Ein Gastbeitrag von Gazmend Gashi
Der neue Superman-Film wurde zur politischen Waffe – nicht, weil er agitatorisch ist, sondern weil er unbequeme Wahrheiten sichtbar macht.
Pro-israelische und zionistische Akteure starteten eine koordinierte Kampagne: Boykottaufrufe, Schmierkampagnen, und schließlich die vollständige Veröffentlichung des Films auf YouTube – ein gezielter Versuch, dem Werk finanziellen Schaden zuzufügen.
Doch diese Reaktionen verraten mehr über den Zustand der westlichen Mehrheitsgesellschaft als über das Werk selbst. Sie entlarven eine rassistische Selbstwahrnehmung, die tief in kolonialen Denkmustern verankert ist.
Allegorie auf koloniale Gewalt
Im Zentrum des Films steht ein fiktives, braunes indigenes Volk, das sich einer übermächtigen, weißen Siedlermacht gegenübersieht – technologisch überlegen, organisiert, brutal. Das Bild ist klar: Eine Allegorie auf koloniale Gewalt, Unterdrückung und Widerstand. Und genau hier beginnt das Unbehagen derjenigen, die sich mit der unterdrückenden Macht identifizieren.
Es ist nicht nur die Angst, als Täter entlarvt zu werden – es ist die tiefe Weigerung, sich überhaupt mit dem „Braunen“ zu assoziieren. Denn in der rassistischen Logik des Westens – und vieler Pro-Israel-Kreise – ist „braun“ nicht nur eine Hautfarbe, sondern ein Code: für Rückständigkeit, Bedrohung, Terror, Chaos. Braun ist das Andere. Das, was man nicht sein will. Das, was bekämpft, entmenschlicht und ausgelöscht werden darf.
„Verbunden mit weißer Siedlermacht“
Deshalb identifizieren sich viele Pro-Israel-Stimmen nicht etwa mit dem unterdrückten Volk im Film, obwohl sie sich in der öffentlichen Erzählung ständig als „indigene Minderheit“ präsentieren. Stattdessen fühlen sie sich der weißen Siedlermacht verbunden – nicht trotz, sondern wegen ihres rassistisch-privilegierten Status.
Das vermeintlich indigene Selbstbild Israels zerbricht in dem Moment, wo eine fiktive indigene Bevölkerung filmisch in Szene gesetzt wird – und man sich weigert, zu ihr zu gehören. Hier wird deutlich: Der Bezug auf „Indigenität“ dient rein taktischen Zwecken. In Wahrheit zählt das Weißsein. Der Zugang zur westlichen Vorherrschaft. Zur Macht. Zur Gewalt. Zum rassistischen Selbstverständnis, das die braunen Völker dieser Welt bestenfalls als Bedrohung betrachtet.
Als jemand, der selbst aus einem durch Genozid gezeichneten Volk stammt – als Kosovo-Albaner, dessen Geschichte von serbischem, christlich-nationalistischem Völkermord geprägt ist – war es für mich selbstverständlich, mich in diesem Film mit dem braunen indigenen Volk zu identifizieren. Ich sah in ihrem Leid, in ihrem Widerstand, in ihrem Überleben Parallelen zu dem, was palästinensische Familien seit Jahrzehnten erfahren.
Die Bombardierung, die Enteignung, die Propaganda, die völlige Umkehrung von Täter und Opfer – all das ist real, nicht fiktiv. Und darum wirkt dieser Film wie ein Spiegel, in den viele nicht blicken wollen.
Die Gewalt, mit der der Film öffentlich diskreditiert wird, zeigt eine tiefe Unruhe. Denn er erlaubt keine moralische Ausflucht. Wer ihn sieht, erkennt die strukturelle Logik des Rassismus: Weiß ist überlegen, braun ist gefährlich. Weiß darf Siedler sein, darf Grenzen verschieben, darf sich „verteidigen“ – selbst dann, wenn es in Wahrheit angreift. Braun darf nur Opfer sein – wenn überhaupt. Und wenn es sich wehrt, wird es sofort kriminalisiert.
„Mehr als eine fiktionale Figur“
In diesem Kontext ist der neue Superman mehr als eine fiktionale Figur. Er ist ein moralisches Korrektiv. Er steht nicht mehr auf der Seite jener, die sich selbst zu Helden stilisieren, obwohl sie in Wahrheit Unterdrücker sind. Er ist auf der Seite der Schwachen – nicht als Retter, sondern als Zeuge. Als jemand, der das koloniale Narrativ nicht länger mitträgt.
Und genau das macht ihn gefährlich für jene, die vom alten Bild leben: Superman als weißer, westlicher Held, der die Welt „in Ordnung“ hält. Doch was ist diese Ordnung anderes als ein System rassistischer Gewalt?
Dass dieser Film in voller Länge auf YouTube gestellt wurde – nicht aus Fanliebe, sondern aus Kalkül –, ist ein Akt der Zensur. Kein juristischer, sondern ein ideologischer. Wer die Produktion wirtschaftlich sabotieren will, bekämpft nicht Kunst, sondern ihre politische Wirkung. Es ist ein Racheakt gegen eine Geschichte, die den Spiegel zu klar hält. Gegen eine Erzählung, in der die „Braunen“ nicht länger schweigen. Und gegen ein Publikum, das beginnt, sich nicht mit Macht, sondern mit Menschlichkeit zu identifizieren.
Die Maske der westlichen Moral ist gefallen. Und Superman war es, der sie abgenommen hat – nicht durch Gewalt, sondern durch Klarheit. Er hat gezeigt, dass „Heldentum“ nicht in Kraft, sondern in Haltung besteht. Dass wahres Heldentum darin liegt, sich dem Rassismus entgegenzustellen – nicht indem man davon redet, sondern indem man sich klar positioniert.
Danke, Superman. Du warst ein Held meiner Jugend – und bist es heute mehr denn je.
Zum Autor
Gazmend Gashi ist Kind der ersten Migrantengeneration, Hadith-Wissenschaftler, Diplom-Wirtschaftler, leidenschaftlicher Handwerker, R’n’B/Soul-Sänger und politischer Analyst. Unabhängig von seiner islamischen Gelehrsamkeit widmet er sich soziologischen Analysen kollektiven Verhaltens – mit Schwerpunkt auf Antirassismus, Antimuslimismus und Antisemitismus.
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