Ankara (nex) – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will Deutschland die Gelegenheit geben, den „Fehler“ zu korrigieren, den das Land in Form der vom Deutschen Bundestag in der Vorwoche verabschiedeten, umstrittenen Resolution begangen habe, in der die Ereignisse von 1915 rund um die Deportation armenischer Bevölkerungsteile im Osmanischen Reich als „Völkermord“ eingestuft worden waren.
Bevor Erdoğan am Mittwochabend vom Esenboğa-Flughafen in Ankara aus in Richtung USA aufbrach, wo er dem Begräbnis der jüngst verstorbenen Boxlegende Muhammad Ali beiwohnen wird, hatte er, wie er Reportern gegenüber betonte, ein Treffen mit hochrangigen Sicherheitskreisen absolviert.
Dabei sei es um mögliche Maßnahmen gegangen, die von der Türkei ergriffen werden könnten, sollte Deutschland seinen „falschen Schritt“, wie Erdoğan die Resolution nannte, nicht korrigieren. „Wir haben während unserer Gespräche einige Themen hinsichtlich uns möglicher Schritte besprochen. Wir werden diese Schritte setzen, wenn Deutschland seinen Fehler nicht korrigiert“, erklärte der türkische Präsident.
„Wenn Deutschland seinen falschen Schritt nicht korrigiert, werden auch unsere Schritte andere sein“, machte Erdoğan deutlich. „In anderen Worten: Der Prozess wird nicht mehr der sein, der er jetzt ist.“ Erdoğan machte auch darauf aufmerksam, dass fast 3,5 Millionen türkischer Menschen in Deutschland lebten.
Der türkische Präsident hatte bereits zuvor mehrfach die Resolution des Bundestages scharf kritisiert. Dabei warnte er unter anderem auch, dass Entscheidungen, die im deutschen Parlament fallen, „ernsthafte Auswirkungen auf unsere Beziehungen“ haben würden. Am 2. Juni hatte der Deutsche Bundestag eine Resolution verabschiedet, in der man sich den armenischen Narrativ, es habe im Zusammenhang mit der Deportation armenischer Bevölkerungsteile im Osmanischen Reich 1915 einen „systematischen Völkermord“ an Armeniern und anderen christlichen Minderheiten, zu Eigen gemacht hat.
Die Türkei erkennt die Tragödie hinter den Todesfällen hunderttausender Menschen an, die von 1915 an im Zusammenhang mit den Ereignissen in Ostanatolien während des Ersten Weltkrieges ihr Leben verloren hatten. Allerdings verwahrt sich die Türkei gegen die Beurteilung der Ereignisse als „Völkermord“ und spricht von einer beiderseitigen Tragödie.
Ankara hat wiederholt die Bildung einer gemeinsamen internationalen Historikerkommission angeregt, um die Ereignisse vom Grunde her aufzuarbeiten und historisch zu bewerten. Die Regierung des Osmanischen Reiches hatte 1915 die Deportation armenischer Bevölkerungsteile aus der Region beschlossen, nachdem sich armenische Terrormilizen und Teile der Bevölkerung mit der russischen Armee verbündet hatten, die im Osten an der Kaukasusfront in osmanische Gebiete vorrückte.