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Schamanismus: Gemeinsamkeiten von Germanen und Turkvölkern

Nicht nur die erst in späterer Zeit schriftlich überlieferte Nordische Mythologie weist direkte Bezüge und Parallelen zu dem sibirischen, vor allem türkischen und mongolischen Schamanismus auf,

Ein Schamanen-Denkmal in der Mongolei (Ovo), (Foto: Çağıl Çayır)
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von Çağıl Çayır – Historiker

Nicht nur die erst in späterer Zeit schriftlich überlieferte Nordische Mythologie weist direkte Bezüge und Parallelen zu dem sibirischen, vor allem türkischen und mongolischen Schamanismus auf, sondern belegen auch die frühesten archäologischen Zeugnisse aus Europa und Asien ihre uralten Gemeinsamkeiten.

Die vergleichbaren Funde reichen dabei bis zu den sogenannten Venusfigurinen aus der Zeit von vor 12.000 bis 40.000 Jahren zurück. Die Funde erstrecken sich über den gigantischen Landkreis von Sibirien bis nach Spanien. Ihre weite Verbreitung wird als Beweis für Kulturkontakte und gemeinsame Glaubensvorstellungen erkannt.

Doch auch aus der Zeit von vor 9.000 bis 7.000 Jahren finden sich erstaunliche Zeugnisse, die die Völker und Kulturen von Ost und West miteinander verbinden. Eine der größten Gemeinsamkeiten ist dabei der sogenannte Elch- oder Hirschkult. Zahlreiche Funde, vor allem aus Europa und Nordasien, zeigen Parallelen auf.

Das ewige Erbe der Schamanen von Ost und West

Beispielsweise wurden unter anderem in Bedburg-Königshoven in Nordrhein-Westfalen zwei über 9.000 Jahre alte Hirschgeweihmasken gefunden, die mit sibirischen Schamanen-Masken verglichen werden. Vergleichbare Funde aus Europa finden sich unter anderem in Ost- und Norddeutschland, Dänemark und England. Die ukrainische Archäologin Nataliia Mykhailova beschäftigt sich seit einigen Jahren eingehend mit dem Thema.

Über 9.000 Jahre alte Hirschgeweihmaske aus Bedburg-Königshoven, (Foto: M.Wild/Wikimedia/CC-BY 3.0)

2019 ist in Dänemark ein Artikel erschienen, der der Frage nachging, woran die Dänen vor der Nordischen Mythologie glaubten. Der dänische Steinzeitforscher Mikkel Sørensen machte dabei unter anderem auf einen Schamanen-Trommelschlägel aufmerksam, der in einem 7.000-jährigen Schamanen-Grab aus Vedbæk in Dänemark gefunden wurde. Ähnliche Funde sind aus Sibirien bekannt.

Sibirischer Schamane aus dem 17. Jahrhundert, (Bild: N.Witsen/CC BY 3.0/Wikimedia)

Schließlich gibt es noch viele weitere Parallelen zwischen den Kulturen, die über die Jahrhunderte und Jahrtausende bis in die Gegenwart und Zukunft reichen. Angefangen bei den Bestattungsriten und Denkmälern bis hin zu den Märchen und Sagen in Asien und Europa.

Es gilt also die Kulturen nicht getrennt voneinander, sondern gemeinsam und ganzheitlich zu betrachten, um ihre Entstehung und Entwicklung zu verstehen. Interessant ist dabei, dass der in Urzeiten weitverbreitete Schamanismus heute noch in Sibirien und der Mongolei, aber auch in Nord- und Südamerika, ferner auch in Afrika und Australien weiterlebt. Der Schamanismus ist aktuell sogar wieder weltweit zum Trend avanciert.

Die uralten und beeindruckenden Parallelen in den vier Weltrichtungen erinnern uns heute an die uralten Gemeinsamkeiten der Völker und Kulturen. Entgegen ihrer geschichtspolitischen Spaltung in der Moderne. Erst jetzt können wir uns solchen Zeugnissen unvoreingenommen widmen. Zumindest so lange nicht wieder politische Konflikte und Kriege die Geschichtsforschung einschränken und verzerren.

Um so wichtiger ist es die aktuelle Forschungsfreiheit und Technik unserer Zeit zu nutzen und den gemeinsamen Zeichen der Vergangenheit zu folgen. Die Schamanen von Ost und West haben uns hierfür ein ewiges Erbe hinterlassen.


Autor

Çağıl Çayır studierte Geschichte und Philosophie an der Universität zu Köln und ist als freier Forscher tätig. Çayır ist Autor von „Runen in Eurasien. Über die apokalyptische Spirale zum Vergleich der alttürkischen und ‚germanischen‘ Schrift‘“ und ist Gründer der Kultur-Akademie Çayır auf YouTube. Seine Arbeiten wurden international in verschiedenen Fach- und Massenmedien veröffentlicht.


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