Start Geschichte Tod von Margot Friedländer Die Türkei und der Schutz verfolgter Juden

Tod von Margot Friedländer
Die Türkei und der Schutz verfolgter Juden

Ein stilles Kapitel der Menschlichkeit im Gedenken an Margot Friedländer. Mit dem Tod von Margot Friedländer am 10. Mai 2025, verliert die Welt eine der letzten lebenden Zeitzeuginnen der Schoah. Ihre Stimme erinnerte unermüdlich an die dunkelste Epoche deutscher Geschichte und zugleich aber auch an die Kraft der Menschlichkeit.

(Foto: Screenshot)
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Von Henriette Wild

Mit dem Tod von Margot Friedländer am 10. Mai 2025, verliert die Welt eine der letzten lebenden Zeitzeuginnen der Schoah. Ihre Stimme erinnerte unermüdlich an die dunkelste Epoche deutscher Geschichte und zugleich aber auch an die Kraft der Menschlichkeit.

In dieser Zeit des Innehaltens lohnt es sich, auch auf jene weniger bekannten Geschichten zu blicken, in denen Mut, Hilfe und Mitgefühl stärker waren als Hass und Gleichgültigkeit. Die Rolle der Türkei im Zweiten Weltkrieg ist ein solches Beispiel.

Während ganz Europa von nationalsozialistischem Terror überzogen wurde, suchten viele Jüdinnen und Juden nach Zuflucht. Die junge Republik Türkei, unter Mustafa Kemal Atatürk modernisiert und westlich orientiert, wurde für manche zu einem rettenden Ufer. Still, entschlossen und oft unbeachtet von der Weltöffentlichkeit.

Retter in diplomatischer Mission

Türkische Diplomaten wie Selahattin Ülkümen auf Rhodos oder Necdet Kent in Marseille riskierten Karrieren, vielleicht auch ihr Leben, um jüdische Menschen vor der Deportation zu bewahren.

Sie protestierten, argumentierten mit Staatsbürgerschaften und setzten die Macht des Passes gegen die Gewalt der Gestapo.
Ülkümen rettete mindestens 50 Menschen vor dem sicheren Tod. Sein Name steht heute in Yad Vashem unter den „Gerechten unter den Völkern“.

Zuflucht der Wissenschaft

Nach 1933 bot die Türkei jüdischen Wissenschaftlern und Intellektuellen aus Deutschland eine neue Heimat. Etwa 1000 Akademiker, unter ihnen Juristen, Ärzte, Architekten und Musiker, fanden an türkischen Universitäten nicht nur Arbeitsmöglichkeiten, sondern auch Anerkennung.

Menschen wie Prof. Ernst Reuter, Eduard Zuckmayer oder Philipp Schwartz halfen beim Aufbau einer modernen Hochschullandschaft in Istanbul und Ankara.

Licht und Schatten

Doch es ist auch eine Geschichte mit Brüchen. Die Tragödie des Flüchtlingsschiffs „Struma“ ist ein schmerzhaftes Beispiel dafür. Im Winter 1942 lag das Schiff wochenlang vor Istanbul fest, an Bord über 760 jüdische Flüchtlinge aus Rumänien, auf dem Weg nach Palästina.

Unter internationalem Druck, vor allem aus Großbritannien, das die jüdische Einwanderung in das Mandatsgebiet einschränken wollte, wurde die “Struma” am 23. Februar ohne funktionierenden Motor zurück ins Schwarze Meer geschleppt. Nur einen Tag später torpedierte ein sowjetisches U-Boot das treibende Schiff.

Alle bis auf einen Passagier kamen ums Leben. Die Sowjets hielten das Schiff offenbar irrtümlich für ein feindliches Versorgungsschiff. Die „Struma“ wurde so zum Symbol einer Flucht, die in einer globalen Gleichgültigkeit endete.

Ein Vermächtnis des Erinnerns

Margot Friedländer, die mit 21 Jahren untertauchte, ihre Familie verlor und nur durch Zufall überlebte, verkörperte bis zuletzt die Hoffnung, dass Erinnerung Verantwortung gebiert. In ihrem Geiste ist es wichtig, auch jene Geschichten des Widerstands und der Hilfe zu erzählen, selbst wenn sie nicht vollkommen und nicht frei von Widersprüchen sind.

Die Türkei hat in jener Zeit nicht laut gesprochen, dafür aber leise gehandelt. Und dieses leise Handeln rettete Leben.

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– Selahattin Ülkümen –
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Nach Ansicht des US-Historikers Stanford Shaw hat die Türkei während des Zweiten Weltkriegs durch die Erteilung von Einreise- und Transitvisa sowie der Duldung von nicht erlaubten Durchreisen mindestens 100.000 Juden aus Europa das Leben gerettet.

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