Start Politik Ausland Gastkommentar Thomas: Israel und der European Song Contest

Gastkommentar
Thomas: Israel und der European Song Contest

Thomas: "Die augenblicklich leidenschaftlich diskutierte Frage, ob Israel am European Song Contest, ESC, nun teilnehmen soll oder nicht, wird meines Erachtens am falschen Ende aufgehängt."

(Foto: pixa)
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Ein Gastbeitrag von Michael Thomas

Die augenblicklich leidenschaftlich diskutierte Frage, ob Israel am European Song Contest, ESC, nun teilnehmen soll oder nicht, wird meines Erachtens am falschen Ende aufgehängt.

Denn dazu muss man zunächst wissen, weshalb ein außereuropäisches Land überhaupt an diesem Wettbewerb teilnimmt. Das liegt am Betreiber des ESC, nämlich an der EBU, der European Broadcasting Union. Die wiederum hatte als europäische Vereinigung dereinst eine Plattform für Journalisten geschaffen, um Nachrichten unkompliziert anbieten und nachfragen zu können.

Besonders interessant daran ist, dass teilnehmende Staaten aufgrund schwerer Vorwürfe gegen ihren Umgang mit Journalismus ihre Mitgliedschaft verlieren können. So schloss man 2021 Belarus aus, weil von dort Interviews präsentiert worden waren, die augenscheinlich unter Druck zustande gekommen waren. Hier zeigte die EBU eine konsequente Verbundenheit mit journalistischen Standards.

Da der ESC ein Produkt der EBU ist, müssen die daran teilnehmenden Staaten zwangsläufig diesen Standards folgen.

Allerdings vermeldet im Falle Israel die z.T. gezielte Tötung von ca. 200 Medienschaffenden seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Angriffs der Hamas. (1)

Israels Regierungen beschränken Medien seit Jahren stark

Der restriktive Umgang jeder jeweiligen israelischen Regierung mit Medien ist seit vielen Jahren bestens bekannt; wie der SPIEGEL etwa bereits 2010 berichtete, arbeitet dort eine offen als solche bezeichnete Zensurabteilung. (2)

Insgesamt wird Israel auf der Rangliste für Pressefreiheit Israel mit der zweit schlechtesten Bewertung „schwierige Lage“ geführt. (3)

Ein gleich doppeltes Problem ergibt sich durch die gezielte Exekution der Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Aqleh am 11. Mai 2022 durch einen israelischen Soldaten, denn hier tritt zur absichtsvollen Tötung einer Journalistin der Versuch der israelischen Regierung, zunächst palästinensischen Kämpfern die Verantwortung zugeschoben zu haben. Erst nach Vorhaltung forensischer Beweise, die vor Ort gesichert werden konnten, gab die Regierung zu, Abu Aqleh getötet zu haben.

Der Sender Al-Jazeera zeigte sich überaus gut vernetzt, mobil, hervorragend informiert und wurde daher im Zuge des Gaza-Krieges von Israel gleich vollständig verboten.

Durch all diese Vorkommnisse kann Israel unmöglich weiterhin Mitglied der EBU sein und darf im Rahmen des ESC keine Präsenz in einem kulturellen Bereich zeigen. Wenn ein unter Druck erzeugtes Interview ausreichte, Belarus von der Mitgliederliste zu streichen, so wiegen die Verstöße Israels gegen die Freiheit der Presse ein solches Vergehen ganz erheblich schwerer.

Schon im Sportbereich hat der weltweite Fußball meiner Meinung nach jämmerlich versagt; es kann nicht sein, dass ein Land, das alle Trainingsplätze in Gaza vernichtet und den Großteil der dort aktiven Spieler verstümmelt oder tötet, trotzdem in internationalen Turnieren antreten kann. (4)

Wie bereits beim letzten ESC, so wird es auch diesmal fraglos zu großen Demonstrationen kommen, die widersinnigerweise als „antisemitsch“ bezeichnet werden. Wir alle wissen aber, dass auch diese Veranstaltung ein Solidaritätsbeweis der europäischen Regierungen Israel gegenüber darstellt und wieder einmal nur eine Gelegenheit gesucht wird, Kritik am Völkermord zu diskriminieren.

Aber wir sollten uns alle bewusst machen, dass das Problem tatsächlich in der Tatsache liegt, dass seitens der EBU selbst das Verständnis von freier Presse zugunsten Israels verbogen und ktitiklos hingenommen wird, dass dies Land jede Freiheit von Journalisten durch Verbote und Hinrichtung beschneidet.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


Zum Autor 

Michael Thomas ist Privatier, Fotograf, leidenschaftlich an Ägyptologie und Literatur interessiert, mit der er vor vielen Jahren als Autor regional einige Beachtung fand. Er verfolgt interessiert das Weltgeschehen durch Beobachtung internationaler Presse. Seinen Fokus legt er insbesondere auf die Palästinafrage und auf die islamische Welt.

 


  1. Situation der Medien im Gazastreifen
  2. So funktioniert Israels Zensurmaschine
  3. Rangliste der Pressefreiheit
  4. Fifa untersucht Vorwürfe gegen Israel