Berlin (dts) – Wim Wenders, Deutschlands international bekanntester Regisseur, hat auch das Talent, Dinge und gesellschaftliche Phänomene zu antizipieren. Der Filmemacher, der am 14. August 70 Jahre alt wird, skizzierte etwa mit seinem Roadmovie „Alice in den Städten“ bereits 1973 ein neues Männerbild. „An die alten Kinohelden hat eigentlich keiner mehr geglaubt“, sagte Wenders in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus.
„Ich fand jedenfalls, dass es an Filmen mangelte, in denen Männer sich in Frage stellten. Irgendwo stand neulich, dass ich mit dieser Figur Philipp Winter (Rüdiger Vogler) den Softie erfunden hätte.“ Auch mit seinem Werk „Bis ans Ende der Welt“ war Wenders seiner Zeit weit voraus. „Ich hab den Film gerade wiedergesehen, mit einem recht jungen Publikum bei der MoMA-Retro in New York“, erzählte der Kino-Autor, „und war von den Socken, wie sehr unsere heutige Wirklichkeit in diesem Science-Fiction-Film von 1991 schon vorkommt.“ Und Wenders weiter: „Wir hatten damals noch kein Wort für das Selfie, aber letztlich ist das ja schon die Krankheit, von der `Bis ans Ende der Welt` handelt: die betörende Lust am eigenen Bild.“
Trotzdem reklamiert der vielseitige Künstler, der auch als Fotograf erfolgreich ist, für sich kein besonderes Gespür für den Zeitgeist. „Das entzieht sich, Gott sei Dank, jeder Kontrolle“, meint Wenders. „Dass `Buena Vista Social Club` etwas losgetreten, die Kultur und Musik Kubas in die Welt rausgetragen hat, das hab ich gehofft, aber das stand nicht in meiner Macht.“ Und er fügt hinzu: „Es ist auch gut, dass manchmal Sachen, an denen man wirklich hängt, völlig scheitern. Das ist mir schließlich auch oft genug passiert, sodass ich mir denke: Dann hab ich mir die paar Mal, bei denen ich den Nerv getroffen hab, auch verdient.“