht gerechtfertigt. Anders sei dies in Cagnes-sur-Mer und Vallauris Golfe-Juan, folgerten die regionalen Richter.
Der Bürgermeister von Cagnes-sur-Mer verteidigte seinen Erlass wortgewandt mit der Beschreibung einer „großen Auseinandersetzung “ und einem „ziemlich starken verbalen Austausch“ zwischen einer Familie, in der „zwei Mitglieder häufig Badeanzüge genannt ´burkinis´ trugen“ und anderen Strandbenutzern. Dieser Zwischenfall soll sich am 23. August ereignet haben.
Der Anwalt der Stadt erklärte, dass der Bürgermeister am nächsten Tag den Auftrag wahrgenommen habe „die Sicherheit des gesamten Küstenbereichs seiner Gemeinde zu garantieren„. Das Gericht erachtete in der Folge das Burkiniverbot als „ geeignet, erforderlich und angemessen“.
Die gleiche Situation in Vallauris Golfe-Juan: Hier soll sich am 12. August 2016 eine Gruppe von den Badegästen, „empört und Provokation schreiend“ gegen die Anwesenheit von zwei Frauen gewehrt haben, „die in einer Djellaba und verschleiert, so dass nur ihre Gesichter zu sehen waren, dem Schwimmen gefrönt haben„. Auch hier entschieden die Richter von Nizza, dass das Burkaverbot zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung diente.
Kritiker der beiden Urteile sind sich einig: Wenn „besorgte Bürger“ laut genug schreien und empört genug protestieren, so ist die öffentliche Ordnung gefährdet und die Verfassung wird notfalls ausser Kraft gesetzt.